Wie meine Texte klingen

Über Musik, die klingt, wie sich meine Texte für mich anfühlen.

Am 21.10.2020 durfte ich zu Gast sein beim Podcast Buch und Bühne (Spotify | Apple Podcasts | Anchor) des Thriller-Autors S.D.Foik: Der Krieg des Autors mit der leeren Seite. Vorab hatte er mir angekündigt, dass ich ein Musik-Ranking zu einem passenden Thema aufzustellen hätte. Ich habe mich für „Alben, die wie meine Texte klingen“ entschieden. Da ich nur 5 Alben nennen durfte, sehe ich mich gezwungen, ergänzend diesen Artikel zu verfassen.

Alben, die wie meine Texte klingen

  • Eels: Blinking Lights and Other Revelations | Song: Ugly Love
  • Battle of Mice: A Day of Nights | Song: Bones In The Water
  • Tom Waits: Small Change | Song: The Piano Has Been Drinking
  • Igorrr: Savage Sinusoid | Song: Probleme d’Emotion
  • Dopethrone: Hochelaga | Song: Sludgekicker

Wie im eingebetteten Tweet oben zu sehen, verbinde ich Musik und Bücher im Kopf mit Farben (und manchmal mit räumlichen Dimensionen). Eindrücke sind verwoben. Deshalb klingen die 5 Alben oder viele Songs davon für mich tatsächlich wie Texte von mir, beziehungsweise sehen so aus. Das trifft allerdings auch auf andere Songs zu. Deshalb hatte ich mich hingesetzt und überlegt, welche Aspekte ich unterbringen wollte. Folgende Liste kam dabei herum:

  • Traurig
  • Versoffen
  • Verzweifelt
  • Dreckig
  • Mit Humor
  • Verdreht/Weird

So sehe ich meine Gedichte und Geschichten. Sie tragen alle mindestens einen der Aspekte, meist mehrere in sich. Traurig auf verschiedenen Levels sind auch alle 5 Beispielsongs der Alben, versoffen klingen besonders The Piano Has Been Drinking und Sludge Kicker, verzweifelt wäre definitiv Bones In The Water (die Schreie kriegen mich jedes Mal), dreckig ist erneut Dopethrone, humorig Tom Waits und weird ist wohl die passendste Beschreibung für alle Tracks von Igorrr.

Subjektivität

Vermutlich nehme ich Texte als auch Musik anders wahr als andere. Sicherlich sogar. Dadurch, dass ich extremere Genres zu hören gewohnt bin, lösen die 5 Songs möglicherweise nicht das in mir aus, was sie in anderen auslösen (oder umgekehrt). Das ist mir klar, weshalb ich die Erklärung sowie den doppelten Ansatz (Gefühl und Aussagenliste) für nötig gehalten habe.

Enge Konkurrenz

Von allen 5 Künstler*innen(-gruppen) gäbe es noch weitere Beispielsongs und Alben, die ich hätte wählen können. Außerdem gab es auch noch enge Konkurrenz mit anderen Interpret*innen und Bands. Platz 5 beispielsweise ist nur sehr knapp nicht an Saint Vitus mit I Bleed Black gegangen. Da fehlte mir ein wenig der „dreckig“-Aspekt. Anstelle von Ugly Love hätte beinahe Not In Love von Crystal Castles gestanden. Außerdem wurden A Solitary Reign von Amenra, Stress Builds Character von Dystopia und Bleed Me An Ocean von Acid Bath aus der Liste verdrängt. Sie hätten alle eine Erwähnung verdient. In einer 10er-Liste wären sie aufgetaucht.

Andere Listen

Zwei weitere Listen waren optional angedacht, aber nie vollständig ausgearbeitet worden. Songs, die mich aktiv zu Texten inspiriert haben, wären Sad Eyes und Not In Love von Crystal Castles. Beide liefen auf Repeat, während ich die Geschichte Not In Love für den neuen kommenden Erzählband geschrieben habe.

Eine Liste mit großartigen Tracks, die entweder von Literatur beeinflusst worden sind oder selbst als Spoken Word Tracks literarische Qualitäten besitzen, sollte niemandem vorenthalten werden. Vielleicht arbeite ich diese noch vollständig aus. Bisher habe ich:

  • John Doran: Hubris (Album; Spoken Word Tracks)
  • Santana: Abraxas (Album; inspiriert von Hermann Hesses Demian)
  • Tom Waits: What’s He Building? (Track auf Mule Variations)
  • Clutch: Release The Kraken (Track auf Jam Room; inspiriert von griechischer Mythologie)

Musik in Sorck

Im Roman Sorck tauchen ebenfalls einige Songs und Bandnamen auf, besonders in der Bar-Szene, als Martin Sorck Eduardo kennenlernt. Martin will zu Bohemian Rhapsody von Queen abgehen, während die Prollo-Urlauber Schlager fordern. Monday Monday von The Mamas And The Papas wird als Kompromiss gespielt. Später wird Martin verwöhnt mit Black Sabbath, Led Zeppelin und sogar Slayer. Nicht viel später hören wir die wummernden Bässe einer Techno-Party andernorts.

Gegenseitige Inspiration

Dass Autor*innen und deren Arbeit andere Autor*innen inspirieren, ist logisch. Eben so logisch ist es eigentlich, dass sämtliche Künste sich gegenseitig beeinflussen und inspirieren. Schon immer hat es Musik zu Texten und umgekehrt gegeben, Skulpturen von literarischen Figuren und Bilder natürlich auch. Auch wenn ich leider keine Musik machen und auch nicht zeichnen/malen kann, genieße ich diese und andere Künste mit voller Kraft. Das merkt man meinen Texten immer wieder an und mit Sicherheit auch meinem Auftritt im Podcast „Buch und Bühne“ von S.D.Foik.

Jahresrückblick II: Musik II (live)

Über besuchte Konzerte 2019.

Es ist eine Sache, Musik in der Bequemlichkeit der eigenen Wohnung zu hören, und eine andere, sich einem Live-Konzert auszusetzen. Im Bestfall wird dort alles intensiver und neue Aspekte des Musikgenusses kommen hinzu. Man hört Bands nach einem Konzert anders als noch zuvor. Diese Erfahrung habe ich häufig gemacht. Auch 2019 habe ich wieder mehrere Konzerte besucht und möchte von einigen berichten. Der Einfachheit halber habe ich meinen Terminkalender zur Hilfe genommen und gehe chronologisch vor.

Wir starten im Februar. Am 17. spielte John Garcia mit seiner Band of Gold im Helios 37 und am 18. waren Amenra im Junkyard. Unterschiedlicher können Konzerte kaum sein. John Garcia macht Party und sieht dabei nicht selten aus, als stünde er kurz vor einem Herzinfarkt. Es wurden einige Songs vom damals neuen Album gespielt, aber hauptsächlich welche von seinem erheblich bekannteren Projekt Kyuss. Ich hatte leider nie die Gelegenheit, Kyuss live zu sehen, aber ab und zu touren die ehemaligen Bandmitglieder mit neuen Bands und spielen die alten Songs. Dann geht es richtig ab. Es wird getanzt und gemosht und mitgesungen. Absolut geil.

Am nächsten Tag stand dann Amenra auf dem Programm. Konzerte von Amenra sind wie Messen. Die Musik trägt einen in andere Sphären, in denen sich die meisten Menschen furchtbar unwohl fühlen würden, die aber interessant sind und schön auf ihre Weise. Solche Konzerte hinterlassen bei mir keine bildlichen Erinnerungen, sondern nur Gefühle und Farben, losgelöst von Dinglichkeit. Man schwankt vor und zurück mit geschlossenen Augen und lässt sich von den Instrumenten aus der Welt prügeln, bevor man zurückkehren und applaudieren darf. Ich hoffe sehr, Amenra bald wieder live sehen zu dürfen.

Drei Tage danach besuchte ich einen interessanten Auftritt von Alexej Gerassimez im Dortmunder Konzerthaus und war Anfang März noch einmal dort für ein Orchesterkonzert. Beides war gut, aber hinterließ keine Eindrücke, die nach 9 Monaten noch intensiv wären.

Aber dann kam Colter Wall in den Bahnhof Ehrenfeld. Das war wirklich witzig. Ich kenne die verschiedenen Trends und Aufzüge und Trachten der Metal-Szene mit ihren Kutten, Army-Shorts und Patches, aber einen Raum unter den Gleisen, der gefüllt ist mit Menschen, die Lederhüte, Jeansjacken und Cowboy-Westen tragen, war ein Erlebnis. Die Band bestand ebenfalls zu 80% aus Jeans (Jacken, Hosen, Hemden), mit Cowboyhüten und -stiefeln. Die eigentlich recht tristen Songs von Colter Wall waren allesamt beschleunigt und aufgebauscht worden, um von einer Westernband gespielt werden zu können. Was sie daraus machten, war glorreich: ein waschechter Honky Tonk mitten in Köln Ehrenfeld. Es war nicht das, was ich erwartet hatte, aber es war etwas und es hat Spaß gemacht.

Der April war wieder düsterer. Am 12. spielten Mantar im Junkyard und am 14. Saint Vitus mit Dopelord als Vorband. Mantar waren cool, aber nicht spektakulär. Dopelord hat mich überrascht und Saint Vitus haben wie immer die Hütte abgerissen. Wenn Menschen ihr ganzes Leben damit verbringen, einfach ihr Ding durchzuziehen, auch wenn es sich nicht finanziell auszahlt, finde ich das großartig. Die Tour 2019 geschah anlässlich des 40. Bandjubiläums. 40 Jahre Underground, herrlich. Mein liebster Saint Vitus-Moment ist schon Jahre her. Dave, der Gitarrist von Saint Vitus, tourte mit seiner Band Debris Inc. Er ließ es sich nicht nehmen, wenigstens zwei Klassiker von Vitus zu spielen und zwar Born Too Late und Dying Inside. Das Gitarrensolo in Born Too Late spielt Dave traditionell mit der Zunge. Also hob er die Gitarre vor sein Gesicht, sodass nur noch seine Augen zu sehen waren und er starrte mich direkt an mit einem mörderischen Blick – kein Blinzeln, keine Pupillenbewegung, nur Starren –, während er ein Solo hinlegte, das klang, als würde er sich die Schneidezähne mit der E-Saite absägen. Später traf ein Kumpel ihn an der Bar und fand heraus, dass er während des Konzerts wohl auf Acid gewesen wäre.

Es wurde Mai und Stoned Jesus kamen in Begleitung von The Great Machine nach Dortmund. Es war ein lustiger Abend. Der Sänger von Stoned Jesus erinnerte mich an Jack Black – ähnliche Optik und Bewegung. Ein gutes Konzert, aber keines, das ich ewig in Erinnerung halten werde.

Üblicherweise gehe ich nicht allein auf Konzerte. Ich habe zwei gute Freunde, die mich häufig begleiten. Aber ausgerechnet für Lamb of God habe ich niemanden gefunden. Draußen waren es um die 35°, weshalb ich extrem froh war, dass die Veranstaltung im Keller der Matrix in Bochum stattfand. Dort war es angenehm kühl. Mein Kreislauf konnte sich vor Start des Auftritts erholen. Doch mit der Vorband Bleeding From Within wurde es bereits wärmer. Ab dem zweiten Song startete der Moshpit und wurde bis zum Ende des Abends nicht mehr aufgelöst. Lamb of God selbst waren mal wieder großartig. Sie haben, wie es so schön heißt, die Hütte abgerissen und ganz nebenbei den Keller in einen Backofen verwandelt. Let’s trash this fucking place war eine Ansage, die befolgt wurde. Es war voll, es war laut, es war anstrengend und brutal. Ich liebe es. Am Ende wankte ich in die lauwarme Abendluft und konnte meinen Kopf kaum noch aufrecht halten. Ein schöner Abend. Etwas besser gefiel es mir allerdings noch, als sie 2018 mit Slayer tourten. Moshpit und Circle Pit waren nur noch Schlachtfelder, Menschen flogen durch die Gegend und am Ende des Abends durchdrang mich ein Frieden, den ich selten habe. Ausgepowert und glücklich.

Bei Corrosion of Conformity im Juli im Turock wiederum wurde mehr mitgesungen und getanzt. 25 Jahre Deliverance wurden gefeiert und beinahe das gesamte Album wurde gespielt. C.o.C. gehören zu den Bands, mit denen für mich die Liebe zu Stoner, Doom und Sludge begannen. Früher besuchte mich häufig ein Freund, der eine einzige gebrannte CD mitbrachte: C.o.C., Black Sabbath, Crowbar, Saint Vitus, Led Zeppelin und andere Bands waren darauf. Leider hat er sich vor einigen Jahren umgebracht und konnte dieses Konzert nicht mehr miterleben. Ich vermisse ihn.

Es wurde August und das Junkyard Open Air stand auf dem Programm. The Picturebooks gingen mir auf die Nerven, obwohl ich gute Erinnerungen an sie hatte als Vorband von Kadavar einige Jahre zuvor. Dafür waren Orange Goblin wieder super. Diese Band versprüht so viel gute Laune und Lust zu spielen, dass das Publikum jedes Mal angesteckt wird. Es gab einen schönen Moshpit im Staub inklusive Wall of Death. Später am Abend wurde die Veranstaltung ins Gebäude verlegt und Dopethrone traten auf. Da hier nicht genug Platz ist, um zu beschreiben, was dabei abging, weise ich auf einen Blogeintrag hin, den ich dazu geschrieben hatte: Eine Erfahrung aus Schmerz und Glück.

Die Tatsache, dass sich Exhorder wieder zusammengeschlossen haben und die alten Songs live noch immer spielen können – wer sie kennt, wird wissen, warum das schwierig ist –, freut mich extrem. Anfang Oktober traten sie im Turock auf und brachten ihr neues Album mit. Ich besuche nur selten Thrash Metal-Konzerte, aber dieses hat sich definitiv gelohnt.

Und dann war auch schon Dezember. Am 3. spielten Clutch in der Turbinenhalle in Oberhausen und brachten Graveyard und Kamchatka mit – ein bluesiger Abend. Kamchatka stelle ich mir besser in einer kleineren Halle vor, aber sie waren dennoch sehr cool. Graveyard wiederum konnte mich live noch nie wirklich überzeugen. Ihre Musik ist super, aber sie schaffen es nicht, einen Draht zum Publikum herzustellen. So jedenfalls kam es mir immer vor und dieses Mal auch wieder. Aber Clutch wissen, wie es geht. Live enttäuschen sie nie. Das könnte der Grund sein, warum ich sie schon fünf- oder sechsmal gesehen habe. Diesmal brachten sie viele alte Songs mit, die ich noch nie live gehört hatte. Besonders über Space Grass habe ich mich sehr gefreut, aber auch Electric Worry war großartig.

Bloß vier Tage später bin ich mit einem guten Freund wieder nach Oberhausen gefahren, diesmal ins Druckluft, einer kleinen, dreckigen, freien Location, genau wie ich es mag. Die Wände waren bemalt, die Security nicht vorhanden und die Getränke billig. Ein guter Start. Als Vorband spielten Årabrot. Zuvor hatte ich nie von ihnen gehört, aber sie überzeugten mich sofort. Am Merch-Stand wunderte sich der Sänger sichtlich, dass wir Shirts von seiner Band kaufen wollten und nicht von Boris. Kurze Anmerkung am Rande: ich besitze bereits mehrere Shirts von Boris.

Als Boris auf die Bühne kam, wurde der Nebel dichter. Dass drei Menschen so viel geilen Lärm machen können, muss zu den größten Vorteilen der technischen Entwicklung zählen. Die Optik allein ist schon einen Besuch wert: hinter einem düster geschminkten Drummer prangt ein riesiger Gong, Nebel steigt auf, die Gitarristin blickt in die Runde, der Sänger hält eine Gitarre mit Doppelsteg, halb E-Gitarre, halb E-Bass. Aber was wirklich beeindruckend ist, ist der Sound. Ich bin davon überzeugt, dass es Tonfrequenzen gibt, die in uns irgendwelche Dinge auslöst, die im Laufe der Evolution übriggeblieben sind. Als der Bass richtig dröhnte, meine Hose und die Jacke vibrierten, der Boden zitterte und das Dröhnen bis in die Wangen stieg, gelangte ich in einen Mischzustand aus Furcht und Euphorie. Die Euphorie siegte. Ein geiler Abend.

2019 war ein gutes Konzertjahr, ein gutes Jahr allgemein. In den nächsten Artikeln wird es ruhiger werden und sich alles um Literatur drehen.

Eine Erfahrung aus Schmerz und Glück

 

Ausnahmsweise geht es in diesem Text nicht um Literatur, sondern um Musik beziehungsweise eine Musikerfahrung. Gestern besuchte ich ein kleines Festival im Junkyard in Dortmund. Letzter Act des Abends war Dopethrone. Auf ihrer Website beschreiben sie sich selbst so: Dopethrone plays Slutch Metal. It’s a foul Canadian mix of yellow snow, crackhead diarrhea, blood, tears and broken dreams.

Ich finde es schwierig, das Genre „Sludge“ generell zu beschreiben, und noch schwieriger, zu sagen, was Dopethrone innerhalb des Genres besonders machen. Wer sie also nicht kennt, sollte sich beispielsweise den Song da oben anhören, ihn sich vielfach lauter und härter vorstellen (weil live) und dazu Gestalten, von denen man nicht einmal Crack kaufen würde.

Das Level der Abgefucktheit innerhalb des Genres kann immense Ausmaße annehmen. Es ist dreckig, es ist laut und es ist (selbst)zerstörerisch. Die Ansage zwischen zwei Songs Kill everybody! Destroy everything! war nicht untypisch, genausowenig die Forderung, auch im Falle einer Legalisierung von Drogen weiterhin von Kriminellen zu kaufen. Woher stammt meine Faszination? Ich argumentiere gerne so, dass Musik (unter anderem) dazu dient, Gefühle in anderer Form darzustellen, um sie verarbeiten zu können (von Künstlerseite und von Seiten des Publikums). Wie viele Lieder handeln von gebrochenen Herzen…? Daher ist es legitim, wenn Musik Verzweiflung, unerträgliche Wut und ähnlich extreme Emotionen aufgreift. Viele Songs im Genre handeln von den eben beschriebenen Gefühlen und Themen wie Sucht, Einsamkeit und Abstürzen jeder Art. Damit kann ich mich identifizieren. Musik muss manchmal wehtun! Jedenfalls für mich. Manchmal muss alles wehtun, damit es besser werden kann. Musik kann Therapie sein und gestern war es endlich mal wieder so.

Während der Bass bis in den Magen dröhnte, kam ich schnell in einen Zustand, in dem ich losließ. Tanzen, wenn man es so nennen kann, Headbangen, Anspannen aller Muskeln kann helfen, Dinge hervorzuholen, die ich zu lange versteckt habe. Ich füge mir Schaden zu (ein kleines Stück weit) und zahle die nächsten Tage dafür. Zuerst wurde ich wütend. Sehr sehr wütend. Beinahe hätte ich weinen können. Es ist keine spezifische Wut, sondern die Summe negativer Gefühle, die in mir schlummert. Alles kommt an die Oberfläche. Manchmal, wenn die Texte passen, schreie ich mit (singen kann man es nicht nennen, weder bei den Musikern noch bei mir). Ich bin ganz allein auf Welt und doch umringt von Menschen, denen es ähnlich geht – vielleicht. Die Bewegung schüttelt und schmettert alles negative heraus wie es gelegentlich bei harten Workouts geschieht. Es ist ähnlich wie eine Schlägerei mit sich selbst. Und dann kommt die Erlösung. Der Körper ist erschöpft und macht trotzdem weiter, während irgendwelche Stoffe ausgeschüttet werden. Aus all dem Dreck und der Wut, dem Lärm, Schwindel und Schmerz entsteht Glück. Das Bild eines Vorschlaghammers kommt mir in den Sinn, mit dem eine dicke Schicht Eis zerschlage, weil es nötig ist. Etwas war eingefroren und gefangen und ich muss Gewalt anwenden, um es herauszuholen. Und es wird alles gut.

Nach dem Konzert wankte ich aus der ungeschmückten Betonhalle ins Freie und war so zufrieden und fröhlich wie lange nicht mehr. Zusammen mit einem guten Freund ging ich zu seinem Wagen und wir fuhren heim. Er machte Musik an, eine CD. Zuerst hörten wir The Man In Me von Bob Dylan und danach sangen wir mit bei Total Eclipse of the Heart. Reden mussten wir nicht mehr. Alles war gesagt. So muss ein Abend sein.