Krisen

Über Krisen und Probleme rund ums kreative Schreiben sowie mögliche Lösungsansätze dazu.

Dieser Eintrag handelt von verschiedenen Krisen rund um das Schreiben und darum, wie ich sie für mich löse oder zu lösen versuche.

Tabula Rasa & Horror Vacui

Das weiße, unbeschriebene Blatt, das sich vehement weigert, gefüllt zu werden.
Ob es nun die erste Seite eines neuen Projektes sein soll oder irgendeine Seite sehr viel tiefer im Arbeitsgeschehen, jeder Autor fürchtet sich wohl davor.
Fangen wir mit dem ersten Problem an. Wollen mir keine neuen Ideen kommen, was, ehrlich gesagt, sehr selten ist, ich aber unbedingt etwas schreiben möchte, gehe ich zunächst spazieren.
Das gibt neue Eindrücke und lässt das Gehirn ohne Druck arbeiten; hilft übrigens auch bei fortgeschrittenen Projekten und Problemen bestens.
Auf jeden Fall sollte man als Autor über eine ausreichende Fähigkeit zur Selbstreflexion verfügen und mit der Zeit wissen, was grundsätzlich inspirierend wirkt – Musik, Kunst, Passagen des Lieblingsautors etc. Auch diese Quellen aufzusuchen ist einen Versuch wert.
Eine der besten Methoden ist allerdings einfach nach bereits vorhandenen Ideen (aus dem eigenen Vorrat) zu suchen. Tage- und Notizbücher kann man gut durchstöbern, stößt möglicherweise auf fertige Plots, die ungenutzt verstauben, oder auf Erinnerungen an Liebschaften, Verluste, Freuden, die etwas auslösen. Das ist einer der vielen Gründe, warum man sämtliche Ideen notieren sollte, auch wenn man sie im Augenblick nicht zu brauchen meint.

Häufiger ist das Problem des Steckenbleibens in einer Geschichte – auch trotz Vorbereitung und Planung oder währenddessen. Natürlich kann man die gleichen Schritte (wörtlich und übertragen) unternehmen wie auch bei totaler Ideenlosigkeit. Doch mir hilft es am allerbesten, wenn ich mich den Problemen direkt stelle und mit meinen Fragen arbeite. Ich schreibe auf, weswegen ich nicht schreiben kann, was mich festhält und woran es liegen könnte. Die Fragen „Wie soll es weitergehen?“ oder „Warum sollte die Figur das tun?“ oder andere notiere ich mir und spekuliere regellos, aber ebenfalls in geschriebener Form (Stichpunkte oder ausformuliert). Üblicherweise arbeitet mein Gehirn im Hintergrund an den Antworten, die im Vordergrund gefordert werden. Während ich also die Fragen aufschreibe, beantworte ich sie mir bereits. Am Ende wundere ich mich manchmal, warum ich dann all die Probleme notiert habe, doch ohne diesen gesamten Ablauf wäre ich nicht voran gekommen.
Eine weitere, verspieltere Methode habe ich irgendwann für mich entdeckt: meine Wörterbuch-App hat eine „Zufallswort“-Funktion, welche ich dafür nutze. Das auftauchende Wort wird einfach irgendwie mit der Geschichte oder der Figur, um die es gerade geht, verknüpft. Würde eine Figur dieses Wort benutzen? Könnte man damit etwas oder jemanden beschreiben? Auf diese Weise erhält man etwas andere Perspektiven auf die eigene Story und kommt auf neue Ideen. Das funktioniert allerdings vermutlich nicht, wenn man unter Zeitdruck steht.
Gestern hat mich dieses Spielchen übrigens zu einer Kurzgeschichte inspiriert. Offenbar funktioniert es also auch bei der weiter oben stehenden Problematik.

Was treibe ich hier eigentlich? – Zweifel am Werk

Lese ich die Werke großartiger Autoren, die es längst geschafft haben, mache ich den Fehler und vergleiche mich mit ihnen. Das kann auch passieren mit Schriftstellern, die zwar veröffentlicht sind, aber ohne (in meinen Augen) eine Rechtfertigung dafür abzuliefern. In beiden Fällen kommen Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, Ideen und Werken auf.
Gibt es dafür eine Lösung? Nicht wirklich.
Als Autor bin ich narzisstisch genug, um davon überzeugt zu sein, dass meine Werke notwendig sind. Werden sie nicht veröffentlicht, ist das ein Fehler im System und keiner meinerseits.
Selbst wenn ich nicht von meinem Werk überzeugt wäre, würde das auch nichts ändern. „Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen“ sagte Arnold Schönberg. Da kann man wenig ergänzen. Ich schreibe nicht, weil ich es mag oder gut kann, sondern weil ich es muss. Da ich es schon lange muss, habe ich es häufig getan und kann es daher, was mir Erfolgserlebnisse beschert, weswegen ich es mag.

Was tun, wenn man nichts tut? – Motivationsproblematik

Nach den Worten eben muss schon die Überschrift paradox klingen. Allerdings gehe ich immer wieder durch Phasen, in denen ich nicht schreibe – und auch sonst wenig schaffe. Dann bin ich halbwegs depressiv – „halbwegs“, da dies kein Urteil von professioneller Seite ist – unzufrieden, lenke mich mit Nichtigkeiten (Netflix usw.) ab und bin insgesamt sehr kraftlos.
Hier sprechen wir von einem anderen Gegner als dem Zweifel weiter oben.
Meiner Erfahrung nach kann man es in diesen Zeiten einfach nur versuchen, auch wenn das Scheitern meist vorprogrammiert ist. So lange und häufig den inneren Schweinehund zum Kampf stellen, bis man den Sieg davonträgt.
Es gibt immer einen richtigen Zeitpunkt, um wieder herauszufinden aus der Dunkelheit. Einerseits gibt das Hoffnung, bevor der Moment da ist. Andererseits scheint es, wenn er dann gekommen ist, keineswegs zwecklos, ihn zu ergreifen. Das wiederum muss sein. Absacken in sein persönliches Gefühlsloch kann man jederzeit wieder, also sollten die Pausen unbedingt genutzt werden.
Manchmal sitze ich in solchen Zeiten da, schaue einen Film, der mich nicht interessiert, spiele gelangweilt am Handy und bin tief unzufrieden. Warum? Weil ich nicht tue, was ich tun sollte, was mich zu tun drängt. Wie vorher gesagt: ich muss schreiben. Dieser Drang, diese Kraft, ist immer da. Auf der anderen Seite steht ein selbstzerstörerischer Trieb, der sich eben gelegentlich wie eine Mauer verhält und totalen Stillstand fordert. Die bekannte Superman-Frage: Was geschieht, wenn ein unbewegliches Objekt von einer unaufhaltbaren Kraft getroffen wird?
Es kommt zu herrlichen Ausbrüchen von Kraft.
Ich baue die Mauer und die Explosionen in meine Geschichten ein.
Nein, ich baue aus daraus meine Geschichten.

Schritte (und Fallen)

Über meine Versuche, Publikum zu erreichen und veröffentlicht zu werden, sowie die Hürden und Fallen auf dem Weg.

Es ist vermutlich bereits deutlich geworden, dass ich eine Veröffentlichung meiner Werke – in dieser Reihenfolge: Romane, Kurzgeschichten, Lyrik – anstrebe. Diese Veröffentlichung sollte (auch und hauptsächlich) in Form gedruckter Bücher erfolgen, was eine Einschränkung darstellen kann. Doch das wäre mein Ideal.

In diesem Blogeintrag wird es darum gehen, welche Schritte ich im Laufe des letzten Jahres unternommen habe, um mein Ziel zu erreichen. Außerdem werde ich von einigen Fallen berichten, in die man auf einem solchen Weg tappen kann. Um in Zukunft keinerlei Nachteile zu erleiden – mein Projekt ist schließlich im höchsten Grade egoistisch –, werde ich keine Namen erwähnen, die mir noch nutzen könnten.

Während einer ausgesprochen motivierten Phase entschied ich mich, endlich veröffentlicht zu werden und ging den logischen, überhasteten, ersten Schritt: Was ich an brauchbarem Material – und das war zu dem Zeitpunkt eigentlich nur Lyrik – hatte, wurde durchgeguckt, minimal aufgearbeitet und an Verlage geschickt.
Bei Lyrik gibt es das grundsätzliche Problem, dass kein Schwein das Zeug mehr liest.
Schöner ausgedrückt: es gibt einen sehr eingeschränkten Markt, der vermutlich nicht mehr Menschen umfasst, als der Kreis, der das Produkt selbst herstellt.
Schaut man sich um, merkt man relativ schnell, dass nicht wenige Leute Gedichte verfassen, aber kaum jemand (moderne) Lyrik mehr kauft. Aus Sicht der meisten Verlage ist das ein eindeutiges Zeichen zum Ausstieg aus diesem Segment. Was also resultiert daraus?
Erstens:
Es entwickelten sich einige Verlage, die auf Gewinn verzichten. Diese sind entsprechend klein in ihrer Reichweite und Ausgabenzahl. Das ist an sich kein Problem. Für mich problematisch war eher, dass diese idealistisch ausgerichteten Verlage es eben auf jeder Ebene sind, also eine gewisse Botschaft zu verbreiten hoffen – politisch, gesellschaftlich, religiös.
Zweitens:
Es gibt andere Verlage, die nicht mit den Büchern, sondern mit den Autoren Geld verdienen wollen. Hier wird es gefährlich! Zunächst erkennt man – beispielsweise vom Internetauftritt her – häufig nicht, was dahintersteckt. So freute ich mich auch recht schnell über einen dicken Umschlag, der einen Vertrag enthielt. Allerdings brauchte man von mir einen kleinen Zuschuss in Höhe von etwa 4800€. Dieser Betrag war bereits heruntergerechnet – beispielsweise der mögliche Gewinn von verkauften Exemplaren war abgezogen. Ich hätte also ein Buch veröffentlicht, aber auf eigene Kosten und ohne die Chance auf Einnahmen. Eine gekaufte Veröffentlichung kann man günstiger haben.
Danach recherchierte ich jeden weiteren Verlag sehr viel genauer.
Ich persönlich halte dieses Geschäftsmodell für ausgesprochen mies, da natürlich jeder Autor von seinem Namen auf eigenen Büchern träumt, sich entsprechend schnell einschmeicheln lässt und schließlich bloß abgekocht wird. Fühlt sich für mich an wie Verrat.

Der nächste Schritt waren Wettbewerbe.
Grundsätzlich gab es dort für mich wiederum häufig das gleiche Problem wie mit den kleinen Verlagen und ihrer Agenda. Selbstverständlich sind Einschränkungen für einen Wettbewerb sinnvoll und teilweise unumgänglich. Dennoch ist es frustrierend seitenweise Wettbewerbe durchzuschauen und einen nach dem anderen aussortieren zu müssen – falsches Alter, falscher Wohnort, falsche Herkunft, falsche Botschaft, Thematik oder Grundstimmung.
Kurze Anmerkung: Auch bei Wettbewerben gibt es Fallen. Beispielsweise fordern manche Betreiber Teilnahmegebühren, Bearbeitungsgebühren oder Ähnliches ein. Hier sollte man also auch etwas recherchieren.
Trotz allem habe ich mich zu so manchem Wettschreiben angemeldet – diesmal auch mit Kurzgeschichten. Vollständig erfolglos übrigens.
Vorteil der Themen- und Längenvorgaben war für mich auf jeden Fall, dass ich in Richtungen dachte, die mir vorher nicht in den Sinn kamen. Entsprechend zog ich also etwas daraus, wenn auch keinen pekuniären Gewinn.
Seien wir ehrlich, mein Schreibstil ist ein bisschen ungewöhnlich – ein Prosa-Beispiel wird bald gepostet – und der Boden der Texte häufig weit entfernt vom Licht angesiedelt. Darauf schiebe ich die ausbleibenden Siege. Außerdem kann man sich immer sagen, dass alles Geschmackssache sei und all den üblichen, trivialen Unsinn.

Literaturmagazine waren die nächste Station. Die Auflage dieser Hefte ist sehr klein – einige hundert Exemplare alle paar Monate. Der große Vorteil anerkannter Magazine ist aber, wen sie erreichen. Sämtliche Hefte landen bei Literaturbegeisterten, von denen viele beruflich involviert sind, also Agenten, Lektoren und andere, deren Aufmerksamkeit absolut nicht schaden kann. Einige wenige Beiträge habe ich dort unterzubringen versucht. Warum eigentlich nicht mehr? Werde ich ändern.

Zwischendurch besuchte ich die Frankfurter Buchmesse, schaute mich um und hörte mir Vorträge an. Letzterer Part war besonders interessant. Vertreter aus den Rängen der Literaturagenten trugen vor oder wurden befragt. Sie machten verständlicherweise Werbung für ihre Branche, doch berichteten sie auch von ihrer Auswahlpraxis für neue Manuskripte, von der Menge neuer Zusendungen und von ihrer Arbeit allgemein. Im Grunde übernehmen sie alles Geschäftliche und nutzen ihre Kontakte, um den Autoren Ruhe zu geben für das, was sie korrekterweise eben zu tun haben: schreiben. Mir selbst wäre die Arbeit mit einem guten Agenten sehr lieb, aber das muss jeder für sich selbst wissen. Noch ist der Markt wohl nicht völlig versperrt ohne Agenten. Allerdings kann man sich vorstellen, dass jemand, der am Wochenende bei einem Glas Wein mit seinen Freunden im Lektorat verschiedener Verlage über neue Autoren spricht, größere Chancen auf Unterbringung eines Manuskripts hat, als der Typ, von dem noch niemand etwas gehört hat und der aus dem Nichts eine Email schreibt.
Übrigens erzählten einige Agenten auch von aktiver Akquise online. Ich habe also Hoffnung für meine Projekte.
Auch in dieser Branche gibt es Leute, die Autoren ausnutzen wollen. Grundsätzlich verdient eine seriöse Agentur nur dann, wenn der Autor auch verdient, also durch Prozente des Gewinns. Vorher sollte es absolut keine Kosten geben: nicht für Bearbeitung, Vorlektorat oder irgendwelche anderen Dinge. Hier sollte man ebenfalls recherchieren.

Entsprechend gingen die nächsten Bewerbungen – wir reden jetzt vom Romanmanuskript, das inzwischen fertiggestellt wurde – an Literaturagenturen.
Einige Agenturen – unter anderem die, die auf meiner Liste ganz oben standen – haben die Vorgabe, dass man ihnen mitzuteilen hat, bei welchen Konkurrenzfirmen und Verlagen man sich bereits beworben hat, wer ablehnte, auf wessen Antwort man noch wartet etc. Am Telefon erklärte man mir, dass man eben sehr beschäftigt sei und die Auskunft „ich habe mich außerdem bei XY beworben“ dazu führe, dass das Manuskript ganz unten in den Stapel gelegt werde, bis die andere Agentur geantwortet habe. Man will sich also keine unnötige Arbeit machen. Dies führt allerdings dazu, dass – wenn man sich wie ich an diese Vorgaben hält – immer nur eine einzige Bewerbung herausgeschickt werden kann. Dann wiederum ist es gängige Praxis, keine Ablehnungsschreiben herauszuschicken, sondern lediglich einen Zeitraum zu nennen, nach dessen Ablauf von einem Nein auszugehen ist. Dieser Zeitraum ist dann zwischen einem und drei Monaten lang.
Allein deshalb laufen meine Bemühungen in diesem Bereich noch.

Die aktuellsten Bemühungen sieht man online. Zunächst, weil so Publikum erreicht werden kann, auch ohne Veröffentlichung. Definitiv aber auch als Werkzeug, um Aufmerksamkeit auf mich zu lenken seitens Agenturen und Verlagen.
So kann ich sozusagen aktiv und passiv an der Veröffentlichung arbeiten.

Eine weitere Fallen-Anmerkung: per Instagram wurde ich kontaktiert, ob ich Interesse habe, von einer Zeitschrift für Kunst beworben zu werden. Die wenigen meiner Bilder dort, die man als Kunst bezeichnen könnte, sind bloß ein Rahmen für mein Geschriebenes. Daher kam mir die Anfrage suspekt vor. Nach kurzer Recherche stellte sich heraus, dass es bald zu einem Wettbewerb weitergehen sollte, der wiederum Geld kostet. Andere Künstler leiden offenbar unter den gleichen Problemen wie Autoren.

Nebenbei verfasse ich neue Texte – unter anderem einen neuen Roman.

Spätestens im Sommer 2019 werde ich, sollte das Manuskript, das jetzt hier und da unterwegs ist, nicht angenommen worden sein, eigenständig veröffentlichen und wahrscheinlich mit dem neuen Manuskript das Spiel von vorne beginnen.

Mein Weg bisher

Über die Geschichte meines Schreibens und die wichtigsten Vorbilder der einzelnen Perioden.

Nach dem recht spontanen Einstieg letzte Woche, werde ich diesen Blog ab jetzt ein wenig strukturierter angehen. Es ist sinnvoll, zunächst mich selbst – wenigstens sofern es das Thema Literatur betrifft – vorzustellen, wo ich herkomme, wie sich mein Schreiben entwickelt hat und wo ich noch hin will. In späteren Beiträgen werden meine bisherigen Schritte auf meine Ziele zu, die Fallen und Krisen, meine Inspirationsquellen, meine konkrete Vorgehensweise beim Schreiben sowie regelmäßige Einschübe, um meine Sprachnachrichten aus dem Kellerloch zu besprechen, zum Thema werden. Sofern keine herausragenden Ideen dazwischenfunken, ist dies der Plan für die nächsten Wochen.

Als ich mit etwa 13 oder 14 Jahren zu schreiben begann – die Geschichten aus der Grundschulzeit lassen wir mal außen vor -, interessierte ich mich für düstere Filme (z.B. The Crow), düstere Musik (Gothic, EBM, Metal) und seit Kurzem – und wegen der Gothic-Szene, zu der ich mich langsam zu zählen begann – düstere Literatur. Besonders Edgar-Allen Poe hatte es mir mit The Raven angetan, aber auch Lord Byron, Beaudelaire, William Blake, Trakl und ein wenig Goethe gehörten dazu. Bei dieser Lektüre ist es kein Wunder, dass ich es selbst mit Lyrik versuchte. Wütende, lange, theatralisch-pathetische Lyrik. Aber – und das halte ich in der Kunst immer für einen wichtigen Faktor – es kam aus tiefster Seele und war ehrlich in seinem Kern. Damals nutzte ich das Schreiben als direktes Ventil, da ich mich nicht anders auszudrücken und noch weniger direkt auszuleben wusste. Innerhalb von Sekunden wanderten Ideen, Gefühle, Bilder und Eindrücke in Textform auf das Papier und zwar mehrmals täglich.

Heutzutage sind meine Texte sehr viel gefilterter, wenn man so will, weniger direkt in ihrer Verbindung von Gefühl und Resultat.

Meine Lektüre änderte sich. Ich erinnere mich an den Moment, da ich im Bücherregal meines Vaters den Titel „Der Ekel“ von Sartre – diesen Namen hatte ich irgendwo doch schon mal gehört… – entdeckte. Zur gleichen Zeit nahm ich mir vor, mehr „Weltliteratur“ zu konsumieren. Hauptsächlich aus dem simplen Grund, dass keiner, den ich kannte und nicht mochte, dies auch tat. Es schien mir außerdem eine Sache zu sein, mit der man Menschen beeindrucken könnte. Selbstverständlich gefiel mir auch, was ich las. Keineswegs verstand ich Sartres Ekel korrekt, als ich ihn das erste mal las, aber dennoch fand ich mich in diesem und jenem Aspekt wieder. Zu Sartre gesellte sich Kafka, den ich als noch schwieriger empfand und dennoch wegen der Grundstimmung und der verrückten Ideen sehr mochte. Währenddessen schrieb ich weiter Gedichte.

Ein Freund half mir, einige Texte zusammenzustellen, ein Layout zu entwerfen und einige Exemplare eines eigenen Buches zu drucken. Es wurde verschenkt und verstaubt vermutlich noch in dem ein oder anderen Regal. Man sollte heutzutage vielleicht dazu sagen, dass Social Media Plattformen und das Internet generell noch nicht wirklich verbreitet waren in jener Zeit.

Irgendwann – wir sind jetzt am Anfang meiner Zwanziger – schrieb ich Texte für ein Projekt, das ich „Bastians Fieberträume“ nannte. Das Konzept war simpel: ein Junge namens Bastian träumte schreckliche Dinge. Eine Kompilation aus mehreren solcher strukturlosen Kurzgeschichten sollte das Ergebnis sein. Um ehrlich zu sein, war ich wohl inhaltlich zu nahe an mir selbst, denn ich bekam regelmäßig Alpträume von meinen eigenen Ideen. Aber immerhin waren es die ersten Prosa-Texte, die ich verfasste.

Mit Hermann Hesse begann eine neue Lesezeit für mich. Zuvor interessierten mich zwar die Bücher, die ich las, aber es fehlte mir auch etwas. Ein Faktor beim Lesen war noch immer der Drang, anders zu sein – ich zwang mich eben auch dazu. Doch als ein guter Freund mir Hesses Demian empfahl, war plötzlich alles anders. Hier fand ich mich wieder. Der Steppenwolf und Siddhartha lösten Ähnliches aus. Ich hatte meinen Lieblingsautor gefunden. Fortan las ich übrigens auch andere Bücher mit mehr Interesse.

Das erste Roman-Projekt – „Der König der Maulwürfe“ – startete ich mit etwa 24 und verarbeitete darin meine Jugend – oder versuchte es. Zu 80% ist das Werk betrunken entstanden. Das Ergebnis ist entsprechend.

Erst wiederum einige Jahre später, während meines Philosophie- und Komparatistik-Studiums – mein Abitur musste nachgeholt werden, da ich aus verschiedensten Gründen das Gymnasium frühzeitig verlassen hatte –, machte ich Pläne für einen weiteren Roman. Bei Vorlesungen und Seminaren lernte ich Jorge Luis Borges, Daniel Kehlmann und Hermann Burger kennen, tauchte tiefer ins Verständnis von Kafka und Hesse ein und hörte das erste mal von den Frankfurter Poetik-Vorlesungen. All das inspirierte mich immens.

Schildbürger – mehr Details im Beitrag „Vorgeschichte(n)“ – entstand.

Doch erst mit meinen neuesten Gedichten und Kurzgeschichten sowie dem dritten Romanmanuskript entschied ich, an die Öffentlichkeit zu gehen. Welche Schritte ich dafür unternahm und was ich dabei über Fallen für motivierte Autoren (wie mich) lernte, wird im nächsten Beitrag thematisiert werden.

Vorgeschichte(n)

Über meine bisherigen Romanprojekte, warum sie mangelhaft waren und was ich daraus lernte.

Zurzeit arbeite ich an meinem vierten Roman. Es gibt einen vorläufigen Arbeitstitel, ausgearbeitete Ideen für Plot, Figuren und Aufbau sowie einen fertigen Anfang. Ich weiß inzwischen, wie ich vorzugehen habe, damit meine Arbeit gelingt. Doch nicht immer war mir klar, was alles zum Schreibprozess gehört.

Mein erstes Manuskript nannte ich „Der König der Maulwürfe“. Ein trauriges Buch ohne viel Struktur und Tiefgang, aber mit ein paar gelungenen Szenen. Damals schrieb ich weitestgehend planlos vom Fleck weg, ein Glas Whiskey neben mir – frei nach Hemingways angeblicher Arbeitsmethode: betrunken schreiben, nüchtern korrigieren; nur dass ich die zweite Hälfte weg ließ. Was bei dieser Methode passiert, ist, dass die Geschichte schnell autobiographisch wird. Denkt man sich im Vorfeld keine vollständigen Figuren aus, wird man die Hüllen zwangsläufig aus der Erinnerung auffüllen. So wird dann der Protagonist zum eigenen Ebenbild und seine Liebschaft zur Exfreundin. Dennoch stellte ich es fertig.

Der nächste Versuch war erheblich strukturierter: ich machte Zeichnungen, stellte Ideensammlungen zusammen, recherchierte und orientierte mich an Arbeitsweisen erfolgreicher Autoren. „Schildbürger“ entstand. Problematisch an diesem Projekt war seine Komplexität, das heißt im Grunde: meine Überheblichkeit. Ein Spiel mit Identität und Realität, dreigeteilt und geschichtet, vollgepackt mit Einfällen und Gelerntem aus Philosophie, Weltliteratur, Physik, Musik und Kunst. Ich war stark beeinflusst von Jorge Luis Borges, Hermann Burger, Daniel Kehlmann, Schopenhauer und Bestandteilen meines Philosophie- und Komparatistik-Studiums. Kurz gesagt: ich habe mich überhoben.

Das Ergebnis war eher verwirrend, aber immerhin originell. Leider wurde mir ein Knackpunkt meines Identitätsspiels (eine Verwischung der Ebenen von tatsächlichem Autor, Erzähler / fiktivem Autor und Figur) zu spät bewusst: niemand kannte mich bisher, weswegen sich niemand einen Scheiß um meine Identität kümmern würde. Der Kernpunkt konnte zu jenem Zeitpunkt unmöglich vermittelt werden – aber vielleicht irgendwann.

Einige Lektionen waren also gelernt. Mit Planung und viel Energie startete ich mein drittes Romanprojekt – es schwirrt zurzeit bei mehreren Literaturagenturen herum, weshalb ich den Titel und Details beiseite lasse. Viele Ideen ergaben sich auch hier erst beim Schreiben, jedoch standen die komplette Struktur, sämtliche Grundgedanken, Themen und Figuren im Vorfeld fest. Es gelang endlich.

Dieses Manuskript betrachte ich als gut genug, um veröffentlicht zu werden. Sartre schrieb, sein bestes Buch sei immer das, an dem er gerade schreibe. Dann setzte er hinzu: in einigen Monaten sei ihm dieses Buch dann auch wieder peinlich. Dieses Gefühl kommt zwangsläufig auf – es sei denn, man bleibt in seiner Entwicklung stehen. Das macht jedoch das Manuskript nicht schlecht, sondern deutet auf die Geschwindigkeit, mit der man vorwärts schreitet. Dürrenmatt beschrieb Literatur als Kunstwerke im Zeitfluss – man kann ein einzelnes Buch jeden Tag neu überarbeiten und würde niemals fertig werden, weil man selbst nicht fertig wird; man kann es bloß an geeigneter Stelle abbrechen und ein neues Projekt beginnen.

Arbeitsplatz

Über das, was ich sehe, wenn ich vom Schreiben aufblicke und einige Gedanken dazu.

Das sehe ich am Schreibtisch sitzend, wenn ich meinen Kopf hebe: ein schreiender Munch, ein schiefer Picasso aus seiner blauen Phase – habe ich irgendwo aufgeschnappt -, Klimt. Ein paar Postkarten, Erinnerungen an Stockholm, ein Gedicht von Tadeusz Rósewicz (“Nichts”). Darunter einige Seiten aus Luigi Serafinis “Codex Seraphinianus”, einem unlesbaren Buch: die Naturgeschichte einer fiktiven Welt, geschrieben in einer erfundenen Sprache. Es erinnerte mich an die Geschichten von Borges. Links daneben Auszüge aus Hermann Burgers Tractatus logico-suicidalis sowie meine Version eines Motivationsposters: “Formuliere Deinen Schmerz”.

Natürlich ist das alles Deko und zeigt meinem spärlichen Besuch, dass ich sowohl kultiviert als auch eigenartig bin. Aber ich habe nichts davon für andere aufgehängt. Diese Bilder und Texte, Textfetzen und Erinnerungen inspirieren mich – oder sollen es wenigstens tun. Es sind kleine Botschaften an mich selbst, die mir nicht immer bewusst sind und doch ihre Wirkung tun. Serafini sagt mir, dass ein Buch nicht verständlich sein muss, um Qualität zu haben. Picasso gelobte in seiner blauen Phase, nach dem Tod eines Freundes, nie wieder fröhliche Bilder zu malen. Er sagte nicht, dass er nicht mehr malen würde, denn das wäre gegen seine Natur gewesen, aber nie wieder fröhlich: er nahm seinen Schmerz als Stoff und verarbeitete ihn anstatt ihn zu vergraben. Für meinen Fall umgedichtet in “Formuliere Deinen Schmerz”. Auch Burgers Selbstmord-Traktat handelt zu großen Teilen vom Leid der Künstler und der Wichtigkeit sowohl des Leides für die Künstler als auch der Verarbeitung solchen Leides in der Kunst für die jeweiligen Empfänger. Er zitiert Kafka, für den Bücher “die Axt sein” müssen “für das gefrorene Meer in uns”, oder Muschg, der in seiner Frankfurter Poetikvorlesung sagte: “Kunstwerke sind im Grenzfall die einzigen Beweisstücke, wieviel wir aus dem machen können, was uns angetan wird.” Ich persönlich spüre durch solche Zitate die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die ich immer bewundert habe und zu der ich mich Stück für Stück auch selber zähle.

In meiner Lebensgeschichte gab es viel Ablenkung, viel Suff, einige Drogen, einige Liebschaften und Unmengen verschwendeter Zeit. Noch immer kämpfe ich fast jeden Tag, um das zu tun, was mir wichtig ist, was ich für sinnvoll erachte – häufig genug scheitere ich… aber – wie man hier lesen kann – nicht immer.