Literatur als Selbstsuche

Nosce te ipsum – Erkenne dich selbst. Schreiben als direkte und indirekte Suche nach sich selbst.

Nosce te ipsum – Erkenne dich selbst. Ziemlich alter Ansatz, oder? Doch denkt man mal ernsthaft nach, gibt es im Allgemeinen nicht besonders viel, über das man sprechen oder schreiben könnte. Angesichts dessen über sich selbst – oder das Selbst beziehungsweise den Charakter der fiktiven Figuren (stellvertretend für Aspekte des Autors) – zu schreiben, scheint eine gute Idee zu sein. Tatsächlich scheint es ein unendliches Thema innerhalb einer kleinen Gesamtauswahl von Themen – Zwischenmenschliches, Beziehung zu Natur oder Gott, Selbstbezogenes – zu sein.
Darum also geht es.

Irgendwo in einem Brief oder Tagebucheintrag von Hermann Hesse – es muss aus der Zeit vor oder während des Verfassens von Siddhartha gewesen sein – las ich den Vergleich des menschlichen Charakters mit einem stark verästelten Baum. Wäre man imstande jeden einzelnen Zweig durch Literatur auszudrücken – zu verarbeiten? – fände man Erleuchtung. So oder so ähnlich hieß es.
„Erleuchtung“ ist ein Wort, das nur in gerechtfertigten Zusammenhängen und aus geübtem Mund kommen darf. Im Falle von Hesse wären Zeitraum und Verfasser stimmig und damit die Verwendung vertretbar.

Ist es nun das, was ich tue? Lange Zeit hielt ich dieses Vorgehen für die einzig mögliche Art Literatur zu schaffen. Sich selbst auszudrücken, herauszukehren, was im Geist brodelt, was beschäftigt, was quält. Ein rein technischer Ansatz war mir fremd. Ebenso eine Massenproduktion von immer gleichem Stoff in verschiedener Verpackung.
Als ich das erste mal las, dass Edgar Allen Poe beim Erarbeiten von The Raven sehr technisch, eigentlich rein technisch, vorgegangen sein soll, empfand ich das beinahe als Vorwurf und wehrte mich regelrecht dagegen. Wie dankbar war ich, dass sich auch Borges dieser Aussage von Poe selbst entgegenstellte. Allerdings hat ein sehr technischer Ansatz – denken wir doch auch an Umberto Eco und seine Arbeitsweise – immerhin den Beigeschmack von Arbeit, Planung und Intelligenz.
Massenhaftes Wiederkäuen von Romanzen, Schnulzen und billiger Fantasy verstehe ich jedoch nicht. Vermutlich sieht kein Autor sich selbst als ein solcher Massenfabrikant.
Im Übrigen will ich weder ganze Genres verdammen noch die Möglichkeit auszuschließen, dass auch ich zu den Gruppen gehöre, die ich von außen zu betrachten scheine – oder wenigstens auf andere entsprechend wirke.
Unter den Lesern von Nietzsche seien ungewöhnlich viele Übermenschen gewesen, habe ich irgendwo gelesen – bei Kehlmann?

Eine meiner schlechteren Eigenschaften ist meine Angewohnheit vorschnell zu urteilen. Möglicherweise bin ich ungerecht, wahrscheinlich sogar, doch sehe ich die Welt zurzeit mit meinen Augen, die morgen andere sein mögen, aber eben heute noch nicht.

Offenkundigstes Zeichen, dass Literatur für mich Suche nach mir selbst ist, könnte sein, dass ich mich über Literatur definiere. Ein geschlossener Kreis, sollte man meinen.
Dass ich ein Autor bin, wusste ich spätestens mit dreizehn Jahren, als ich meine ganze Wut in eine txt-Datei voll religiöser Metaphern, die ich selbst kaum verstand, tippte. Es waren grässliche Machwerke, die ich damals erschuf, doch konnte man deutlich erkennen, wie es mir ging. Ich erinnere mich an Schalen, angefüllt mit Wut, die Gott ausleerte. Apokalyptische Visionen im Grunde, die von einem geistigen Feuer kündeten. Allerdings, das muss man sagen, eben in schrecklichem Stil verfasst.
Der Punkt ist: Ich schrieb kryptisch auf, wie es mir ging, drückte mich also selbst aus, versuchte mich selbst besser zu verstehen.

Meine Texte sind jedoch niemals wirklich nahe an mir dran. Das darf man nicht falsch verstehen. Es handelt sich um meine Ideen, möglicherweise meine Sichtweise, meine Gefühle, doch nicht um autobiographische Literatur. Die großen Krisen meines Lebens brauchen viele Jahre, um Stoff zu werden. Sind sie dann soweit, liegen sie unter Schichten von Worten und Bildern begraben, die es so viel einfacher machen, sie zu packen und maskiert der Welt zu zeigen.
Und doch, meine Arbeit ist Sinnsuche, Selbstsuche. „Sinnsuche“ ist wieder so ein Wort, das schön klingt, doch nichts bedeutet. Ultimativ glaube ich an keinen Sinn – keinen Lebenssinn –, also habe ich mir einen genommen, mich für einen entschieden und bin dabei geblieben. Literatur ist also vielleicht doch eher Sinnerfüllung als Sinnsuche. Sinn suche ich in mir selbst, in meinem Handeln und Fühlen, meinen Entscheidungen. Sinn für mich, nicht im Rahmen des Universums oder Schicksals.
Ist es eine bewusste Suche? Ja und nein. Wie man sieht, ist es mir bewusst, dass es diesen Vorgang gibt. Er ist mir willkommen. Während ich schreibe, bin ich Regisseur und Zuschauer, sehe die Bühne vom Zuschauerraum aus, weiß, was vorne passiert und wie das Stück auszusehen hat, doch was hinter der Bühne geschieht, erfahre ich, wenn überhaupt, erst nach der Show.
Für den laufenden Vorgang fehlt mir das Bewusstsein.
Am Ende ist es also wie bei Platon. Was ich lerne, wusste ich – offensichtlich – bereits, erinnere mich also nur. Mit jedem Text ein Puzzlestück mehr.
Weniger aktive Selbstsuche als passives Selbstfinden?

Solange ich denken kann, starten ungeplant Sätze in meinem Kopf, deren Ende ich nicht kenne. Üblicherweise beginnen diese Sätze mit „Das Leben ist“ oder „Ich bin“ und bringen mich zum Nachdenken.
Was bin ich denn in diesem Moment? Bin ich wütend? Warum bin ich wütend? Bin ich…?
Die Wahrheit ist, ich weiß es meistens nicht zu sagen. Doch dreht sich das Rad der Fragen in mir weiter, ohne dass ich es merke, und spuckt wie ein frustrierter Koch Antworten in meine Texte.
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als die Suppe auszulöffeln.

An der Grenze der Öffentlichkeit

Wie viel Öffentlichkeit, wie viel öffentliche Privatheit, veröffentlichtes Privatleben kann ein Autor ertragen, wie viel sollte er zulassen, um sein Werk zu verbreiten?

Wie viel Öffentlichkeit, wie viel öffentliche Privatheit, veröffentlichtes Privatleben kann ein Autor ertragen, wie viel sollte er zulassen, um sein Werk zu verbreiten?

Für das, was der Autor innerhalb seiner Werke, also indirekt, scheinbar versteckt, an die Weltöffentlichkeit trägt, gibt es meiner Meinung nach keine Grenzen. Schreiben ist Ausdruck. Ausgedrückt wird, was für den Schreibenden von Bedeutung ist. Bedeutung hat meist genau das, was andere verschweigen würden.
Es ist kein Geheimnis, dass man aus meinen Texten vieles über mich erfahren kann, wenn auch nicht alles und nicht vollständig. Das ist keineswegs ein Zugeständnis oder eine Erklärung, dass meine Literatur autobiographisch sei, denn das ist sie üblicherweise nicht.

Die Frage, um die es sich für mich dreht, ist, ob ein Autor – ob ich – sein Privatleben, seine Vergangenheit und Gegenwart offen an die Welt tragen oder sich lieber vollends hinter seinem Werk verstecken sollte. Diese Sätze stehen in einem Blog und dieser handelt von den Hintergründen meines Schreibens. Verlinkt sind ein Twitter- und ein Instagram-Account. Entsprechend kann ich nicht für völlige Abkapselung sein, oder?
Nun, ich muss gestehen, gäbe es für mich die Möglichkeit, Bücher zu veröffentlichen, ohne dass ich dabei als Person – vom Namen abgesehen – auftauchte, wäre das der Weg, den ich wählte. Doch dieser Weg steht mir nicht offen.
Allerdings, auch das muss ich zugeben, erzähle ich gerne von mir, meinen Ideen, meinen Texten. Da stehe ich sicherlich nicht allein mit. Sehr gerne lese ich Bücher, gedruckte Vorlesungen, autobiographische Texte oder Essays von Autoren, die im Grunde das gleiche tun, was ich in diesem Blog tue, nur für Geld und mit größerer Resonanz.

Diese Form des Nachaußenkehrens des Inneren ist noch immer stark auf die Arbeit als Schriftsteller bezogen. Sie hilft dabei, die Lektüre besser zu verstehen, da sie einen Hintergrund bietet und zeigt, worauf grundsätzlich zu achten ist.
Worum es mir jedoch geht, ist eine andere Form des öffentlich Privaten. Beispielsweise teile ich im Rahmen meiner Online-Projekte keine vollständigen Bildaufnahmen von mir – nur in einem Video sieht man mich von der Seite, in einem anderen mit Maske. Sollte ich das ändern? Man sagt mir, ich sähe nicht schlecht aus. Möglicherweise könnte ich meine Reichweite erhöhen, indem ich meinen trainierten Körper bei Instagram zeige, mir ein Gedicht spiegelverkehrt auf die Bauchmuskeln pinsele oder eine Erzählung auf den Bizeps. Für letztere Aktion fehlt mir vermutlich die Fläche.
Mein Gesicht und mein Körper existieren losgelöst von meinen Texten. Es gibt keinerlei direkte Verbindung zwischen ihnen. Schriebe ich über Sportler und Workouts, ergäben derartige Veröffentlichungen Sinn, doch bloß meine Finger tippen diese Texte. Dies scheint der einzige Berührungspunkt zu sein.

Erinnerungen, Erlebtes, im Geist Verarbeitetes und das daraus zurechtgesponnene Material formt sich zu Erzählungen und Gedichten. Grundlage des Erlebten kann – und ist häufig – etwas körperlich Erfahrenes sein: Rausch, Schmerz, Sex, Krankheit. Doch nach der direkten Erfahrung gehören diese ursprünglich körperlichen Dinge dem Geist an. Dem Körper bleiben die Narben und das Unwohlsein.
Im Grunde geht es also um geistige Privatheit, um persönlichste Erinnerungen und mit Scham behaftete Aspekte des inneren – oder inzwischen verinnerlichten – Lebens. Erkläre ich öffentlich, ich sei … ? Twittere ich: Fragt einen … alles?
Interessant wäre es vermutlich. Hilfreich übrigens auch. Hilfreich zum Verständnis meiner Arbeiten, möglicherweise hilfreich für mich aus therapeutischer Sicht und eventuell sogar für andere, die sich weniger allein fühlen mit ihrer Problematik.

Klingen diese verschleiernden Zeilen zu geheimnisvoll oder kryptisch? Sie verstecken keinen Horror, sondern einfach Persönliches. Informationen, die man aus manchen meiner Texte herauslesen kann. Die offensichtlichsten Texte, was diese Thematik angeht, habe ich allerdings noch nicht hochgeladen, fällt mir soeben ein. Es bleibt also ein Mysterium.

Menschen sehen heutzutage gern, dass ein Autor – oder Schauspieler, Politiker, Sportler – auch bloß ein Mensch ist. Warum sie das gerne sehen, weiß ich nicht. Es ergibt für mich keinen Sinn. Ein Autor ist sein Werk und seine Gedanken zum Werk und nötigenfalls noch die Geschichte, die zu Gedanken und Werk führte. Für die Öffentlichkeit sind Autor und Person zwei verschiedene Dinge. Dies gilt natürlich für jede Aufspaltung zwischen öffentlicher und privater Person, nur ist ein Autor in seiner Eigenschaft als Autorenperson öffentlicher und damit weiter entfernt von seiner Rolle als Privatmensch. Ein Zurschaustellen der Privatheit, der Privatmenschlichkeit, schmälert lediglich die Trennung, hebt sie jedoch nicht auf.

Beantwortet das meine Frage? Fürs Erste. Möglicherweise.
Wer mich kennenlernen möchte, sollte mich eben kennenlernen und nicht auf Posts im Schlafanzug, Tweets aus der Badewanne oder Instagrambilder beim Workout warten.
Dann jedoch werde ich nicht der Autor M.Thurau sein, sondern der Mensch Matthias T.

Wie ich gern schriebe

Hier kommen wir an einen Knackpunkt im Leben eines Autoren. Zwar hat jeder eine eigene, natürliche Erzählstimme, aber eben auch Vorbilder, Wünsche, Ziele und viel zu viele Vergleichsmöglichkeiten.

Hier kommen wir an einen Knackpunkt im Leben eines Autoren. Zwar hat jeder eine eigene, natürliche Erzählstimme, aber eben auch Vorbilder, Wünsche, Ziele und viel zu viele Vergleichsmöglichkeiten. Eine Anpassung beider Richtungen – der natürlichen Eigenart und dem angestrebten Stil – aneinander ist ein stetiger Entwicklungsprozess.

Hermann Burger hat seinen Stil an seinen Vorbildern geübt, indem er große Teile von Texten seiner Lieblingsautoren, ganze Absätze oder Seiten aus Romanen, abschrieb, um dann den Satzbau, quasi das Skelett, mit seinen eigenen Worten wieder zu füllen. So hoffte er sich etwas von dem anzueignen, was er an anderen bewunderte.
Selbstverständlich ist das eine Menge Arbeit und bisher habe ich mir nie die Mühe gemacht, es auch auszuprobieren. Jedoch stellte ich wieder und wieder fest, dass das Lesen fremder Texte allein bereits eine gute Schule für Stil und Aufbau ist, weswegen gute Autoren viel lesen sollten. Das ist eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen, doch stolperte ich im Internet auch über Schreiber, die öffentlich in die Runde fragten, ob man eben auch lesen müsse, um Autor zu sein.
Man sollte. Außerdem erscheint mir das Konzept eines nicht leseverliebten Autoren widersprüchlich. Ich erinnere an Jorge Luis Borges, der sagte, dass die Idee einer Pflichtlektüre absurd sei und man genausogut von Pflichtglück sprechen könne.

Es gibt ein paar für mich bedeutsame Namen in der Welt der Literatur, der Literaturwelt oder Weltliteratur, deren Werke stellvertretend sind für das, was ich gern produzieren würde oder bereits produziere, produziert habe.
Die philosophischen Konstrukte, die die Grundlage bilden für das Werk von Jorge Luis Borges, sprechen Seiten in mir an, die mich die Welt mit Vernunft und intellektueller Neugierde betrachten lassen, aber auch nicht ohne einen gewissen Humor. Allerdings wäre mir sein Schreibstil grundsätzlich zu trocken, zu wenig emotional, was ja thematisch stimmig sein mag und mich nicht vom Lesen abhält, aber meinem Wesen und damit meinen Themen widerspricht. Versucht habe ich mich dennoch in dieser Art zu schreiben; mit mäßigem Erfolg.
Daniel Kehlmann wurde offensichtlich – und, wenn ich mich recht an seine Essays und Vorlesungen erinnere, auch ausdrücklich – ebenfalls von Borges inspiriert. Daraus entstanden, wie ich vermute, unter anderem die Realitätsverschiebungen in seinen Büchern, die mir immer am meisten gefallen haben. Mein Versuch eines Borges-Romans – was historisch betrachtet wiederum paradox ist – war entsprechend auch ein Kehlmann-Roman. Ein interessantes Experiment, das ein interessantes Ergebnis zutage förderte, aber leider keines der Veröffentlichung würdiges.
Dennoch habe ich Elemente des Experiments in einem weiteren Roman verwendet, einer Vermischung realer und irrealer Ebenen, die ein beinahe surreales Ganzes geschaffen haben. Dieses meiner Meinung nach gelungene Werk werde ich in den nächsten Monaten schwer überarbeiten und nächstes Jahr veröffentlichen.

Rein stilistisch, also losgelöst vom Inhalt, schriebe ich (manchmal) gern wie Hermann Burger und verfalle auch immer mal wieder in den entsprechenden Modus, wenn auch laienhaft im Vergleich zum Original. Eine Kopie kann aber wiederum auch nicht das Ziel sein. Für eine solche Kopie oder eine entsprechend große Annäherung bin ich auch einfach zu faul, da die schiere Menge an Arbeit und Konzentration, nötig für diesen Schreibstil, erschlagend ist.
Um mal ein kleines Beispiel zu nennen, hier ein (für Burgers Verhältnisse kurzer) Satz, der Anfang der Erzählung Kohlhaas auf der Dampfwalze, den ich als besonders schön empfinde:
Ein Dampfwalzenführer, so sein Anwalt, und dies kommt bereits der Brechung des Amtsgeheimnisses gleich, was wir angesichts der Extraordinarität des Falles riskieren müssen, verlor, da er kurz vor Feierabend entsetzlich, aber rechtschaffen niesen musste, seine künstlichen Zähne, dergestalt, dass er die Prothese unmittelbar vor die Vordertrommel spuckte und, sintemal der Bremsweg ohnehin zu lang gewesen wäre, mit seiner vierzehn Tonnen schweren Rammbull, dieselgetrieben, zermalmte.
Vermutlich ist das für manche unerträglich zu lesen, aber unbezweifelbar hervorragend formuliert.

Nun wird es schwierig.
Ein ganz anderer Bereich der Literatur mischt sich ein, der mir aufgrund meiner Lebensgeschichte, all der Dinge, die mir zustießen und die ich mir selbst antat, die ich er- und durchlebte, ausgesprochen zusagt. Die Namen Hunter S. Thompson und Irvine Welsh fallen mir ein, wobei Hans Fallada, Louis-Ferdinand Céline und Henry Miller wenigstens zum Teil in die gleiche oder eine ähnliche Kerbe schlugen.
Wie verbindet man nun, sofern man das denn wollte, akstrakt-philosophische Ideen, Spielchen mit verwischter Realität, Schachtelsatz- und Fremdwortmassaker mit dem tiefsten Elend aus Alkohol, Drogen, Depression und Wut?
Thompson machte immer deutlich, dass seine Einblicke in andere Realitäten klar durch Drogen verursacht wurden – diese offensichtlich zu vereinbarende Kombination findet sich bei Kehlmann übrigens auch, ich glaube, im Roman F.
Miller schrieb surreal, wie er sich durch Paris vögelte und hungerte.
Céline war einfach furchtbar wütend, jedoch nicht stillos.
Fallada – in Der Trinker – beschreibt ungeschönt das tiefste Elend, was Welsh mit etwas Humor ebenfalls tut.
Dreckige Gefühlswelten, Elend und Leid vertragen sich kaum mit Sprachspielereien, sondern erfordern Derb- und Direktheit.

Nebenbei liebe ich übrigens die Albtraumwelten von Franz Kafka. Passen die auch noch rein?

Vielleicht ist das Vorhaben zu groß, weil zu vollgestopft, zu überfüllt mit Widersprüchen. In meinen kürzeren Erzählungen findet man mal das eine und mal das andere Puzzlestück, üblicherweise überschneidend.
Bedenke ich es richtig, sind allerdings sämtliche erwähnten Elemente in jenem Roman – ich suche noch immer einen passenden Titel – enthalten, den ich, wie oben erwähnt, überarbeiten und herausbringen werde. Zu Beginn dieses Eintrags war mir dies noch nicht bewusst.
Das macht mich gerade durchaus stolz, doch zwingt mir die Befürchtung auf, einige wichtige Bestandteile – ich denke da besonders an Suff und Elend – könnten zu kurz gekommen sein. Eine wichtige Notiz für die Überarbeitung.

Noch suche ich meine wahre Stimme. Vermutlich werde ich das den Rest meines Lebens tun.

Da ich es bisher nicht eindeutig erwähnt habe, stelle ich an dieser Stelle nachträglich fest, dass ich in diesem Artikel einzig von meiner Prosa spreche, meine Lyrik also vorerst ausschließe aus diesem Gedankengang. Innerhalb der Lyrik stehe ich recht sicher, entwickele mich zwar immer weiter, doch suche nicht mehr aktiv, zweifle nicht mehr ständig, bin also unterwegs und angekommen – oder auch andersherum.

Ein weiterer Punkt, der letzte, der noch nicht erwähnt wurde, da er für mich offenbar zweitrangig zu sein scheint, wäre die Leserschaft und ihre Vorlieben. Es ist mir bewusst, dass ein zu komplexer Stil, zu wirre oder intellektuelle Ideen, vielleicht sogar zu ehrliches Elend – denn das wahre Elend ist immer weniger leicht zu ertragen und härter als ein künstliches, unpersönliches; man vergleiche einen abstürzenden Junky bei Welsh mit den kreischenden Massen bei Marvel – eine Menge Leser eher abschrecken. Doch verlangt meine Integrität und meine Arroganz, wenn es denn welche ist, wenigstens aber mein Stolz, meinen eigenen Weg ohne Rücksicht auf mögliche Verkaufszahlen und die Vorlieben einer Leserschaft, die eben einfach nicht die meine sein kann, zu gehen. Dieser Punkt ist also abgehakt.

Fehlen nur noch die Haken hinter allen anderen Punkten.