Unerträgliches mit Humor (üb)ertragen

Über Comedy, Schmerz, Bo Burnham und Humor als Mittel zur Bearbeitung schwieriger Themen.

Es geht mir manchmal nicht gut, ich habe immer ein Faible für Düsteres, Trauriges, Wütendes und ich lache gern. Daher fasziniert mich Stand-Up-Comedy. Wirkt das paradox?

Vor einer Weile habe ich die Show Make Happy von Bo Burnham gesehen. [Vorsicht Spoiler] Er präsentierte eine Mischung aus ungewohntem, teils albernem Humor und viel Musik. Doch zwischendrin und am Ende schien es, dass er ehrlich und fast unangenehm offen wurde. Im Song Can’t Handle This Right Now, kniet er am Boden, nachdem er viel Unfug gesungen und gemacht hatte, blickt ins Publikum und singt:

Look at them, they’re just staring at me
Like, “come and watch the
Skinny kid with a steadily declining mental health
And laugh as he attempts
To give you what he cannot give himself”

Das hat mich getroffen. Er stellt sich (in der Folge und auch in anderen Shows) wieder und wieder die Fragen: Bin ich glücklich? Wie kann ich glücklich werden? Kann ich glücklich werden? Und er findet keine Antwort für sich. Aber auf dem Weg entdeckt er, wie er andere glücklicher machen kann, wenn auch nur für einen Abend.

In der Show Comedians In Cars Getting Coffee, in der Jerry Seinfeld jeweils einen Comedian einlädt, mit ihm durch die Gegend zu fahren, Kaffee zu trinken und zu reden, wird Comedy als solche häufig thematisiert. Seinfeld versucht, das Besondere an Comedy und an Comedians als Personen zu finden. Was macht einen Menschen zu einem guten Comedian? Er gibt im Kern zwei Antworten. Erstens sind Comedians selten gutaussehend, in ihrer Jugend und ihren Anfängen nie erfolgreich und auch keine glücklichen Menschen. Zweitens sehen sie an allem die witzige Seite und geben sich das Recht, über alles (und mag es noch so traurig oder schmerzhaft sein) zu lachen.

Manchmal taucht der Schmerz bloß im Subtext auf, manchmal, wie bei Bo Burnham, kommt er wie eine plötzliche Ohrfeige daher und dann gibt es Fälle, in denen er offen thematisiert wird. Es gibt vermutlich bessere Beispiele, aber Bill Burr spricht gelegentlich über seine Wutausbrüche, die Wutausbrüche seines Vaters und Alkoholprobleme.

Was hat das alles mit mir oder mit Literatur zu tun? Einerseits saß ich vor Beginn des Textes am Schreibtisch und fragte mich, wo die Pointe in all dem steckt, was in meinem Leben gerade passiert. Kann ich einen Ansatz finden, um darüber zu lachen? Bisher nicht. Aber der Humor der Comedians ist wie die Arbeit von Schreibenden auch häufig eine Verarbeitung persönlicher Erfahrungen und Probleme. Spätestens dieser Punkt zwingt mich, gute Comedy als Kunst zu kategorisieren. Andererseits steckt im Roman Sorck viel Humor und mindestens so viel Schmerz, Angst und Unsicherheit. Ich weiß, dass das Buch nicht von allen auf diese Weise gelesen wird, aber ich weiß auch, was ich mir beim Schreiben dachte.

Im Blogeintrag Sorck: Warum Humor? habe ich dieses Thema bereits behandelt, aber auf andere Weise.
Humor hilft, Schmerz zu ertragen: Passe ich nicht auf und laufe mit dem Zeh gegen die Tischkante, fluche ich erst vor mich hin, bis mir auffällt, wie albern ich mich verhalte und ich zu lachen beginne. Tut es noch weh? Natürlich. Kann ich den Schmerz besser aushalten als vorher? Ja!
Humor hilft aber auch, Schmerz effektiver einzusetzen: Würde sich Bo Burnham einfach hinstellen und offen seine Gefühle ausdrücken, hörte ihm bald niemand mehr zu. Von Fremden sollte man kein Mitleid erwarten, sondern zuerst einmal Kälte. Er aber brachte sie zum Lachen, lockerte ihre emotionale Abwehr, wiegte sie in guter Laune und schlug dann zu.

Es ist ineffektiv, auf einen Eisblock einzuprügeln, hinter dem sich das eigentliche Ziel befindet. Lasst ihn tauen und haut dann mit größter Gewalt zu! Das ist meiner Meinung nach eine große Kunst. Es geht natürlich auch hinterhältiger. Man kann in humoristischen Szenen viel Ernsthaftes verstecken, das möglicherweise aufgrund der Mischung stärker nachwirkt. Zwar lacht die Leserschaft, aber das Thema ist nicht zum Lachen. Dieser Widerspruch, der erst mal gelöst werden will, sollte zumindest das aufmerksame Publikum beschäftigen.

Kafka mag nicht daran gedacht haben, aber vielleicht ist Humor die Axt, die das gefrorene Meer in uns zerbricht.

PS: Alle erwähnten Shows findet man auf Netflix.

Autor: Matthias Thurau

Autor, 1985 geboren, aus Dortmund. Schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik. Rezensent beim Buchensemble, Mitglied von Nikas Erben.

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