Der Tod in Porto II: Abschied in Erschütterungen. Dann Stille. hat, wie bereits im entsprechenden Blogeintrag erwähnt, inhaltlich nicht viel mit Der Tod in Porto I: Die Springer zu tun. Es handelt sich nicht um einen zweiten Teil, sondern um eine separate Geschichte, die den ungefähren Schauplatz und das Thema Tod teilen. Im Folgenden werden Spoiler nicht zu vermeiden sein. Ye Be Warned!
Content Notes: Tod, Trauer, Drogen
Dank
Die Veröffentlichung der Erzählung Der Tod in Porto II: Abschied wäre nicht möglich gewesen, wenn ich nicht die Abdruckgenehmigung vom Suhrkamp Verlag erhalten hätte, die wiederum zum Teil durch die Sammlung auf meiner Ko-Fi-Seite bezahlt worden ist. Dem Verlag und noch mehr allen, die gespendet haben, um meine literarische Idee zu verwirklichen, sei an dieser Stelle mein herzlichster Dank ausgesprochen.
Hermann f**king Hesse
Auch wenn Hesse nicht am Anfang der Entstehung von Der Tod in Porto II: Abschied gestanden hat, waren seine Werke für meine literarische (und vielleicht auch persönliche) Entwicklung wichtig. Im Demian, im Steppenwolf und in Siddhartha konnte ich mich selbst wiederentdecken. Noch bevor ich Das Glasperlenspiel gelesen hatte, kannte ich einige der Gedichte im Anhang des Romans, die angeblich vom Protagonisten zurückgelassen worden sind. Eines der (zu Recht) bekanntesten (aus dem Werk und von Hesse allgemein) ist das Gedicht Stufen. Dieses Gedicht ist in Der Tod in Porto II: Abschied gelandet, weil es hineinpasst und weil ich einem Schriftsteller, der in einer wichtigen Phase meines Lebens als papiernen Freund für mich da war, eine Widmung schenken wollte (auch wenn ich ihn heute mit anderen Augen sehe).
Robinson Crusoe
Die wohl wichtigste Vertreterin (und Namensgeberin) der Gattung Robinsonade ist die Geschichte Robinson Crusoe von Daniel Defoe. Als mir noch in der Ideenphase von Der Tod in Porto II: Abschied klar wurde, dass die Erzählung neben einer Andeutung von Endzeit-Drama auch einen nicht geringen Drall in Richtung Robinsonade aufweisen würde, habe ich diesen Aspekt mit einem inneren Grinsen etwas in der Namensgebung hervorgehoben. Nicht umsonst heißt der Protagonist Robin und seine vermisste Geliebte Frida. Woher Robin seinen Namen hat, ist wohl offensichtlich. Frida wiederum habe ich nach Robinson Crusoes treuen Begleiter Friday benannt, auch wenn Frida eine ganz andere Rolle hat und Friday nicht unproblematisch ist als Figur (oder es ist der Autor, der nicht unproblematisch ist, weil er diese Figur geschaffen hat). Frida jedenfalls ist die Frau, die fehlt, die bitter vermisst wird.
Traumfiguren
Während meines Urlaubs in Porto, den ich im Blogeintrag zu Der Tod in Porto I: Die Springer etwas umrissen habe, besuchte ich einige Museen. Alle Figuren, die in Robins Traum und in seinem Drogentrip auftauchen, sind reale Skulpturen, die mich beim Museumsbesuch fasziniert hatten. Die Figuren stammen alle vom portugiesischen Bildhauer Soares Dos Reis, der kurz in der Geschichte erwähnt wird.
Am faszinierendsten fand ich die Skulpturen Das Exil (O Desterrado, 1872), jene der Tochter des Condes de Almedina (Filha dos Condes de Almedina, 1882) von Dos Reis sowie die kindliche Version des Kain von Teixeira Lopes, der wiederum eine passable Anknüpfung an Hesse und seinen Demian versprach.
Die ohnehin vorhandene Vermischung verschiedener Werke verschiedener Künstler in der Geschichte rundete sich für mich durch die Verwendung dieser Skulpturen ab, die zwar den wenigsten Leser*innen bekannt sein werden, aber problemlos ergoogelt werden können. Auf diese Weise kann ich Schönes verbreiten.
Von all dem abgesehen, passte es für mich zusammen, dass ein Typ wie Robin auch durch die Museen gezogen wäre und starke Eindrücke mitgenommen hätte, wie er ja auch das Gedicht, das Frida ihm vorlesen hat, im Drogenrausch unterbewusst aufgreift und es endlich versteht, endlich auf eine Weise versteht, die ihm wirklich hilft.
Echte Elemente
Neben den Skulpturen von Soares Dos Reis enthält Der Tod in Porto II: Abschied noch weitere reale Elemente. Den Schauplatz, das heißt die Ruine der Villa am Hang zum Douro, gibt es wirklich. Auch die stillgelegte Eisenbahnbrücke Maria Pia ist genau dort angesiedelt. Sie wurde von Gustave Eiffel, ja, dem Typen vom Eiffelturm, entworfen, weswegen ich in frühen Versionen etliche Anspielungen darauf verbaut hatte, die ich jedoch zu großen Teilen in der Überarbeitung gestrichen habe.
Ebenfalls real existent sind die blauen Blumen am Hang gegenüber der Villa, was nicht nur optisch schön ist, sondern wegen der Bedeutung der blauen Blume in der Romantik (~ Sehnsucht) auch noch literarisch extrem praktisch ist. Steht man an der Straße unter dem Hang mit den Blumen, kann man (oder konnte man damals, vielleicht jetzt nicht mehr) das Graffiti mit der roten Katze sehen. Es ist nicht besonders gelungen, aber erschien mir wie Robin in der Erzählung sinnlos und daher interessant. Das Bild ist einfach da und sagt den allermeisten (vielleicht sogar allen) absolut gar nichts und dennoch hat jemand Zeit und Geld dafür investiert und riskiert, bestraft zu werden. Spannend, oder?
Drugs Are Bad, But Are They Really?
Unkontrollierter Drogenkonsum ist gefährlich und meistens schädlich. Keine Diskussion hier. Aber hätten Drogen keine Vorteile, gäbe es keine Medizin. Psychedelische Drogen sind meist körperlich harmlos und selten tödlich (selbst bei massiver Überdosierung). Dafür hegen sie andere Gefahren, beispielsweise Psychosen oder vermeidbare Unfälle. Robin rudert völlig high auf dem Douro herum. Er hätte gut und gerne draufgehen können. Von mir und Freund*innen kenne ich ähnliche Geschichten.
Was psychedelische Drogen allerdings auch tun und was ihre Hauptwirkung ist, ist das Unterbewusstsein zu öffnen beziehungsweise die Trennung zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein zu lockern. Es ist ein bisschen so, als würde man träumen, während man wach ist. Neben vielen lustigen und schrecklichen Dingen, die passieren können, ist ein möglicher Effekt mancher dieser Drogen, dass man das eigene Dasein völlig neu betrachtet oder dass man Traumata neu durchlebt und plötzlich verarbeiten kann. Solche Effekte sind seltene Geschenke, und ein solches Geschenk erhält Robin.
Dass man sich Hilfe suchen sollte, bevor man alleine Pilze schmeißt, um psychische Probleme zu lösen, ist hoffentlich klar. Ich möchte keinesfalls zum Drogenkonsum aufrufen, auch wenn und weil ich selbst meine Erfahrungen gemacht habe und dem Thema eher liberal gegenüberstehe. Gesunde Entscheidungen sind hier ausschlaggebend. Da ich mein Zielpublikum nicht unbedingt bei Teenagern und schon gar nicht bei Kindern sehe, unterstelle ich genug geistige Reife, um diese Dinge zu verstehen.
So. Natürlich ist auch das Drogen-Element nicht fern von Hermann Hesse. Man denke nur an das magische Theater am Ende von Der Steppenwolf. Er durchzieht Der Tod in Porto II: Abschied geradezu.
Trauer
Bisher bin ich in meinem Leben weitestgehend von Todesfällen im näheren Umfeld verschont geblieben. Es hat einen Suizid gegeben vor etlichen Jahren, Verwandte sind gestorben, Bekannte auch. Aber nie hat das Schicksal nah genug eingeschlagen, um mich lange zu verletzen. Allerdings kenne ich Menschen, die mir nahestehen, die trauerten und in manchen Fällen nie aufgehört haben. Vielleicht drückt meine Geschichte im Kern aus, dass ich hoffe, dass es besser werden wird, oder dass ich von manchen weiß, dass es besser wird, irgendwann.
Gerade während der Pandemie habe ich viel über den Tod nachgedacht, häufig Angst gehabt und sehr sehr viel gehofft.
Ende
Fürs Buchensemble habe ich einen Artikel verfasst über die Beeinflussung vom Schreibprozess von Autor*innen durch die Werke anderer und bin unter anderem auf Hommagen in der Literatur eingegangen: Lesen und gelesen werden – Was macht das mit uns? Das Thema habe ich im Blogartikel Inspiration und Hommagen fortgeführt. Wie stehen meine Leser*innen zu dem Thema? Fällt euch so etwas auf? Verwendet Ihr es selbst, sofern Ihr schreibt? Mögt Ihr derartige Details oder stören sie euch eher?