Jahresrückblick I: Musik I

Über mein musikalisches Jahr 2019, entdeckte und wiederentdeckte Bands.

Willkommen zum ersten Teil unserer 4-teiligen Jahresrückblicksreihe 2019. Das ist der Plan:
20.12.: Musik – Neu- und Wiederentdeckungen
21.12.: Musik – Konzerte
22.12.: Literatur I – Gelesene Bücher
23.12.: Literatur II – Mein literarisches Jahr

Musik spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben und zwar ununterbrochen, seit ich als Kind im Zimmer Lego gespielt und LPs von den Beatles, Elvis und anderen auf dem Plattenspieler meiner Mutter gehört habe. Das hier soll eine Art persönlicher musikalischer Jahresrückblick werden, weshalb ich mich auf Neuentdeckungen, Wiederentdeckungen und einige Lieblingssongs beschränken werde. In einem zweiten Artikel wird es dann um Live-Konzerte gehen. Einige Songs und Künstler, die zu meinem Standardrepertoire gehören, werden also gar nicht auftauchen.

Vor vielen Jahren hat mich ein Freund einmal als „toleranten Hörer“ bezeichnet, weil ich jeder Musik eine Chance gebe und nicht selten mehrere. Man wird erkennen können, wo mein Fokus liegt, aber auch, dass ich kein Problem habe, davon abzuweichen. Ich werde alphabetisch vorgehen.

Eine Band, die ich dieses Jahr zu schätzen gelernt habe, ist Amenra. Vom Namen her kannte ich sie schon länger, aber hatte mich nie dazu bequemt, reinzuhören. Dann traten sie in der Nähe auf und haben mich überzeugt. Amenra machen düstere, atmosphärische Musik, die irgendwo im Bereich Post Hardcore oder Post Metal angesiedelt ist. Der Song A Solitary Reign ist mein absoluter Favorit und zählt zu meinen Lieblingsliedern 2019. Für mich klingt die Musik von Amenra nach tiefer Verzweiflung und das finde ich gut. Wenn Musik die Repräsentation von Gefühlen ist, um diese zu unterstützen oder abzubauen, hat jedes Gefühl eine Rechtfertigung, musikalisch umgesetzt zu werden.

Erst kürzlich habe ich Årabrot für mich entdeckt. Sie spielen Noise Rock, wenn ich mich mit der Definition nicht irre, aber sie schöpfen auch aus anderen Bereichen wie Sludge oder Gothic. Ich weiß nicht recht zu sagen, was mir an der Musik gefällt, aber sie ist anders, besonders und unterhält mich. Årabrot fühlt sich an wie Kunst, finde ich.

Battle of Mice gehörte auch dieses Jahr wieder zu den viel gehörten Bands auf meiner Playlist. In einer Facebook-Gruppe fragte jemand nach Songs mit verstörenden und psychotischen Lyrics. Jemand schlug Battle of Mice vor, ich hörte sie mir an und war begeistert. Die Intensität der Schreie von Julie Christmas und das heftige Gitarrenspiel machten mir Gänsehaut. Ein Freund (Metalhead seit Jahrzehnten) sagte, das sei „wirklich harte Musik“ und meinte damit hauptsächlich den Effekt, den die Songs auf die Psyche haben. Bones In The Water wäre mein Favorit, aber unter den wenigen Songs, die es von der Band gibt, kenne ich keinen schlechten.

Okay, gehen wir einige Jahrzehnte zurück und stimmen die Instrumente heller: The Beatles. 2019 stieß ich wieder auf sie. Manchmal beruhigen mich die Songs, manchmal machen sie mir gute Laune und manchmal unterhalten sie mich einfach. Und es sind gute Songs. Ich mochte immer die abgedrehteren Sachen lieber, also Lieder wie Lucy In The Sky With Diamonds. Wenn es irgendeine Band gibt, die in jeder Lebensphase bei mir präsent war, dann die Beatles, wenn auch meist in einer Nebenrolle. Also weiter geht’s.

Boris. Ich liebe Boris. Die Vielseitigkeit, die Gewalt, die Zartheit, die Kreativität und die Produktivität dieser japanischen Band sind großartig. Man vergleiche Hana, Taiyou, Ame mit D.E.A.R. und 1970. Ich könnte problemlos einen Beitrag nur über Boris schreiben, aber in drei Sätzen lassen sich schlecht Jahrzehnte produktiver Musikarbeit zusammenfassen, deshalb belasse ich bei den wenigen Worten.

Colter Wall, ein sympathischer kanadischer Cowboy mit einer wunderbaren Stimme. Er zieht sich nicht einfach als Cowboy an, sondern treibt tatsächlich manchmal Rinderherden. Aber hier soll es um Musik gehen. Die meisten Songs sind langsam und sehr sehr traurig. Country/Western, wie man sich vielleicht denken konnte. Ich liebe die Kombination aus seiner Stimme und den teils großartigen Lyrics. Codeine Dream gehört zu meinen Lieblingsliedern. Every day it seems | My whole damn life’s just a codeine dream | I don’t dream of you | Anymore. Wie sehr er mich mit einigen Songs berührt, ist beängstigend. Es geht um Freiheit, Alkohol, Drogen, Einsamkeit und ein paar Cowboy-Sachen, die man aber ignorieren kann, denke ich.

Ganz anders klingen da Crystal Castles. Elektronisch, manchmal abgehackt, aber auch traurig. Dieses Jahr hatte ich zwei eindeutige Favoriten unter ihren Songs, die ich wieder und wieder gehört habe: Sad Eyes und Not In Love. Zweiterer hat mich zu einer Geschichte inspiriert. An dieser Stelle merkt man vielleicht, wieso ich ein „toleranter Musikhörer“ sein soll. Ich musste mich intensiv in die Songs der Band hineinarbeiten und habe sie wiederholt gehört, bevor ich einen Zugang gefunden habe. Irgendetwas sprach mich an und eine gute Freundin zählt zu ihren Fans, also musste es mehr geben, und irgendwann fand ich es.

Eels habe ich 2019 wiederentdeckt. Ebenfalls meist elektronisch und ebenfalls meist traurig, aber bei weitem nicht nur. Es gibt sogar witzige Songs von Eels, aber davon lassen wir uns nicht aufhalten, oder? Aber da wir zu einem Ende kommen wollen, halte ich mich kurz.

Igorrr machen wirre Sachen. Stellt euch vor, jemand mixt jede existierende Musikrichtung in funktionierende Songs: Polka, Klassik, Oper, Black Metal, Techno … So macht man neue, nie zuvor dagewesene Musik. Als Hörer braucht man allerdings wieder Toleranz oder einen Hang zum Extremen. Ich habe beides. Zum Glück.

Jesu, Joy Division, Lamb of God, Myrkur, Oceans of Slumber, Woods of Ypres und Young Fathers spielten auch noch ihre Rollen als (Wieder)Entdeckungen. Hört rein, wenn ihr sie nicht kennt!

Und dann waren da die kurzen Happy Hardcore-Phasen. Wie zur Hölle kam es dazu? Charly Lownoise & Mental Theo, Dune und sogar Das Modul. Es muss an der Nostalgie gelegen haben, die mich 2019 häufig bedrängte. Wer weiß, wo sie mich noch hinführen wird.

Musikalisch war 2019 für mich wieder interessant. Mir gefällt der Gedanke, dass sich durch diesen Artikel ein paar neue Hörer*innen für die weniger bekannten Bands in meiner Liste finden lassen. Das hätten sie verdient. Habt keine Angst, Neues zu testen und über den Tellerrand zu schauen! In Kürze wird ein Beitrag über Live-Konzerte 2019 folgen und ein paar Bands aus dieser Liste werden wieder auftauchen.

Autor: Matthias Thurau

Autor, 1985 geboren, aus Dortmund. Schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik. Rezensent beim Buchensemble, Mitglied von Nikas Erben.

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