Community

Über die Serie “Community” und ihre Vorzüge.

Bisher habe ich keine Texte über Filme oder Serien veröffentlicht, aber heute möchte ich einen Anfang (oder eine Ausnahme?) machen und das ausgerechnet mit einer Comedy-Serie. Community ist zurzeit auf Netflix zu sehen, aber vor einigen Jahren hatte ich sie bereits anderswo gesehen. Es wird Spoiler geben. Also los!

Eine Gruppe findet sich zusammen in einem Community College. Unter ihnen befindet sich der gutaussehende Charmeur, der alte Rassist, die strebsame junge Frau, die Rebellin, der Sportler, die Mutter und der Freak. Diese völlig klischeeüberladene Zusammensetzung ist Absicht und wird sogar mehrfach ironisch thematisiert. Obwohl alle Figuren ihre Geschichten haben und Jeff, der gutaussehende ehemalige Anwalt, so etwas wie das Familienoberhaupt der Gruppe ist, dreht sich im Kern alles um Abed. Abed fällt es schwer, das Verhalten von Menschen nachzuvollziehen und Verbindungen zu ihnen aufzubauen, also kommuniziert er durch Vergleiche mit Filmen und Serien. Er spielt Plots und Tropes bewusst nach, erlebt bei einem psychischen Zusammenbruch die Welt als Claymation-Weihnachtsfilm und bringt die Serie wieder und wieder auf eine Metaebene, die sie besonders macht. Auch ohne Abeds direkten Einfluss wird die Welt des Community Colleges Greendale mehrmals zur Film- und Seriensatire.

Das fällt ganz besonders in einigen Folgen auf, die sich um bestimmte Punkte im Jahr oder in der Serie selbst drehen: Weihnachtsfolgen, Halloweenfolgen, Staffelmitte und die Doppelfolgen am Staffelende. Aus einem schulweiten Spiel von „Der Boden ist Lava“ wird eine Waterworld-Hommage und aus mehr als einer riesigen Paintball-Schlacht werden Western- oder Star Wars-Satiren.

Ein Aspekt, der mir ausgesprochen gut gefällt, ist die Darstellung der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen Troy und Abed. Diese beiden akzeptieren sich mit allen Stärken und Schwächen, kennen den jeweils anderen genauso gut wie sich selbst, vertrauen und unterstützen einander. Am besten sieht man dieses Zusammenspiel in der Körpertausch-Folge, in der Troy und Abed so tun, als hätten sie Körper getauscht, um dann Probleme füreinander zu lösen: Was Abed nicht selbst kann, kann Troy, weshalb Abed so tut, als sei er Troy, und umgekehrt.

Jeff, der Frauenheld mit den tiefsitzenden emotionalen Problemen, über die er nicht oder kaum reden kann, entwickelt sich auf interessante Weise. Üblicherweise würde eine solche Figur gerettet oder bekehrt werden, würde die Frau fürs Leben finden und ruhiger werden. Aber trotz aller Spielerei mit Klischees (auch in Jeffs Fall) entwickelt sich diese Figur realistischer. Jeff bleibt stecken in seinen Schutzmechanismen, obwohl und gerade weil die anderen ihm geholfen hatten, wieder menschlich zu fühlen und zu agieren, Schwäche zuzulassen. Während er am Anfang stilvoll einen guten Scotch trinkt und in der Staffelmitte auch mal tagsüber (weil er zu cool ist, um sich an Normen zu halten), ist er am Ende offensichtlich Alkoholiker – mit einer Schublade voll Eiswürfel im Lehrerpult und einer Flasche Whiskey in einer anderen Schublade. Der (vermutlich mit Absicht) billige Scherz bleibt einem ein wenig im Hals stecken, weil es trotz skurriler Darstellung unübersehbar ist, dass sein Verhalten nichts mehr mit Stil oder Coolness zu tun hat, sondern zur Sucht geworden ist. Sich eine solche Charakterentwicklung in einer Comedy-Serie zu erlauben, finde ich mutig.

Die Gesamtqualität von Community findet meiner Meinung nach in den Staffeln 2 und 3 ihren Höhepunkt, weil es dort keine Grenzen für Ideen mehr zu geben scheint und die Schreiber sich austoben durften, während sie in Staffel 1 sich noch ein wenig zurückhalten mussten und in den Staffeln 5 und 6 die Serie langsam zu Grabe tragen. Doch eine schöne Sache an Community ist, dass die Meta-Ebene so gut funktioniert dank Abed. Die nachlassende Qualität in Staffel 5 wird beispielsweise von Abed selbst kommentiert, indem er das Schuljahr, also die Staffel, mit der 5. Staffel einer anderen Serie vergleicht. Besonders das Gezwungene in beiden Serien stellt er heraus. In dieser Staffel sind nicht mehr alle ursprünglichen Figuren dabei und werden auf teils gezwungene Weise ersetzt – auch das wird später ironisch aufgegriffen. In der letzten Folge der Serie sitzen die Figuren zusammen und spinnen verschiedene Versionen einer 7. Staffel zusammen, also eines 7. Schuljahres. Im Rahmen dieser Folge kommentiert Abed kritisch, dass Serien nur dazu dienen, um finanziell von Studiobossen gemolken zu werden, bis sie nichts mehr hergeben. Man spürt also immer mal wieder eine Kritik an der eigenen Sendung (oder der Studio-Politik) durch die Schreiber. Dank der Figur Abed haben sie ein perfektes Instrument dafür, da er die Realität, die ja schließlich eine Serie ist, als Serie auffasst und sie somit direkt kommentieren kann. In der G.I.-Joe-Zeichentrick-Folge taucht Abed als Indianer namens „Fourth Wall“ auf, der weiß, dass die Zeichentrickwelt nicht die richtige Welt ist und Jeff, um den sich in der Folge alles dreht, dort nicht hingehört.

Normalerweise stellen Serien für mich eine Form von Ablenkung dar. Ich schaue eine Folge, während ich esse, weil, nun ja, einsame Menschen das so machen. Entsprechend denke ich wenig über Serien nach. Außerdem gibt es oft nicht viel Grundlage zum Nachdenken, wenn man ehrlich ist. Community ist für mich etwas mehr, weil sich hier die Drehbuchautoren kreativ ausgetobt haben, kritisch sein durften, dabei aber sehr witzig und sie vor nichts Halt machen mussten. Wo sieht man sonst eine Kissenschlacht-Doppelfolge im Stil einer Bürgerkriegsdoku?

Unerträgliches mit Humor (üb)ertragen

Über Comedy, Schmerz, Bo Burnham und Humor als Mittel zur Bearbeitung schwieriger Themen.

Es geht mir manchmal nicht gut, ich habe immer ein Faible für Düsteres, Trauriges, Wütendes und ich lache gern. Daher fasziniert mich Stand-Up-Comedy. Wirkt das paradox?

Vor einer Weile habe ich die Show Make Happy von Bo Burnham gesehen. [Vorsicht Spoiler] Er präsentierte eine Mischung aus ungewohntem, teils albernem Humor und viel Musik. Doch zwischendrin und am Ende schien es, dass er ehrlich und fast unangenehm offen wurde. Im Song Can’t Handle This Right Now, kniet er am Boden, nachdem er viel Unfug gesungen und gemacht hatte, blickt ins Publikum und singt:

Look at them, they’re just staring at me
Like, “come and watch the
Skinny kid with a steadily declining mental health
And laugh as he attempts
To give you what he cannot give himself”

Das hat mich getroffen. Er stellt sich (in der Folge und auch in anderen Shows) wieder und wieder die Fragen: Bin ich glücklich? Wie kann ich glücklich werden? Kann ich glücklich werden? Und er findet keine Antwort für sich. Aber auf dem Weg entdeckt er, wie er andere glücklicher machen kann, wenn auch nur für einen Abend.

In der Show Comedians In Cars Getting Coffee, in der Jerry Seinfeld jeweils einen Comedian einlädt, mit ihm durch die Gegend zu fahren, Kaffee zu trinken und zu reden, wird Comedy als solche häufig thematisiert. Seinfeld versucht, das Besondere an Comedy und an Comedians als Personen zu finden. Was macht einen Menschen zu einem guten Comedian? Er gibt im Kern zwei Antworten. Erstens sind Comedians selten gutaussehend, in ihrer Jugend und ihren Anfängen nie erfolgreich und auch keine glücklichen Menschen. Zweitens sehen sie an allem die witzige Seite und geben sich das Recht, über alles (und mag es noch so traurig oder schmerzhaft sein) zu lachen.

Manchmal taucht der Schmerz bloß im Subtext auf, manchmal, wie bei Bo Burnham, kommt er wie eine plötzliche Ohrfeige daher und dann gibt es Fälle, in denen er offen thematisiert wird. Es gibt vermutlich bessere Beispiele, aber Bill Burr spricht gelegentlich über seine Wutausbrüche, die Wutausbrüche seines Vaters und Alkoholprobleme.

Was hat das alles mit mir oder mit Literatur zu tun? Einerseits saß ich vor Beginn des Textes am Schreibtisch und fragte mich, wo die Pointe in all dem steckt, was in meinem Leben gerade passiert. Kann ich einen Ansatz finden, um darüber zu lachen? Bisher nicht. Aber der Humor der Comedians ist wie die Arbeit von Schreibenden auch häufig eine Verarbeitung persönlicher Erfahrungen und Probleme. Spätestens dieser Punkt zwingt mich, gute Comedy als Kunst zu kategorisieren. Andererseits steckt im Roman Sorck viel Humor und mindestens so viel Schmerz, Angst und Unsicherheit. Ich weiß, dass das Buch nicht von allen auf diese Weise gelesen wird, aber ich weiß auch, was ich mir beim Schreiben dachte.

Im Blogeintrag Sorck: Warum Humor? habe ich dieses Thema bereits behandelt, aber auf andere Weise.
Humor hilft, Schmerz zu ertragen: Passe ich nicht auf und laufe mit dem Zeh gegen die Tischkante, fluche ich erst vor mich hin, bis mir auffällt, wie albern ich mich verhalte und ich zu lachen beginne. Tut es noch weh? Natürlich. Kann ich den Schmerz besser aushalten als vorher? Ja!
Humor hilft aber auch, Schmerz effektiver einzusetzen: Würde sich Bo Burnham einfach hinstellen und offen seine Gefühle ausdrücken, hörte ihm bald niemand mehr zu. Von Fremden sollte man kein Mitleid erwarten, sondern zuerst einmal Kälte. Er aber brachte sie zum Lachen, lockerte ihre emotionale Abwehr, wiegte sie in guter Laune und schlug dann zu.

Es ist ineffektiv, auf einen Eisblock einzuprügeln, hinter dem sich das eigentliche Ziel befindet. Lasst ihn tauen und haut dann mit größter Gewalt zu! Das ist meiner Meinung nach eine große Kunst. Es geht natürlich auch hinterhältiger. Man kann in humoristischen Szenen viel Ernsthaftes verstecken, das möglicherweise aufgrund der Mischung stärker nachwirkt. Zwar lacht die Leserschaft, aber das Thema ist nicht zum Lachen. Dieser Widerspruch, der erst mal gelöst werden will, sollte zumindest das aufmerksame Publikum beschäftigen.

Kafka mag nicht daran gedacht haben, aber vielleicht ist Humor die Axt, die das gefrorene Meer in uns zerbricht.

PS: Alle erwähnten Shows findet man auf Netflix.