Zwei Seelen, ach, sch**ß drauf

Überlegungen zum eigenen Internetauftritt und anderen Fragen des Marketings.

Mit großer innerer Widersprüchlichkeit folgt große Darstellungsproblematik. Wie, was, wer und wo ich bin, zeigt sich in meiner Literatur, wenn auch weniger offensichtlich, als viele meinen. Was aber zeige ich, um meine Leser*innen zu erreichen? Wer bin ich nach außen? Was sagt mein Internetauftritt?

Man könnte meine Werke in zwei Lager unterteilen: 1. Das scheinbar brave, seriöse Lager, in dem es um Philosophisches geht, in dem hochtrabende Ideen verarbeitet werden, in dem jedes Detail eine Bedeutung hat, und 2. in das provokante, dreckige, schwarz-humorige und abgefuckte Lager, in dem BDSM, Blut, Gewalt, Drogen und Chaos vorherrschen. Alte Milch tendiert in vielen Texten eher zu Lager 2, während Sorck und Das Maurerdekolleté des Lebens eine Mischung aus beiden Lagern darstellen. Reine Vertreter von Lager Nr.1 gibt es wenige, aber es gibt sie. Hier sind wir bereits auf das Problem gestoßen: Ich bin und schreibe sowohl intellektuell-anspruchsvoll als auch dreckig-ehrlich. Literarisch halte ich das für interessant, aber marketingtechnisch ist das schwierig. Wen spreche ich an? Wie spreche ich sie an? Welchen Aspekt betone ich?

Dieses Dilemma muss behoben werden. Nicht das Dilemma der inneren Zerrissenheit, denn diese speist meine Arbeit, sondern das Dilemma der öffentlichen Darstellung (Internetauftritt) oder Kurzdarstellung (Klappentexte etc.). Jede Werbung – und ein Internetauftritt ist nichts als Werbung – ist eine verkürzte, komprimierte (und auf Verkaufsaspekte konzentrierte) Darstellung des zu bewerbenden Artikels. Ist dieser Artikel mehrere (wenigstens scheinbar) gegensätzliche Dinge zugleich, wird es schwierig. Ich bin dieser Artikel, und da ich etwas komplexer bin als beispielsweise Joghurt, haben wir ein Problem.

Zu Beginn meiner Arbeit, als ich mich bei Twitter und Instagram anmeldete, diesen Blog startete und mich der Welt präsentierte, tendierte ich zur Darstellung meiner düsteren, verstörenden, dreckigen Seiten, hatte ein irr blickendes Auge als Profilbild und stellte verzerrte Vertonungen meiner Gedichte online. Recht bald danach empfand ich das alles als unprofessionell und änderte meinen Auftritt entsprechend: ein richtiges Profilbild mit professioneller(er) Wirkung und passenden Tweets und Blogeinträgen. Die dritte Stufe war bereits eine Zusammen- oder Rückführung, denn ich wurde „ehrlicher“, also zensierte mich nicht mehr, und schrieb und veröffentlichte, was mich interessierte, und nicht, was möglicherweise zu meinem Auftritt passte. Ich bin beide Seiten der Medaille.

Das angesprochene Problem ist noch nicht gelöst. Ja, ich zeige mehr von mir, ja, ich bin offener, und ja, dadurch komme ich meinem Publikum (theoretisch) näher, aber dennoch reicht das nicht. Noch repräsentiert mein Auftritt nicht meine Werke, noch bekommen beispielsweise Follower keinen rechten Eindruck von dem, was in meinen Büchern vorkommen könnte, anhand meiner Tweets und Posts. Wie kann ich das ändern? Kann ich das ändern? Sollte ich es?

Betrachtet man Literatur als Verarbeitung innerer Vorgänge, weil man sie anders nicht oder nicht weit genug verarbeiten kann, stellt es sich als unmöglich dar, mit dem Internetauftritt die eigenen Werke zu repräsentieren. Könnte man es, müsste (oder würde) man nicht mehr schreiben.
Betrachtet man Literatur aber als Endergebnis bewusster Prozesse, von Planung und von technischer Umsetzung konstruierter Ideen, wäre es wiederum möglich. Dann könnte man die Ideen, Themen und Umsetzungsprozesse aufzeigen und verkünden: dies sind meine Themen und dies sind meine Techniken.
Wir drehen uns im Kreis. Denn wieder muss ich feststellen, dass beide Sichtweisen zum Teil richtig sind, es sich aber am Ende immer um ein Mischprodukt handelt.

Die Lösung könnte darin bestehen, dass ich noch offener werde: Wie hat mein Leben bisher ausgesehen, wie sieht es jetzt aus, was habe ich Schlimmes erlebt, was habe ich Schönes erlebt, was studiert, was gearbeitet und welche Menschen und Geschehnisse lassen mich nicht los? Manche können das, aber ich habe Schwierigkeiten damit, da ich immer ein sehr privater Mensch gewesen bin. Außerdem frage ich mich, ob eine derartige Offenlegung nicht dazu führen könnte, dass meine Werke fortan nur noch aufgrund der Informationen über mein Leben interpretiert werden. Raubt die Offenlegung meines Lebens meinen Werken etwas? Stirbt damit ein bisschen Mysterium?

Was in Zukunft vermutlich geschehen wird, ist eine Änderung und Entharmlosung meiner Cover sowie eine Konkretisierung in der Formulierungen meiner Klappentexte. Diese sind bisher allgemein gehalten, aber ich schreibe nicht für die Allgemeinheit. Meine Leserschaft ist anders, weil ich anders bin und meine Geschichten anders sind. Darauf muss ich einen größeren Fokus legen und stolz darauf sein.

Nachtrag

Für weitere Gedanken und Hörenswertes zum Thema Buch- und Autorenmarketing empfehle folgenden Podcast, in dem ich ebenfalls mitreden durfte:

Buch- und Autorenmarketing – Matthias Thurau, S.M. Gruber und Benjamin Spang.