Top 5 Zeichentrickserien für Erwachsene

Top 5 Zeichentrickserien, die nichts für Kinder sind.

Diesmal gibt es etwas anderes zu lesen und doch etwas, das zum Blog passt. Meine Top 5 der besten Zeichentrickserien, die nichts für Kinder sind. Vorweg: Animes habe ich bewusst außen vor gelassen. Das Gebiet ist zu groß, um nicht irgendwann eine eigene Top 5 zu kriegen. Außerdem habe ich alle Serien ausgelassen, die auch von Kindern konsumiert werden können, auch wenn diese nicht die erste Zielgruppe sein sollten (wie z.B. Simpsons).

5. Primal

Im Oktober 2019 wurde die erste Folge von Primal ausgestrahlt. Über Meme-Plattformen bin ich darauf aufmerksam geworden und war sofort begeistert. Primal ist weit in der Vergangenheit angesiedelt, in einer erfundenen Zeit, in der Höhlenmenschen und Dinosaurier zusammen existierten.

Ohne Pause rennen, kämpfen und leiden die Figuren (ein Höhlenmensch und sein T-Rex). Mich erinnerte die Serie häufig an Musikvideos oder Computerspiele, aufgrund der Schnitte und der ständigen Bewegung.

Interessant ist am Konzept außerdem, dass es keine Sprache in Primal gibt, sondern lediglich Gebrüll und rudimentäre Verständigung durch Zeichen und Blicke. Der Höhlenmensch und sein T-Rex sind durch ein brutales Schicksal zusammengeführt worden. Sie reden nicht.

Primal ist eine Mischung aus Fantasy, Action und Horror, mit viel Gewalt und guten Ideen. Nichts zum Nachdenken, aber definitiv spannend. Man könnte sagen, dass Primal die am wenigsten anspruchsvolle Serie dieser Liste ist. Aber dennoch lohnt es sich, mal reinzuschauen.

4. The Midnight Gospel

The Midnight Gospel hat eine geniale Grundidee, die zugleich verwirrend und spannend ist. Der Protagonist Clancy Gilroy reist in verschiedene Dimensionen des Multiversums, um für seinen Podcast Wesen zu interviewen. Und tatsächlich besteht eine Ebene von The Mightnight Gospel vollständig aus einem Podcast-Interview zwischen Mitentwickler und Comedian Duncan Trussell sowie verschiedenen Gästen. Gleichzeitig laufen im Vordergrund actiongeladene und völlig abgedrehte Abenteuer ab. Die Mischung aus oder der Widerspruch zwischen tiefgehenden, intelligenten, ruhigen Gesprächen und endloser Action (z.B. einer Zombie-Apokalypse) gefällt mir. Das Konzept ist einzigartig. Zu sehen ist The Midnight Gospel seit April 2020 auf Netflix.

3. Rick and Morty

Rick and Morty wird den allermeisten inzwischen ein Begriff sein. Die Serie ist seit Jahren Kult. Rick, Mortys Großvater, nimmt ihn auf interdimensionale Reisen mit und hat dabei weder Skrupel noch einen Fitzel Moral. Lustig und skurril geht es manchmal zu, aber immer mit furchtbar schmerzhaften Seitenhieben oder Abstechern in Gewaltexzesse. Beispielsweise leben Rick und Morty ab einem Zeitpunkt mit Blick auf ihre eigenen Gräber, in denen ihre Versionen aus einer anderen Dimension vergraben liegen.

Wieder macht die Mischung alles aus. Witzig, skurril und auf jedweder Ebene brutal präsentiert sich Rick and Morty eindeutig als Serie, die nicht jugendfrei ist oder auch nur einen Moment lang sein will.

2. Harley Quinn

Es gibt eine Folge von Harley Quinn, die mit einem Blick auf 2 DC-Fans beginnt, die die Serie analysieren (und viel meckern). Einer der beiden trifft es auf den Punkt, wenn er sagt, dass der eigentliche Gegner in der Serie immer das Patriarchat sei. Harley Quinn ist in dieser Serie keineswegs das Anhängsel vom Joker, sondern eine eigenständige Person, die zusammen mit einer kleinen Crew (unter anderem Poison Ivy) ihr Unwesen treibt.

Die Witze, die Gewalt und die Sprache lassen keinen Zweifel daran, dass Harley Quinn nie für wirklich junges Publikum konzipiert worden ist. Es gibt aber weit mehr als nur Gefluche und eingeschlagene Schädel. Soziale Ungerechtigkeit, besonders Gender Inequality, das Patriarchat als Unterdrückungsmechanismus (auch gerade in der DC-Welt) sind ständige Themen. Es wird nicht zurückgescheut vor ironischen Kommentaren zu den eigenen Figuren: Batman, die fast rein männlich besetzten Ligen der Superhelden und Superbösewichte.

Neben dieser erfrischenden Perspektive bringt mich Harley Quinn häufig zum Lachen. Das allein ist ja schon ein riesiger Pluspunkt. Anfangs wurde Harley Quinn nur auf dem Streaming-Dienst DC Universe ausgestrahlt und läuft jetzt auf HBO Max. Ob und wann die Serie für deutsche Zuschauer*innen (vielleicht sogar synchronisiert) leichter verfügbar sein wird, konnte ich leider nicht herausfinden. Wer kann, sollte sich Harley Quinn allerdings im Original ansehen, allein schon um das komplette Spektrum der witzigen Darstellung Banes mitzubekommen.

1. BoJack Horseman

Wieder Kult und zwar absolut zu Recht. BoJack Horseman ist auf Ebene der schieren Verrücktheit weniger überladen als beispielsweise Rick and Morty und The Midnight Gospel. Die Härte und Qualität von BoJack Horseman erwachsen aus der Darstellung der menschlichen, psychischen und körperlichen Probleme der Figuren. Der Protagonist ist ein von Selbsthass zerfressener Alkoholiker (ehemaliger Schauspieler und Pferd), immer an der Klippe stehend. Allein dafür liebe ich die Serie. Aber auch die Probleme anderer Figuren sind aus dem Leben gegriffen und niemals einfach so abgetan. Es gibt unter den Figuren Frauen, die Karriere und Familie unter einen Hut bekommen müssen, Asexuelle und Depressive. Figuren nehmen ab und nehmen zu, ihre Situationen verbessern und verschlimmern sich. BoJack Horseman schont das Publikum nicht, wenn es um emotional aufwühlende Inhalte geht.

Manche Folgen von BoJack Horseman sind außerdem reinste Kunstwerke. Hier möchte ich nicht spoilern. Aber es gibt beispielsweise eine Folge, die aus einer einzigen Grabrede besteht. Für eine Zeichentrickserie ist das geradezu verrückt, bedenkt man, wie spannend der Monolog geschrieben sein muss, damit das Publikum nicht das Interesse verliert. Diese und andere Folgen können schmerzhafte Wunden reißen und gleichzeitig zeigen, dass man nicht allein ist.

Meine persönliche Sicht auf BoJack Horseman ist, dass die Serie eine Zeichentrickserie mit Tierfiguren sein muss, um erträglich zu sein. Als Realserie und ohne die abgedrehten Elemente gäbe es nichts als Dunkelheit und Schmerz. Die offensichtliche Fiktionalität vermittelt die Problemrealität besser als eine realistische Darstellung es könnte. Das macht BoJack Horseman so gut. Zu sehen auf Netflix.

Schlussworte

Solche Listen sind immer mit Vorsicht zu genießen. Sie spiegeln meinen eigenen Geschmack wider und den schmalen Blickwinkel, den ich auf die Welt habe. Ich kann nicht alles kennen. Ich kann auch nicht alles nennen oder mögen. Das sollte klar sein. Wenn ihr noch weitere Vorschläge oder eine andere Meinung zu meiner Liste habt, hinterlasst mir gerne einen Kommentar!

Winsor McCay: Dreams of a Rarebit Fiend

Über die Zeichentrickfilmreihe Dreams of a Rarebit Fiend von Winsor McCay aus dem Jahr 1921.

Anfang des 20. Jahrhunderts startete eine neue Kunstrichtung, die sich aus zwei bestehenden Kunstformen zusammensetzte: Aus Comics/Karikaturen und Film entstand der Zeichentrickfilm. Winsor McCay war nicht der erste, der Zeichentrickfilme entwickelte, aber einer der ersten und vielleicht der Interessanteste. Um eine Reihe von Kurzfilmen aus dem Jahr 1921, die unter dem Namen Dreams of a Rarebit Fiend bekannt sind, soll es heute gehen. Alle Filme kann man sich kostenlos auf Youtube ansehen.

Zunächst ein paar Worte zum Namen. In Deutschland trugen die Filme den Titel Die sonderbaren Träume des Feinschmeckers, der immer nur Käsetoast aß, aber wörtlich müsste man sie als Träume eines Käsebrot-Süchtigen (oder Träume eines Käsebrot-Teufels, was vermutlich weniger korrekt ist, aber trotzdem gut klingt) übersetzen.

Der Einstieg zu jedem Film ist eine Person, die sich, nachdem sie ein großes Käsebrot – es handelt sich wohl eher um so etwas wie ein überbackenes Sandwich – gegessen hat, schlafen legt. Was im Film passiert, ist dann der Traum. Diese Träume sind recht abgedreht, weil das fettige Essen dem Träumer schwer im Magen liegt. Das ist jedenfalls die Idee dabei.

Die Episode The Pet handelt von einem Wesen, von dem nicht klar ist, was es sein soll – es miaut zu Beginn, aber ist keine Katze –, das von der Gattin des Träumers ins Haus aufgenommen wird. Mit jeder Fütterung wächst es. Anfangs ist es niedlich, doch spätestens zu dem Zeitpunkt, als es sich wie ein Ehrengast an den Kopf des gedeckten Tisches setzt, bereits fast so groß wie das Ehepaar, und alles auf dem Tisch (inklusive Tellern und Töpfen) auffrisst, kippt die Stimmung. Der Träumer geht in die Apotheke und fragt nach Mitteln, um das Haustier umzubringen. Er verfüttert ein Fass Rattengift an das Wesen, aber es überlebt und wächst weiter. Inzwischen frisst es Bäume und Autos, kurz darauf ganze Gebäude. Als schließlich die Armee eine riesige Bombe darauf abwirft, die nebenbei eine komplette Großstadt ausradiert, wacht der Träumer auf.

An dieser Geschichte mag ich besonders den Moment, wenn die Stimmung kippt und die Geschichte nicht mehr süß ist, sondern bedrohlich wird.

The Flying House ist etwas witziger. Wieder geht das Ehepaar nach schwerem Essen schlafen. Im Traum wacht die Frau auf und findet das Bett neben sich leer. Sie hört etwas vom Dachboden und steigt hinauf. Dort findet sie ihren Gatten, der eine riesige Maschine zusammenschraubt. Er montiert einen Propeller vor das zentrale Fenster und bastelt so ein Flugzeug aus dem Haus. Beide fliegen los auf der Suche nach einem neuen Wohnort, wo die Leute, von denen er Geld geliehen hat, sie nicht finden können. Schließlich fliegen sie zum Mond, wo allerdings der Mann im Mond versucht, das ganze Haus mit einer riesigen Fliegenklatsche zu erschlagen. Sie müssen umkehren – die Frau wollte ohnehin nicht auf dem Mond wohnen –, stellen allerdings fest, dass ihnen das Benzin ausgegangen ist. Im gleichen Moment schießt ein Wissenschaftler eine neue Rakete Richtung Mond, um ihre Sprengkraft und Geschwindigkeit zu beweisen. Aus Versehen trifft sie das Haus und zerstört es. Das Ehepaar stürzt rotierend zur Erde, landet im Bett und wacht auf.

Dieser Film ist die früheste Version eines Hauses, das zu einem Gefährt umgebaut wird, die ich kenne. In The Meaning of Life (1983) machten Monty Pythons ein Bürogebäude zum Piratenschiff und ein fliegendes Haus kennen wir auch aus Up (2009) – fliegend und animiert.

Und zu guter Letzt Bug Vaudeville. Zunächst würde man meinen, dass der Titel auch der Name des Landstreichers ist, der diesmal den Träumer spielt. Zu Beginn freut er sich zwar über die Essensgabe einer Frau, aber bemerkt auch, dass Cheese Cake ihm seltsame Träume beschere. Bug bedeutet „Käfer“ und Vaudeville ist eine „szenische Darbietung kabarettistischen Charakters mit Chansons, Tanz, Akrobatik u. Ä.“. Genau das bekommt der Träumer serviert. Verschiedene Insekten treten auf, tanzen, turnen und boxen zu seiner Unterhaltung. Besonders schön finde ich hier, dass man durchgängig den Hinterkopf des Träumers unten im Bild sieht, ganz so als säße er im Theater vor dem Zuschauer. Anfangs dachte ich, es wäre bloß ein schönes Detail, aber dann tritt die Spinne auf, schwingt vor und zurück und springt dann auf den Träumer, woraufhin er aufwacht. Der unerwartete Schreck am Ende eines ansonsten angenehmen Traums. So etwas kenne ich sehr gut.

Selbstredend sind all diese Filme sowohl ohne Ton als auch in schwarz-weiß produziert worden. Daher bestehen alle Figuren lediglich aus schwarzen und weißen Flächen vor einem meist statischen Hintergrund – mit Ausnahme einer fantastischen Einstellung in The Flying House, wo die Reise durch den Weltraum mit Erde, Mond und Sternen in Bewegung dargestellt wird. Angesichts dieser beschränkten Mittel und der Neuartigkeit der Technik für damalige Verhältnisse ist es faszinierend, wie viel Leben McCay herauszuholen imstande war. Hier fällt mir besonders die vor- und zurückschwingende Spinne ein. Ich jedenfalls fühle mich von der Mischung wackliger schwarz-weißer Bilder, den eingeblendeten Schrifttafeln und der Darstellung von Träumen inspiriert und habe bereits angefangen, einige Ideen, die von McCay inspiriert sind, in Geschichten einzubauen.