Sorck: 2. Buchgeburtstag

Blogeintrag zur Feier des 2. Buchgeburtstags des Romans “Sorck: Ein Reiseroman”

Inzwischen ist es zwei Jahre her, dass mein Debütroman Sorck: Ein Reiseroman veröffentlicht worden ist. Bereits zum ersten Buchgeburtstag hatte ich einen Blogartikel geschrieben. Hier möchte ich darüber nachdenken, wie ich heute zu meinem Buch stehe, wo ich allgemein stehe und wie es möglicherweise weitergehen soll.

Die Blogeinträge

Als ich Papierkrieg.Blog gestartet habe, ist eine der Grundideen gewesen, dass ich gern meine Gedanken über das Schreiben, über meine eigene Literatur und die von anderen teilen wollte. Inspiriert war ich von den Frankfurter Poetik-Vorlesungen. Da mir keine derartige Bühne zur Verfügung stand (und steht), sollte es ein Blog sein. Seitdem habe ich etwa 250 Blogartikel fertiggestellt und etwa 80 weitere nur begonnen. Ganz grob geschätzt habe ich inklusive Überarbeitungen etwa 220.000 Wörter für diesen Blog geschrieben. Derzeit sind 219 Artikel online, von denen (inklusive diesem hier) sich 40 mit dem Roman Sorck befassen. In 32 weiteren wird Sorck zumindest erwähnt. Über die Suchfunktion oder die Kategorien im Seitenmenü kann man alle Blogeinträge finden. Sie hier aufzulisten wäre wohl zu viel.

Vom Altern

Manche der Blogartikel zu Sorck würde ich so nicht mehr schreiben. Sofern die Diskrepanz zwischen dem Text und meiner aktuellen Einstellung zu groß ist, lösche ich auch Texte. Das ist mit den 31 Artikeln passiert, die in der Rechnung oben fehlen. Ein gedrucktes Buch kann man nicht mehr löschen. Das würde ich auch nicht wollen. Zwar spielt ein Teil von mir seit vielen Monaten mit der Idee, Sorck zu überarbeiten, aber im Grunde halte ich davon wenig. Ich bin nicht mehr der Autor, der ich damals war. Ich würde Sorck Unrecht tun, und schließlich bin ich noch immer stolz auf meinen Roman, trotz einiger Fehler und Unzulänglichkeiten.

Was würde ich denn anders machen? Nun, einige Figurendarstellungen würde ich ändern, einige Witzchen weglassen. Vielleicht würde ich die Touris anders schreiben. So, wie ich sie geschrieben habe und vor dem inneren Auge sehe, wären sie fast allesamt potenzielle Querdenker*innen. Das macht sie mir noch weniger sympathisch. Bevor ich ihnen (und mir) also etwas antue, lasse ich lieber die Finger davon.

Übrigens würde ich den Schreibstil so nicht mehr wählen oder hinkriegen. Oder? Ich bin mir nicht sicher. Wählen nicht, hinkriegen vielleicht.

Neuere Bücher

Ob man mir meine aktuelle Laune anmerkt, weiß ich nicht. Ich bin nicht in Feierstimmung, sondern denke an zwei Jahre ohne neuen Roman, anstatt den zweiten Geburtstag meines Romans zu feiern. Andererseits bin ich nicht gerade faul gewesen. [Kurzer Einschub: Ich bin ein zerfressener Mensch, der sich Siege schlecht eingestehen kann und sich ständig unter Druck setzt. Auch deshalb sind Texte wie dieser wichtig für mich, als Reflexion und Aufmunterung.] 250 Blogartikel, etliche Rezensionen fürs Buchensemble, Beiträge für Ausschreibungen (teils mit Erfolg, teils ohne), Geschichten für Nikas Erben, Podcastauftritte, Interviews, Newsletter und (neben einem richtigen Leben) auch noch drei weitere veröffentlichte Bücher: Alte Milch: Gedichte, Das Maurerdekolleté des Lebens, Erschütterungen. Dann Stille.. Es ist also nicht so, dass ich nichts veröffentlicht hätte, nur eben keine weiteren Romane.

Das wird sich allerdings ändern. Mein aktuelles Romanprojekt ist recht weit fortgeschritten. Ein möglicher zweiter Gedichtband ist ebenfalls in Planung. Allerdings werde ich versuchen, für zukünftige literarische Veröffentlichungen zuerst Verlage zu finden und erst dann als Selfpublisher aufzutreten. Eine Verlagsveröffentlichung würde mir sicherlich guttun. Einerseits interessiert mich die Zusammenarbeit mit Verlagsmenschen und andererseits erhoffe ich mir eine größere Reichweite.

Darf ich mir etwas wünschen?

Eigentlich hat ja mein Buch Geburtstag, aber darf ich mir dennoch etwas zum Geburtstag wünschen? (Mein eigener Geburtstag steht ja auch kurz bevor.) Ich würde mir wünschen, dass weder Sorck noch meine anderen Bücher in Vergessenheit geraten. Es ist nicht einfach, so viel Zeit für ein Werk aufzubringen, so viel Arbeit zu investieren, es kurz aufsteigen zu sehen, nur um dann zu beobachten, dass es immer weiter in die Vergessenheit sinkt. Zugegebenermaßen ist keines meiner Bücher je bekannt genug geworden, um wieder vergessen zu werden, aber hier und da gibt es eben doch Leser*innen, und die mochten Sorck fast immer. Und ja, natürlich, ich sollte mehr Werbung machen.

Neuer Plan

Als ich mit dem Schreiben ernsthaft angefangen hatte, also mein zweiter Start mit etwa 30, kannte ich keine Prokrastination oder Ermüdungserscheinungen. Heute sieht das anders aus. Ich musste feststellen, dass ich so viele Projekte habe, dass ich immer an etwas arbeiten könnte und dass ich verschiedene dieser Projekte gegeneinander ausgespielt habe. Mit Arbeit zu prokrastinieren, um eine andere Arbeit nicht machen zu müssen, ist schon eine Luxusversion. Dennoch habe ich nun einen Arbeitsplan aufgestellt, der genau das unterbinden soll. Weniger Lust-und-Laune-Aktionen, mehr Professionalität. So wird der neue Roman auch irgendwann fertig. Hoffen wir das Beste.

Erschütterungen. Dann Stille.: Alles auf einmal und alles für dich

Abschluss der Blogreihe zum Erzählband “Erschütterungen. Dann Stille.”

Den Titel dieses Blogeintrags habe ich, glaube ich, von der deutschen Synchronversion des Films The Crow geklaut. Wie dem auch sei, es ist vorbei. 29 Blogartikel über 29 Geschichten innerhalb von 102 Tagen + Extras, immer mittwochs und samstags (mit einer einzigen Ausnahme, weil das Filmtagebuch von März den Weg versperrte). Hier möchte ich noch einmal auf das Buch Erschütterungen. Dann Stille. blicken, auf die Arbeit an den Blogeinträgen und auf den Gewinn, den ich aus all dem ziehe.

Die Blogartikel für alle Geschichten + Extras

Mehr Blogartikel als verkaufte Bücher

Ja, da staunt man. Grundsätzlich schaue ich selten auf meine Verkaufszahlen, was 1. unklug und 2. reiner Selbstschutz ist. Dennoch gilt, dass ich so gut wie gar kein Geld in die Produktion von Erschütterungen. Dann Stille. investiert habe, sondern lediglich Stunden um Stunden konzentrierter Arbeit (und nicht zu vergessen: die Arbeit anderer, die so gut waren, mir zu helfen). Also nur Lebenszeit und Energie. Die Zeit kriege ich nicht wieder und das wenige Geld ist auch noch nicht wieder eingespielt worden. Trotzdem ist die Überschrift des Absatzes überspitzt, denn mehr als 29 Bücher habe ich dann doch verhökern können. Ich frage mich gerade, ob nur Leser*innen, die das Buch gelesen haben, auch die Blogartikel lesen, oder ob sich so manche*r die Artikel ohne die Geschichten durchliest, um … wer weiß? Mir wäre auch das recht.

Das fette Warum

Warum schreibe ich die Artikel der Blogreihe und jene Texte über Sorck, Alte Milch oder Das Maurerdekolleté des Lebens? Für Werbung allein wäre es schon eine Menge Arbeit. Es geht mir um mehr. Das Grundkonzept des Blogs geht auf die Faszination mit Werkstattblicken und Poetiken anderer Autor*innen, z.B. in den Frankfurter Poetik-Vorlesungen, zurück. So viele faszinierende Gedanken und Informationen. Das wollte ich auch tun. Fraglos steckt da auch Arroganz drin, oder sagen wir besser: Stolz. Ein Grund für Blogreihen wie die zu Erschütterungen. Dann Stille. ist ganz klar, dass ich zeige: Seht her! Das habe ich gemacht. So viel Arbeit steckt drin. Und ich finde, das ist gerechtfertigt, ganz besonders in Anbetracht der Leser*innen, die sich bei mir melden und mir sagen, dass sie viele Details in den Geschichten nicht erkannt hatten und sich gerade deshalb sehr über die Artikel freuten. Sie ändern noch einmal die Perspektive auf das Werk. Eine Art Wiederbelebung.

Was ich von mir selbst lernen kann

Oder über mich? Wie es mit dem Schreiben so ist, erkennt man häufig erst, was man tut, wenn man es getan hat, oder während man es tut. Das gilt auch für Blogartikel. In all meinen Texten steckt viel Gedankenarbeit, die größtenteils vor dem Schreiben stattfindet, teilweise dabei und dann wieder in großen Portionen danach, das heißt vor der Überarbeitung. Trotzdem erkenne ich manchmal nicht, warum eine Geschichte oder ein Part besonders gut funktioniert, nur dass er funktioniert. Dann schreibe ich später einen Blogeintrag darüber und plötzlich wird es mir klar. Nicht nur mit Schreibtechniken, die ich verinnerlicht habe, funktioniert das, sondern auch mit Hintergrundgedanken und manchmal mit Bezügen zu meinem Leben. Ich entdecke mich manchmal nachträglich in Texten und an Stellen, an denen ich mich nicht bewusst eingeschrieben hatte. Ich lerne durch das Nachdenken über meine Texte in Form weiterer Texte, wie ich schreibe, was mir beim Schreiben passiert (zustößt?), dass ich mich niemals darauf verlassen kann, nicht als Person in den Text zu rutschen, und ich lerne, wie tief manche noch so weit im Raum der Abgedrehtheit schwebende Idee doch in mir verwurzelt sein kann.

But wait, there’s more

Während ich Geschichten schreibe, denke ich hauptsächlich darüber nach, was ich sagen möchte. Beim Schreiben über das Schreiben denke ich auch darüber nach, aber nur nebenbei, und frage mich mehr, was bei den Leser*innen ankommen könnte. Beim Lesen ist es letztendlich egal, was der*die Autor*in aussagt, und entscheidend, was verstanden, herausgelesen, interpretiert wird. Jede*r geht mit einer ganz eigenen Erfahrungswelt an ein Buch heran, das wiederum Widerspiegelung einer Erfahrungswelt ist. Deshalb können gesendete und empfangene Botschaft niemals übereinstimmen – wie auch in jedweder anderen Kommunikation.

Gehe ich also an die eigenen Texte heran und frage mich, welche Lesarten möglich sein könnten, welche Interpretationen und Gedanken sie erlauben oder fördern, lerne ich, mich selbst auf Fehler und Unklarheiten hinzuweisen. Beispielsweise habe ich im Text zu Bad Luck II über die Unmoral des Protagonisten nachgedacht und in dem zu Caspars Schiffe, der zwar früher veröffentlicht, aber später geschrieben worden ist, musste ich feststellen, dass man mit dem selben Gedankengang die Hauptfigur und ihre Integrität schnell infrage stellen kann. Im Nachhinein kann ich an den Veröffentlichungen nichts mehr ändern, könnte höchstens neue Auflagen herstellen. Aber davon halte ich wenig. Lieber lerne ich für die Zukunft. (Ginge es hier um krasse Fehler oder Unklarheiten, die ganz bitter missverstanden werden könnten, sähe das anders aus.) Auch so werde ich aufmerksamer, sensibler, besser.

Neue Lesarten von Geschichten, die ich bereits geschrieben habe, zu entdecken, lehrt mich auch, weitere Ebenen und Lesarten in zukünftige Geschichten einzubringen. Das rede ich mir jedenfalls ein.

Rezensionen?

Wie wohl die Beziehung ist zwischen dem genauen Lesen fremder Texte, das man mir nachsagt und das man in Rezensionen erkennen kann, und dem Nachdenken (Nachlesen?) eigener Texte? Lese ich fremde Texte so genau, weil ich auf meine Texte so sehr achte, oder achte ich auf meine auf diese Weise, weil ich fremde so lese?

Ich glaube, es hat etwas mit Bedeutungen zu tun. Ich kann es nicht akzeptieren, dass Aussagen und Details in Filmen, Büchern, Songs, Geschriebenem und Gesprochenem keine Bedeutung haben sollen, und wenn es diese Bedeutungen gibt, lohnt es sich immer, sie zu finden. Zu begreifen, was anderen bedeutsam genug erscheint, um es öffentlich zu verstecken, verspricht, die eigene Sicht auf die Welt zu bereichern. Damit läuft man zwar auch Gefahr, ungewollt Ausgesagtes schneller zu entdecken (entlarven?), aber das ist wohl kaum etwas Schlechtes.

Mehr Kurzprosa?

Es wird da draußen einige Leser*innen geben, die Erschütterungen. Dann Stille. gelesen haben und sich gefragt haben werden, woher sie weitere Kurzgeschichten und Erzählungen von mir bekommen könnten, hoffe ich. Es gibt tatsächlich mehrere Wege. In der noch 2021 erscheinenden Anthologie von Nikas Erben wird es zwei Geschichten von mir geben, über die ich auch wieder nachträglich nach-denken und schreiben werde. Außerdem soll eine meiner Geschichten in der Anthologie von Magret Kindermann erscheinen. Ende 2020 ist dann noch der Text Ich rezensiere mich im Syltse Magazin erschienen. Ich werde weiterhin neben Lyrik und Romanen auch Kurzprosa schreiben, an Ausschreibungen teilnehmen und schließlich ausreichend Material für weitere Kurzgeschichtenbände gesammelt haben. Aufhören werde ich nicht. Niemals. This is what I do.