Technologie, wo immer man hinschaut

Gedanken über spät erkannte Zusammenhänge, Technologie, das Silicon Valley, Kunst und künstliche Intelligenz.

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Kennt ihr das? Ohne größere Planung kristallisiert sich ein Themenkomplex aus dem heraus, was man derzeit an Literatur, Filmen, Musik konsumiert. Dann merkt man, dass man etwas getroffen hat: Den Zeitgeist, eine Mode, eine Entwicklung. Oder nur den Anschein eines dieser Dinge. So ist es mir in den letzten Monaten ergangen. Und zwar ging es um Zukunftstechnologie und das Silicon Valley. Ich werde versuchen, aus dem Gefühl, etwas Wichtiges bemerkt zu haben, einen Blogartikel basteln. Schauen wir mal, ob das klappt.

Mit Hoffnung fing es an

In meinem Bekanntenkreis befinden sich nicht nur Künstlerpersönlichkeiten, sondern auch der eine oder andere Geschäftsmensch, Managertypen. Aus der Richtung wurde mir damals das Buch Menschheit 2.0 von Ray Kurzweil empfohlen. Kurzweil ist Zukunftsforscher und kalkuliert die Entwicklungen der Zukunft bis hin zur computertechnischen Bewusstwerdung des gesamten Universums in einigen Jahrhunderten. Ziemlich abgedrehtes Zeug, aber auch spannend. Damals hatte ich eine Rezension verfasst, die beim Buchensemble veröffentlicht worden ist: Nanobots und Unsterblichkeit – Menschheit 2.0.

Wie man an der Rezension unschwer erkennen kann, war ich angetan von den dargestellten Ideen. Hauptsächlich lag das wohl daran, dass sie Hoffnung machten. Nanobots, die alles reparieren und heilen könnten. Technologische Heilsversprechen. Im Nachhinein denke ich, dass die Rezension weniger positiv hätte ausfallen können. Zwar war einer der Aufhänger, dass das Buch besonders für Autor*innen von Science-Fiction geeignet sein könnte, was vorerst wertneutral ist. Doch muss ich zugeben, dass ich auch wirklich einige Weltrettungsfantasien dank Menschheit 2.0 entwickelt hatte.

Problematisch an Menschheit 2.0 und Ray Kurzweil ist die dargestellte Weltsicht, das Menschenbild.

Vor der Lektüre des Buches hatte ich mehr über Vergangenes gelesen als über möglicherweise in der Zukunft Anstehendes. Vielleicht hat es mich deshalb gepackt. Menschheit 2.0 geht noch weit über Homo Deus von Yuval Noah Harari hinaus. Harari zeigt Entwicklungen, die es bereits gibt und zieht Schlüsse daraus, die allerdings nicht wer weiß wie weit vorgreifen. Kurzweil wiederum schreibt eigentlich mehr Science-Fiction.

Erklärungen, Gegenperspektiven

Dank des Newsletters der Autorin Berit Glanz, der ich auf Twitter folge und die sich unter anderem während ihrer Netzresidenzzeit des Literaturhauses Bremen mit künstlicher Intelligenz, Kunst, Natur und Literatur beschäftigt hat, bin ich auf das Buch Was das Valley Denken nennt von Adrian Daub gestoßen. Adrian Daub erklärt die Grundlagen und Fehler des Denkens des Techsektors im Silicon Valley, woher die Philosophie stammt, die etliche Vertreter*innen des Valleys geprägt hat. Man erhält also eine Art Gegenperspektive oder bessere Einordnung der Rhetorik und des Optimismus’ der Valley-Gurus wie Ray Kurzweil. Man wird wieder geerdet nach den hochschwingenden Visionen aus Menschheit 2.0. Auch für alle, die Menschheit 2.0 nicht gelesen haben, ist Was das Valley Denken nennt interessant, da die Produkte und Sichtweisen des Silicon Valley überall um uns herum genutzt, verkauft, vertreten, beworben werden.

Musik? Musik!

Wer meinen Newsletter abonniert hat, hat bereits Anfang April das Vergnügen gehabt, die Musik von Penelope Scott, speziell den Song Rät, empfohlen zu bekommen. In Rät geht es genau um das Thema des vorherigen Absatzes: Rhetorik, Philosophie, Personen, Wahrheiten und Lügen des Techsektors. Elon Musk ist der Song gewidmet und das hört man unmissverständlich raus, wenn sie singt: you promised you’d be Tesla, but you’re just another Edison. Ein kritischer Song, der einem nicht mehr aus dem Song geht. In Bits geschredderte Ohrwurmgarantie und wieder im Oberthema angesiedelt.

Lyrik auch noch!

Um den Themenkomplex abzurunden, habe ich auch noch das Buch poesie.exe von Herausgeber Fabian Navarro gelesen. Das klingt so planmäßig, aber die Wahrheit ist, dass mir der Themenkomplex erst später bewusst geworden ist. In poesie.exe finden sich Beiträge verschiedener Autor*innen, die ihre Texte jeweils mit verschiedenen Techniken hergestellt haben. Lyrik, aber experimentell und in vielen Fällen mit Hilfe von Software oder selbstgebauten Dichtmaschinen hergestellt. Eine Rezension gibt es beim Buchensemble zu lesen. Die Vermischung aus etwas manchmal fast archaisch Wirkendem wie Lyrik und etwas Modernem wie künstlicher Intelligenz ist an sich bereits faszinierend. Wenn man dann noch, wie ich hier, schlagartig feststellt, dass sich (zufällig) aus mehreren Lebens- und Erfahrungsbereichen ein einziges Thema herauskristallisiert, das sich erneut offenbart, und zwar nicht als Ausreißer, sondern als Teil meiner (mehr oder minder) typischen Lektüre, wird ein Teil des Gehirns gekitzelt, der mehr von der Welt erwartet als Alltag. Ich kann es noch immer nicht recht packen, was ich damit meine, dabei denke und empfinde.

Filme

Hollywood hat längst künstliche Intelligenz als Thema entdeckt und das bereits vor Terminator. Nicht umsonst wirken manche technologischen Entwicklungen auf uns wie Science-Fiction. Einige dieser Entwicklungen waren früher Science-Fiction. KI, Verschmelzung des menschlichen Geistes mit Computern, Roboter (auch in Kombo mit starker KI) werden gefeiert und gefürchtet. Filme und Serien mit düsteren Zukunftsvisionen sind Legion. Sowohl in Thuraus Filmtagebuch für Januar 2021 als auch Februar 2021 gibt es Vertreter dieser Kategorien mit Outside the Wire und Chappie.

Neben diesen Blicken in die vermeintliche Zukunft gibt es auch immer wieder Filme und Serien, die zurück auf die Entwicklung des Silicon Valley oder das Leben ihrer Vertreter*innen schauen. Historische Sendungen über Computertechnologie. Damit hatte ich als Teenager auch nicht gerechnet.

Was will uns der Autor damit sagen?

Gar nichts. Oder alles. Ich weiß es nicht. Das Thema ist überall. Mich fasziniert das Zusammentreffen der verschiedenen Werke, die auf verschiedenen Wegen zu mir gefunden haben, aber dennoch eine Verbindung aufweisen. Mich fasziniert auch der Gedanke, dass die Verbindung zwischen diesen Werken auf ein größeres Netz von Verbindungen hinweist oder hinweisen könnte. Verknüpfen sich viele kleine Dinge zu einem größeren Ganzen oder tröpfelt das große Ganze bis ins Kleinste hinein und ändert es? Die Veränderungen der Gesellschaft schlagen sich in Büchern nieder, aber Bücher verändern auch die Gesellschaft. Danke, ciao!

Autor: Matthias Thurau

Autor, 1985 geboren, aus Dortmund. Schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik. Rezensent beim Buchensemble, Mitglied von Nikas Erben.

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