Am 07.12.2020 ist auf der Seite der Ruhr Nachrichten ein Artikel über mein neuestes Buch Erschütterungen. Dann Stille. erschienen. Bereits am folgenden Tag wurde der Artikel mit der Printausgabe verteilt. Aufgrund von Kooperationen war der Bericht nicht nur in dieser Zeitung, sondern auch beispielsweise in der Westfälischen Rundschau zu lesen. Bevor ich erkläre, wie es dazu gekommen ist, welche Informationen für die Zeitung interessant sind, wie das Gespräch abgelaufen ist und welche Konsequenzen der Artikel für mich hatte, poste ich den Link zur Online-Ausgabe. Leider versteckt er sich hinter einer Paywall:
Erschütterungen. Dann Stille: Hombrucher veröffentlicht ersten Erzählband
Vorgeschichte
Der Artikel ist bereits der dritte über mich und meine Bücher in der Ruhr Nachrichten. Bereits beim ersten Bericht, der sich mit dem Roman Sorck beschäftigte, hatte ich einen Blogartikel verfasst. Auch beim zweiten Zeitungsartikel, der sich um Alte Milch drehte, folgte ein Blogartikel. Diese Information ist vielleicht ganz interessant, wenn es darum geht, wie einfach es diesmal trotz minimaler Komplikationen wieder gewesen ist, einen Platz in der Zeitung zu ergattern.
Der Kontakt
Für den ersten Artikel hatte ich sämtliche in der Gegend aktiven Zeitungen kontaktiert, ähnlich wie man es mit passenden Buchblogs macht, um rezensiert zu werden. Leider hatte nur die Ruhr Nachrichten geantwortet. Als es diesmal darum ging, Erschütterungen. Dann Stille. außerhalb meiner Reichweite auf Twitter und dem Bekanntenkreis zu vermarkten, habe ich gar nicht erst überall nachgefragt, sondern mich nur bei meinem Kontakt für die ersten beiden Artikel gemeldet.
Journalist*innen sind auch nur Menschen. Außerdem sind sie schreibende Menschen. Damit sind sie uns literarischen Autor*innen nicht unähnlich. Entsprechend sind wir (der Journalist Marc D. Wernicke und ich) damals recht schnell zum Du übergegangen und konnten uns nach dem ersten professionellen Gespräch auch über andere Dinge unterhalten. Man könnte das Networking nennen, aber ich glaube, wir beide haben uns einfach als Menschen verstanden, und das ist immer die beste Basis. „Leider“ (das heißt, er hat gute Gründe und ist glücklich) ist Marc aus Deutschland weggezogen. Dennoch stellte er nach meiner Information, dass ein neues Buch veröffentlicht worden ist, sofort den Kontakt zur Journalistin Alexandra Wachelau her, die sich wiederum noch am gleichen Tag meldete. Damit war der Anfang längst gemacht.
Ablauf
Ich bin ein nervöser Mensch. Neben anderen Gründen schreibe ich diesen Artikel, weil ich genau weiß, dass es mir ungemein hilft, wenn ich im Vorfeld weiß, wie Dinge genau ablaufen. Das nimmt einen Teil der Unsicherheit aus dem Spiel. Für alle, denen es genau so geht, ist dieser Abschnitt des Blogeintrags. Wie es damals ablief und wie nervös ich da war, kann man am besten im Artikel über Sorck nachlesen: Sorck: Ein Zeitungsartikel. In Zeiten der Pandemie ist der Ablauf wie alles andere etwas anders.
Der Kontakt war hergestellt. Nun folgten zunächst E-Mails. Es mussten die Grundlagen geklärt werden. Während der Pandemie wollen auch Journalist*innen nicht ihr Leben riskieren, um Content liefern zu können. Absolut verständlich. Daher wurde von einem Treffen abgesehen und ein Telefonat vereinbart. Ich hasse Telefonate mit Fremden, aber ich finde den Gedanken schlimmer, dass mein Buch nicht verkauft und gelesen wird. Da es sich tatsächlich nicht gut verkauft, leide ich hier doppelt. Danke für Nichts, 2020. Weiter im Text.
Da ich keine große Reichweite habe, waren weder mein Name noch meine Arbeit bei der Journalistin bekannt. Nachvollziehbar. Aber da niemand gern unvorbereitet in Gespräche startet, hatte ich mehrere Blogartikel in den E-Mails verlinkt – generelle Infos zum Buch, Leseproben – und habe mich bereit erklärt, weitere Infos nachzuliefern, falls Interesse bestünde. Auch habe ich ein Autorenfoto mitgeschickt, da auch Fotograf*innen ihre Gesundheit nicht für ein Bild riskieren möchten, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Zum Foto kommen wir nachher.
Welche Infos interessiert die Presse?
Die Frage ist im Grunde leicht zu beantworten: Alles, was ein Buch außergewöhnlich macht, ist interessant. Alleinstellungsmerkmale – ob nun Alleinstellungsmerkmale des Buches oder des/der Autors/Autorin, ist egal – sind interessant. Eine Erkenntnis hat mich bei allen Zeitungsartikeln vor zu großer Nervosität bewahrt, und zwar, dass die Journalist*innen und die Zeitung kein Interesse daran haben, das Buch oder mich schlecht zu machen. Sie brauchen Content und müssen im Bericht mehr oder weniger bestätigen, dass die Sache, über die sie berichten, berichtenswert ist. Ansonsten würden sich Leser*innen fragen, warum sie das Zeug überhaupt lesen. Kein*e Journalist*in wird in einem Fall wie meinem schreiben, dass es das Buch gäbe, es aber nicht lesenswert sei. Warum dann der Bericht? Wäre ich bereits berühmt, sähe es anders aus. Dann könnte man mit Verrissen Aufmerksamkeit erzeugen.
Daraus kann man weiter schließen, dass alles, was verkaufsfördernd oder gut fürs Marketing ist, auch interessant für die Presse ist: Alleinstellungsmerkmale. Es nicht einmal besonders wichtig, ob die erwähnten Eigenschaften überhaupt Alleinstellungsmerkmale darstellen, sondern nur, ob sie als solche aufgefasst werden könnten. Ein Beispiel wäre, dass ich nicht der Meinung bin, dass Figuren oder Ich-Erzählinstanzen, deren Geschlecht ungeklärt bleibt, im Jahr 2020 noch Alleinstellungsmerkmale darstellen oder darstellen sollten, auch wenn ich in Erschütterungen. Dann Stille. zum ersten Mal bewusst damit gearbeitet habe. Dennoch ist der Gedanke – nicht nur, dass es so gehandhabt werden könnte, sondern auch, dass man darüber überhaupt nachdenken oder darauf achten könnte; der komplette Diskurs eigentlich – für viele Menschen fremd oder neu und daher erwähnenswert für die Zeitung.
Kurz: Denkt darüber nach, was den Zeitungsleser*innen neu oder interessant erscheinen könnte, bevor ihr in ein Gespräch geht! Das gibt euch Sicherheit und (was mir bei derart nervösen Angelegenheiten wichtig ist) es verkürzt das Gespräch immens. Damit möchte ich übrigens nicht sagen, dass das Gespräch an sich unangenehm gewesen wäre, denn es lief sehr freundlich ab, sondern dass Telefonate mit Fremden generell unangenehm sind für mich.
Das Gespräch
Auch wenn man nicht vergessen sollte, dass Journalist*innen „nur“ Menschen sind, sollte man auch daran denken, dass sie im Gespräch ihren Job erledigen und dafür nicht unendlich viel Zeit haben. Das finde ich beruhigend. Eine aus reiner Neugierde interessierte Person hat potenziell keinen Endpunkt für das Gespräch im Kopf. Das Interesse würde mich freuen, aber die Endlosigkeit wäre anstrengend.
Es gibt einen vorgefertigten Fragenkatalog, der sich auf den Infos aufbaut, die man zuvor liefert oder die anderweitig recherchiert werden. Man kann also das Gespräch im Vorfeld manipulieren/beeinflussen, indem man entsprechende Informationen liefert. Aber wie läuft es dann konkret ab?
Während es im direkten Gespräch oft mit Smalltalk beginnt, kommt man im Telefonat schneller auf den Punkt. So ist es jedenfalls diesmal gewesen und so würde ich es selbst auch handhaben. Begrüßung, Frage, Antwort, Frage, Antwort, Witzchen, aufgelockerte Stimmung, Frage … Das bedeutet (für alle andere Nervösen da draußen): Wenn es nicht anders geht, beantwortet man nur extrem knapp alle Fragen und bringt es hinter sich. Das geht. Ich bin nur knapp daran vorbeigeschlittert.
Am Ende des Gesprächs gibt es immer noch die eine letzte Frage: „Haben Sie noch etwas, das Sie über Ihr Buch sagen wollen?“; oder: „Möchten Sie noch etwas hinzufügen?“ Sofern ihr beim Gespräch das Gefühl gehabt haben solltet, dass wichtige Punkte untergegangen sind, ist das eure Chance. Diesmal hatte ich sogar noch eine weitere Chance.
Nachbearbeitung & Das Foto
Mein übliches Autorenfoto, das man immer mal wieder online sehen kann, hatte ich auch zu Alexandra Wachelau geschickt. Allerdings hatte ich mir bereits gedacht, dass das ein Problem sein könnte. Zeitungen veröffentlichen ungern Fotos, deren Rechte sie nicht besitzen. Außerdem pflegen Zeitungen einen bestimmten Stil, den sie beibehalten wollen. Lokalzeitungsfotos erkennt man. Daher ist ein professionell geschossenes und offensichtlich gestelltes Foto problematisch.
Dieses Problem haben wir am Ende des Telefonats thematisiert. Da ich am nächsten Tag Besuch von einem guten Freund, der übrigens auch immer einen Anteil an der relativen Fehlerfreiheit meiner Bücher hat, erwartete, konnte ich versprechen, dass ich Fotos in einem passenderen Stil nachliefern würde. Das wiederum hat mir zusätzliche Bedenkzeit gegeben, um das Telefonat zu verarbeiten und darüber nachzudenken, was ich vergessen haben könnte. Zwei Tage nach dem Gespräch also habe ich das Foto und nachgelieferte Informationen verschickt. Damit war die Sache aus meiner Hand. Weitere zwei Tage später ist der Artikel online gewesen.
Glänzende Augen
Der Grund für den halbwegs selbstbewussten Gesichtsausdruck und den Glanz in den Augen auf dem Foto hat einen Namen: Jack Daniels. Missversteht das bloß nicht als Aufforderung! Ihr seht nicht besser aus und redet nicht klügeres Zeug, wenn ihr trinkt. Es kommt euch höchstens so vor. Allerdings kann ich nicht anders, als daran zu denken, dass mein Gesicht nur so aussieht, wie es auf dem Foto aussieht, weil ich bereits eine Weile vorher zu trinken angefangen hatte. Vielleicht sehe ich nüchtern besser aus. Ich weiß es nicht. Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden.
Tipp zum Foto: Solltet ihr ebenfalls selbst ein Foto besorgen müssen, fragt vorher nach dem Format! Ruhr Nachrichten verwendet üblicherweise Querformat, aber ich hatte Hochformat geliefert. Das ist übrigens der Grund, warum das Buch nicht (vollständig) zu sehen ist – je nach Ausgabe ist es mal gar nicht und mal nur die Kante zu sehen.
Konsequenzen und Gründe
Als Autor möchte ich bekannt werden und letztendlich vom Schreiben leben können. Das ist mein Traum. Ohne diesen Traum wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich durch einen derartigen Strudel der Nervosität zu zwingen. Allerdings ist mir bewusst, dass ich viel Zeit, Mühe und Ambiguitätstoleranz benötige, um mein Ziel zu erreichen. Leider kann ich daher hier nicht davon berichten, dass ich nach jedem Zeitungsartikel stapelweise Bücher verkaufen würde. Allerdings steigen die Verkaufszahlen ein wenig. Für mich ist ein solcher Artikel hauptsächlich eine Investition in die Zukunft. Man liest meinen Namen in Verbindung mit Literatur. Idealerweise passiert das immer wieder. Auf Twitter, auf meinem Blog, auf anderen Blogs, beim Buchensemble , in der Zeitung, bei Interviews oder man hört ihn bei Podcasts. Irgendwann, hoffe ich, sieht man ein Buch von mir irgendwo, und denkt: Den Namen kenne ich. Das reicht manchmal schon.
Von allem Verkaufskram abgesehen tun ein solcher Zeitungsartikel und seine Auswirkungen einfach gut. Man nennt mich öffentlich „Autor“. Menschen kommen auf mich, meine Familie und meine Freund*innen zu und sagen: „Matthias ist in der Zeitung, großartig!“ Das streichelt das Ego. Manchmal braucht man als Autor*in diese kleinen Streicheleinheiten, selbst wenn man eigenständig dafür gesorgt hat. Genießt das! Sowas tut euch gut und macht die Arbeit besser, es gibt Energie für weitere Projekte und bringt Anerkennung. Impostor Syndrome ist bei Autor*innen weit verbreitet und das ist ätzend. Mir geht es oft genug so. Daher erzwinge ich manchmal Momente des Stolzes und der Anerkennung. Das muss sein. Ich weiß, was ich kann. Ich muss nur mich und die Welt daran erinnern.