Neulich habe ich mich entschieden, einige Literaturzeitschriften zu testen. Einerseits ging es mir darum, Neues in Sachen Literatur zu finden, andererseits aber auch um eine Recherche, wohin ich in Zukunft meine Texte schicken könnte, und zu guter Letzt darum, mitreden zu können. Warum, dachte ich mir dann, sollte ich meine Erkenntnisse nicht mit euch teilen? Es wird also eine kleine, unregelmäßig erscheinende Blogreihe mit Texten über Literaturzeitschriften geben. Der Einstieg bietet die Queer*Welten mit Ausgabe 5. Vorweg möchte ich betonen, dass ich üblicherweise keine Fantasy- oder Science-Fiction-Literatur lese und diese Genres (und damit die Geschichten der Zeitschrift) nicht im Detail bewerten kann.
Konzept der Queer*Welten
Wie der Name bereits sagt, dreht sich in Queer*Welten alles um queere Welten, und zwar hauptsächlich in den Genres Fantasy und Science Fiction. Sie erscheint alle 3 Monate im Ach Je Verlag und enthält Kurzgeschichten (die nicht immer ganz kurz geraten sind), Debattenbeiträge und Neuigkeiten über queere Fantasy- und Science-Fiction-Literatur. Der Preis liegt bei 7.99 € pro Printausgabe, 5.99 € fürs E-Book.
Design der Queer*Welten
Für euer Geld bekommt ihr ein etwa 50 Seiten starkes Heft im Format 21 cm x 15 cm. Das Coverdesign stammt jeweils von einer*m queeren Künstler*in. Ansonsten ist die Queer*Welten schlicht gehalten und ohne Bilder im Innenteil, sondern besteht aus meist doppelspaltigem Text. Auf den Inhalt selbst komme ich jetzt zu sprechen.
Inhalt der Queer*Welten 5
- Vorwort
- Romy Wolf: Stadt der Sündigen [Kurzgeschichte]
- Rebecca Westkott: Das letzte Marzipanbrot [Kurzgeschichte]
- Jol Rosenberg: Rechter Haken [Kurzgeschichte]
- Alex Prum: Historisch korrekte Drachenreiter [Essay]
- Der Queertalsbericht 02/2021
Romy Wolf: Stadt der Sündigen
In einem post-apokalyptischen Setting, wobei die Apokalypse frei nach dem Evangelium des Johannes stattfand, befinden sich die Menschen, die überlebt haben, in einer Stadt, die von Engeln errichtet worden ist und von diesen mit Gewalt regiert wird. Im Kern der Geschichte steht ein Gespräch zwischen Salome und Leah. Es geht um das Ausloten von moralischen und persönlichen Grenzen.
Rebecca Westkott: Das letzte Marzipanbrot
An Rebecca Westkotts Kurzgeschichte Das letzte Marzipanbrot oder vielmehr daran, dass die Geschichte in Queer*Welten abgedruckt worden ist, zeigt sich der intersektionale Ansatz der Zeitschrift. Im Zentrum der Kurzgeschichte steht ein*e Ich-Erzähler*in mit schweren psychischen Erkrankungen und die Diskriminierung psychisch und physisch behinderter Menschen durch Behörden. Mir gefällt besonders der verrückt-surreale Erzählstil, in dem sich jede Menge Fantasiewesen in einen Tag drängen, der ohne sie hauptsächlich grau und unangenehm gewesen wäre.
Anmerkung: Stil und Story haben mir so gut gefallen, dass ich nach Büchern von Rebecca Westkott gesucht habe, aber leider vergebens.
Jol Rosenberg: Rechter Haken
In der Science-Fiction-Geschichte Rechter Haken von Jol Rosenberg geht es um den Klon Nori, der eigentlich nur für die Arbeit in einem Schlachthaus erschaffen worden ist, aber entkommen konnte und nun versucht, sich unter Menschen zurechtzufinden. Grundthema der Geschichte ist Andersartigkeit. Andersartigkeit im Sinne von Außenseiterrollen, aber auch im Sinne körperlicher und geistiger Unterschiede.
Alex Prum: Historisch korrekte Drachenreiter
Der Essay Historisch korrekte Drachenreiter von Alex Prum greift das häufig auftauchende Argument gegen die Repräsentation queerer oder nicht-weißer Figuren in Fantasy-Settings auf, dass sie nicht historisch korrekt sei, da man sich am realen Mittelalter orientiert hätte, und demontiert dieses Argument schrittweise. Dabei entlarvt Alex Prum das Argument auch als getarntes Vorurteil (oder Ansammlung einer ganzen Reihe von Vorurteilen). Eine spannende Betrachtung herrschender und weit verbreiteter Bilder und undurchdachter Meinungen in den Köpfen der Autor*innen (und aller anderen Menschen).
Queertalsbericht
Der Queertalsbericht stellt in Ausgabe 5 der Queer*Welten Novellen vor, und zwar Fantasy- sowie Science-Fiction-Novellen, die zwischen 2018 und 2021 erschienen sind und queere (Haupt)Figuren aufzuweisen haben. Aus meiner Twitter-Bubble weiß ich, dass es nicht immer leicht ist, Bücher mit guten Repräsentationen queerer Figuren zu finden. Wer also entsprechende Literaturempfehlungen sucht, ist hier an der richtigen Stelle.
Queer*Welten 5: Fazit
Die Queer*Welten habe ich mir wegen des Konzepts gekauft und nicht wegen der vertretenen Genres. Trotzdem hatte ich Freude am Lesen, ganz besonders an Das letzte Marzipanbrot von Rebecca Westkott sowie am Essay von Alex Prum. Für 7.99 € kommt mir die Queer*Welten etwas schmal vor, aber für die Unterstützung des Konzepts zahle ich die Summe trotzdem gern.