Jahresrückblick 2020: Musik

Musikalischer Jahresrückblick 2020.

Zu meiner großen Enttäuschung steht das Jahr 2020 im Zeichen einer globalen Pandemie, und das ist keine gute Voraussetzung für Konzerte. Stattdessen bin ich (noch) häufiger zuhause geblieben. Um dabei nicht (noch mehr) durchzudrehen, habe ich mir alte und neue Musik gesucht und empfehlen lassen. In diesem Jahresrückblick soll es um also um Songs und Alben gehen, die mein Jahr 2020 geprägt haben.

Alter Bestand

Die Bands, die ich 2019 gerne gehört habe und im musikalischen Jahresrückblick beschrieben habe, sowie jene, die ich auch vorher schon gehört habe, waren natürlich weiterhin Bestandteil des Musikrepertoires des Jahres 2020. Dazu zählen Genres wie Metal, Stoner, Sludge, Doom, ein wenig Punk, 70s Prog Rock, 60s Rock, Post Punk, Post Hardcore, Post Thrash, etwas Pop, etwas mehr Blues, Country, Western, Bluegrass, und ein kleines bisschen elektronische Musik. Wer sich generell für meinen Musikgeschmack interessiert, sollte im Klappmenü oder auf der Überblicksseite schauen. Nun weiter zum Jahr 2020 und seinen Einflüssen.

Workoutmusik

Üblicherweise trainiere ich zu einer Playlist aus hartem Metal, Hardcore und Punk. Aber in diesem Jahr habe ich festgestellt, dass ausgerechnet Happy Hardcore nochmal etwas mehr Leistung herauskitzeln kann. Das mag an der gebesserten Laune und der Nostalgie liegen oder an der Geschwindigkeit, aber es wirkt. Ob nun Charly Lownoise & Mental Theo, Dune oder Scooter, das kitschige Technogeballer hat mich zu neuen Höchstleistungen bewegt. Lieblingsmomente sind dann beispielsweise, wenn H.P. Baxxter I want to see you sweat ruft, während man ohnehin aus allen Poren schwitzt.

Dunkle Nostalgie

Happy Hardcore hatte ich hauptsächlich in meinen späten Kinder- oder frühen Teenagerjahren gehört: Mitte/Ende der 1990er. Etwas später war eine Goth-Phase angesagt. Vor einigen Jahren habe ich glücklicherweise einige Bands aus der Richtung für mich wiederentdeckt (Type O Negative, HIM, The 69 Eyes etc.). 2020 hatte ich dann erneut einen Goth-Lustschub, der bedient werden wollte. Dank meiner Kollegin Nika Sachs habe ich Kirlian Camera gefunden, die mir peinlicherweise zuvor unbekannt gewesen ist. Passenderweise – manche von euch werden wissen warum – habe ich im gleichen Zug auch wieder das Album Rebirth von Mechanical Moth zu hören begonnen. Schließlich habe ich mich der Vorband einer Vorband eines Konzertes des Jahres 2002 erinnert: Charon. Wikipedia erzählt mir, dass ich diese Band am 22.08.2002 gesehen haben muss, zusammen mit After Forever und Nightwish. Damals war ich gerade süße 17 Jahre alt. Gerade Charons Album Downhearted, das sie auf der Tour 2002 vorgestellt haben, lief 2020 wieder häufig bei mir.

Ganz neu (für mich)

2020 ist auch das Jahr guter Online-Musikempfehlungen gewesen. 4 davon werde ich vorstellen. Auf Twitter ist mir die Band Skott empfohlen worden. Einfühlsame Elektrotöne waren zuvor nie wirklich mein Ding. Doch manche Songs haben es mir angetan. Ganz vorne dabei sind Mermaid und Midas.

Ebenfalls elektronisch und doch ganz anders kommen Aesthetic Perfection daher. Eine schöne Mischung aus angeschmuddelter Verzweiflung und Musik, zu der man wunderbar strippen könnte. Wer möchte traurig in einem Käfig tanzen? Bitte hinten anstellen!

Weiter geht es mit Brutus. Diese Musikempfehlung ist eine von vielen, die ich von einer ganz besonders musikbegeisterten Person erhalten habe. Den Song War habe ich zuerst gehört und noch immer zählt er zu meinen Lieblingssongs von Brutus. Es ist wohl die Mischung aus Gefühl, Post-Irgendwas-Atmosphäre und Black Metal-artigem Brett, das mich überzeugt. Ich mag diese traurig-halbverzweifelten Gewaltlandschaften, die mich an Wutbesäufnisse in dreckigen Bars und gierige Küsse voller Hass, Abneigung und Leidenschaft erinnern. Zu empfehlen sind eigentlich alle Alben, aber müsste ich mich festlegen, würde ich Nest den Vorzug geben. Hört rein, legt los, geht mit!

Die vermutlich ungewöhnlichste Musikverliebung 2020 für mich ist Billie Eilish. Rein klanglich hauen mich die Bässe um. Aber auch textlich sind viele Songs ausgesprochen gut. Die Mischung macht’s bekanntlich. Bury a Friend ist ein gutes Beispiel für das, was ich an dieser Musik liebe. Es ist ein tanzbarer Song mit herrlichem Basssound (ich empfehle Kopfhörer oder eine dicke Anlage!), aber gleichzeitig haben die Lyrics einige zerstörerisch deprimierende Parts, allen voran die perfekte platzierte Zeile I wanna end me. Der Song Bury a Friend ist mein Songfavorit 2020. Ich hatte 2020 einige psychotisch-lange Ohrwurmnächte dank Billie Eilish und musste zeitweise aufhören, ihre Musik zu hören, um sie aus dem Kopf zu kriegen. Dennoch bin ich sehr froh, dass mir auch diese Künstlerin empfohlen worden ist. Danke an dieser Stelle an DuWeißtWerDuBist.

Kurz vor Ende noch mehr

Im Dezember sind noch weitere Entdeckungen hinzugekommen, die eigentlich keinesfalls neu sind. Ich habe endlich angefangen, Limp Bizkit, Linkin Park und Korn zu hören und zu würdigen. Irgendwelche diffusen und unbegründeten Abneigungen hatten mich jahrelang davon abgehalten. Endlich habe ich meine Feier-Palette wieder erweitern und Vorurteile abbauen können. Success!

Schließlich wurde ich noch an ein Album erinnert, das ich als Teenager besessen hatte und das einige großartige Songs enthält: The Score von Fugees. Neben (natürlich) Killing Me Softly und Ready or Not stehe ich sehr auf das Cover von No Woman, No Cry.

Fazit

Dieses Jahr ist nicht gut gewesen. Konzentriere ich mich allerdings rein auf die Musik, freue ich mich. Einige der Neu- und Wiederentdeckungen werden für lange Zeit zum Kunstschatz meiner Playlists zählen. Andere haben mir immerhin eine Weile viel Freude gemacht und werden es vielleicht hin und wieder erneut tun. Danke für die Empfehlungen!

Wie meine Texte klingen

Über Musik, die klingt, wie sich meine Texte für mich anfühlen.

Am 21.10.2020 durfte ich zu Gast sein beim Podcast Buch und Bühne (Spotify | Apple Podcasts | Anchor) des Thriller-Autors S.D.Foik: Der Krieg des Autors mit der leeren Seite. Vorab hatte er mir angekündigt, dass ich ein Musik-Ranking zu einem passenden Thema aufzustellen hätte. Ich habe mich für „Alben, die wie meine Texte klingen“ entschieden. Da ich nur 5 Alben nennen durfte, sehe ich mich gezwungen, ergänzend diesen Artikel zu verfassen.

Alben, die wie meine Texte klingen

  • Eels: Blinking Lights and Other Revelations | Song: Ugly Love
  • Battle of Mice: A Day of Nights | Song: Bones In The Water
  • Tom Waits: Small Change | Song: The Piano Has Been Drinking
  • Igorrr: Savage Sinusoid | Song: Probleme d’Emotion
  • Dopethrone: Hochelaga | Song: Sludgekicker

Wie im eingebetteten Tweet oben zu sehen, verbinde ich Musik und Bücher im Kopf mit Farben (und manchmal mit räumlichen Dimensionen). Eindrücke sind verwoben. Deshalb klingen die 5 Alben oder viele Songs davon für mich tatsächlich wie Texte von mir, beziehungsweise sehen so aus. Das trifft allerdings auch auf andere Songs zu. Deshalb hatte ich mich hingesetzt und überlegt, welche Aspekte ich unterbringen wollte. Folgende Liste kam dabei herum:

  • Traurig
  • Versoffen
  • Verzweifelt
  • Dreckig
  • Mit Humor
  • Verdreht/Weird

So sehe ich meine Gedichte und Geschichten. Sie tragen alle mindestens einen der Aspekte, meist mehrere in sich. Traurig auf verschiedenen Levels sind auch alle 5 Beispielsongs der Alben, versoffen klingen besonders The Piano Has Been Drinking und Sludge Kicker, verzweifelt wäre definitiv Bones In The Water (die Schreie kriegen mich jedes Mal), dreckig ist erneut Dopethrone, humorig Tom Waits und weird ist wohl die passendste Beschreibung für alle Tracks von Igorrr.

Subjektivität

Vermutlich nehme ich Texte als auch Musik anders wahr als andere. Sicherlich sogar. Dadurch, dass ich extremere Genres zu hören gewohnt bin, lösen die 5 Songs möglicherweise nicht das in mir aus, was sie in anderen auslösen (oder umgekehrt). Das ist mir klar, weshalb ich die Erklärung sowie den doppelten Ansatz (Gefühl und Aussagenliste) für nötig gehalten habe.

Enge Konkurrenz

Von allen 5 Künstler*innen(-gruppen) gäbe es noch weitere Beispielsongs und Alben, die ich hätte wählen können. Außerdem gab es auch noch enge Konkurrenz mit anderen Interpret*innen und Bands. Platz 5 beispielsweise ist nur sehr knapp nicht an Saint Vitus mit I Bleed Black gegangen. Da fehlte mir ein wenig der „dreckig“-Aspekt. Anstelle von Ugly Love hätte beinahe Not In Love von Crystal Castles gestanden. Außerdem wurden A Solitary Reign von Amenra, Stress Builds Character von Dystopia und Bleed Me An Ocean von Acid Bath aus der Liste verdrängt. Sie hätten alle eine Erwähnung verdient. In einer 10er-Liste wären sie aufgetaucht.

Andere Listen

Zwei weitere Listen waren optional angedacht, aber nie vollständig ausgearbeitet worden. Songs, die mich aktiv zu Texten inspiriert haben, wären Sad Eyes und Not In Love von Crystal Castles. Beide liefen auf Repeat, während ich die Geschichte Not In Love für den neuen kommenden Erzählband geschrieben habe.

Eine Liste mit großartigen Tracks, die entweder von Literatur beeinflusst worden sind oder selbst als Spoken Word Tracks literarische Qualitäten besitzen, sollte niemandem vorenthalten werden. Vielleicht arbeite ich diese noch vollständig aus. Bisher habe ich:

  • John Doran: Hubris (Album; Spoken Word Tracks)
  • Santana: Abraxas (Album; inspiriert von Hermann Hesses Demian)
  • Tom Waits: What’s He Building? (Track auf Mule Variations)
  • Clutch: Release The Kraken (Track auf Jam Room; inspiriert von griechischer Mythologie)

Musik in Sorck

Im Roman Sorck tauchen ebenfalls einige Songs und Bandnamen auf, besonders in der Bar-Szene, als Martin Sorck Eduardo kennenlernt. Martin will zu Bohemian Rhapsody von Queen abgehen, während die Prollo-Urlauber Schlager fordern. Monday Monday von The Mamas And The Papas wird als Kompromiss gespielt. Später wird Martin verwöhnt mit Black Sabbath, Led Zeppelin und sogar Slayer. Nicht viel später hören wir die wummernden Bässe einer Techno-Party andernorts.

Gegenseitige Inspiration

Dass Autor*innen und deren Arbeit andere Autor*innen inspirieren, ist logisch. Eben so logisch ist es eigentlich, dass sämtliche Künste sich gegenseitig beeinflussen und inspirieren. Schon immer hat es Musik zu Texten und umgekehrt gegeben, Skulpturen von literarischen Figuren und Bilder natürlich auch. Auch wenn ich leider keine Musik machen und auch nicht zeichnen/malen kann, genieße ich diese und andere Künste mit voller Kraft. Das merkt man meinen Texten immer wieder an und mit Sicherheit auch meinem Auftritt im Podcast „Buch und Bühne“ von S.D.Foik.

The Tallest Man On Earth

Über die Musik von The Tallest Man On Earth.

Man kennt mich eher als Fan von harter oder trauriger Musik und doch, es gibt auch andere. Ein Künstler, den ich gerne höre, wenn es mir gut geht, wenn ich entspannt bin oder ruhigere Töne brauche, ist The Tallest Man On Earth.

Es gibt ein Gefühl, das ich nur beim Hören dieser Musik habe und das sich aus Nostalgie, Melancholie und Glück zusammensetzt. Diese wunderbare Laune, in der man singt und summt, sich leicht bewegt und in Erinnerungen von kurzen Verliebtheiten schwelgt.

Es muss fast über 10 Jahre her sein, als ich jemanden kennenlernte, mit dem ich heute keinen Kontakt mehr habe, denn diese Person gehörte eben in die Zeit damals und nicht ins Heute. Sie zeigte mir ein paar Songs von The Tallest Man On Earth: King of Spain und Where Do My Bluebird Fly. Es waren Live-Aufnahmen. Mich erinnerten sie (vielleicht wegen der etwas näselnden Stimme?) an Bob Dylan, aber frischer, aktiver, wacher. Seitdem höre ich diese Musik.

Seit etwa zwei Wochen höre ich das Album I Love You. It’s A Fever Dream. von 2019 regelmäßig durch, manchmal drei- oder viermal am Tag. Es klingt anders als die ersten Alben, erwachsener, ein wenig trauriger, aber wirklich schön. Wieder kommt der Vergleich mit Dylan, denn auch dieser hatte damals den Sprung von Musik, die nur auf Stimme und Gitarre basierte, zu elektrisch oder sogar orchestral unterstützter Musik. Das erste Album dieser Art, Dark Bird Is Home, gefällt mir als einziges Album weniger gut. Aber so etwas passiert. Vier Alben ohne schwache Songs und dazu mehrere Singles und EPs stellt für mich eine große Leistung dar.

Zu meinem großen Glück habe ich The Tallest Man On Earth mehrmals live sehen können. Nur einmal stand er mit Band auf der Bühne, ansonsten immer allein. Das letzte Konzert in Konzerthaus Dortmund: Eine Bühne, auf der ich einmal ein doppeltes Orchester mit fast 80 Leuten habe spielen sehen, für ihn allein, für seine Gitarren und einen Flügel. Seine Präsenz reicht aus. Er gehört zu den Menschen, die mich bewegen, wenn sie nur sind, wie sie sind. Etwas verrückt, immer etwas melancholisch – mit Tränen in den Augen und der Stimme, als er wegen des Todes von Aretha Franklin kurz vorher einen Song von ihr sang – und niemals auch nur für einen Moment langweilig oder nicht voll präsent.

Während ich diesen Text verfasse, höre ich (eigentlich viel zu laut) die passende Musik und unterbreche ständig, um zu singen. Gerade läuft The Gardener, eines meiner Lieblingslieder von ihm. Was sollte noch in einen solchen Text? Bringen euch meine Schwärmereien etwas? Statt Unfug oder weitere Begeisterung zu verbreiten, gebe ich euch lieber eine kurze Liste von Songs, die ich (neben fast allen anderen) empfehlen würde, um mal reinzuhören:

The Gardener
King of Spain
Little Brother
All I Can Keep Is Now
Alle anderen.

Kanntet ihr The Tallest Man On Earth bereits? Wenn ihr jetzt erst reinhört: Was meint ihr? Verliebt ihr euch gerade in die Musik?

Coversongs

Über Coversongs, die besser sind als das Original.

Im Blogeintrag über die Band Grantig habe ich deren Cover vom Ton Steine Scherben Song Warum geht es mir so dreckig? erwähnt. In der Folgezeit sind mir mehr und mehr Coversongs in meiner üblichen Playlist aufgefallen, von denen einige signifikante Bedeutung für meine Hörgewohnheiten hatten. Hier möchte ich über einige gelungene Coversongs schreiben. Aufgrund meines persönlichen Geschmacks sind die Genres Rock und Metal verstärkt vertreten, aber nicht ausschließlich.

Ich erinnere mich vage an eine Nacht als Teenager, ich war vielleicht betrunken, stoned, deprimiert oder alles zusammen, mit Sicherheit deprimiert, und hing vor dem Fernseher. Da nichts Besseres lief, schaltete ich MTV ein und da begegnete ich zum allerersten Mal Johnny Cash. Ein alter Mann, der mit beinahe gebrochener Stimme sein Lied mit I hurt myself today begann. Hurt ist bekanntlich im Original von Nine Inch Nails, doch damals war mir das eben noch nicht bekannt. Ich hatte mir sofort aufgeschrieben, wie der Song hieß, kurz darauf das passende Album gekauft und habe nie wieder aufgehört, Johnny Cash zu hören. Ich glaube, seine Songs wurden selbst auch etliche Male gecovert. Ein anderer Country-Sänger, dessen Songs häufig neu aufgenommen worden sind, ist Towns Van Zandt. Bei weitem nicht alles von ihm mag ich, aber einiges dafür sehr und ebenfalls einige Cover. Ganz vorn in diesem Bereich wäre wohl Colter Walls Version von Snake Mountain Blues. Nothin’ hat er ebenfalls neu eingespielt, genauso wie Wino (dem ehemaligen Sänger von Saint Vitus) es auf dem Album Songs Of Towns Van Zandt es tat, zusammen mit Scott Kelly und Steve Von Till. Für Fans langsamer, trauriger Musik wäre das vielleicht etwas.

Als Frontmann von Saint Vitus hat Scott „Wino“ Weinrich außerdem 1987 einen weit weniger ruhigen Song gecovert: Thirsty and Miserable von Black Flag. Die rohe Ehrlichkeit dieses Punksongs über Alkoholismus hat mich immer gepackt und verkörpert recht gut die Paradoxie der Szene, die Saint Vitus mitbegründen und prägen sollten. Lieder über Drogenmissbrauch, Abstürze, Alkoholismus und Depression, zu denen Bands wie Fans betrunken und high feiern. Diesen inneren Widerspruch empfand ich immer als faszinierend, auch und weil ich mich nie ausschließen konnte.

Kommen wir zu einer meiner Lieblingsbands: Crowbar. Crowbar haben im Laufe der Zeit gleich zwei großartige Coversongs aufgenommen. Ihre Umsetzung von Dream Weaver (im Original von Gary Wright) auf dem Album Equilibrium ändert die Bedeutung des Songs, der nicht mehr seicht und hoffnungsvoll I believe you can get me through the night daherschalmeit, sondern es verzweifelt und hart herausballert, was völlig anders wirkt. Einen ähnlichen Effekt hat ihr Cover des Led Zeppelin Songs No Quarter, den Crowbar auf ihrem Selftitled Album veröffentlicht haben. Zu diesem Lied habe ich eine persönliche Geschichte. Ein guter Freund, der leider inzwischen verstorben ist, brachte zu gemeinsamen Kiffabenden eine CD mit, auf der etwa 15 Tracks waren. Ein Gutteil davon bildeten im Laufe der Zeit die Grundlage meines Musikgeschmacks. Einer dieser Tracks war No Quarter in der Version von Crowbar.

Wenn wir schon bei Led Zeppelin sind, müssen wir unbedingt über Black Sabbath sprechen. Ich kenne keine Band, die so häufig gecovert worden ist wie Black Sabbath, ob nun von Pantera, Exhorder, Type O Negative oder wem auch immer. Meine zwei Favoriten sind jedoch einmal Goatsnake mit Who Are You (wegen des zerschmetternd traurigen Streicher-Breaks) und Charles Bradley mit Changes, der es geschafft hat, einen altbekannten Sabbath-Song völlig neu zu interpretieren.

Erheblich weniger bekannt als alle bisher genannten ist heutzutage leider Screamin’ Jay Hawkins, das Original jedweder Schockrocker-Pose. Vermutlich kennt man ihn besser durch Songs, die gecovert wurden. Allen voran tippe ich auf I Put A Spell On You, der unter anderem von Creedence Clearwater Revival und Marilyn Manson nachgesungen worden ist. Alle drei Versionen mag ich sehr gern, weil sie sehr unterschiedlich sind.

Weiter oben habe ich beschrieben, wie ich über Hurt zu Johnny Cash gekommen bin. Von der Band Oceans of Slumber habe ich ebenfalls zuerst ein Lied gehört, das im Original nicht von ihnen stammt: Solitude. In diesem Fall kann ich sagen, dass das Cover das Original von Candlemass verbessert hat. Es gibt noch weitere schöne Cover von Oceans of Slumber. Für gelungen halte ich beispielsweise Nights In White Satin, wobei ich das Original von The Moody Blues auch immer geliebt habe.

Abschließend möchte ich noch auf eines meiner absoluten Lieblingscover hinweisen, das wegen des Vortrags genial ist. Obwohl wiederum durch das Cover von Sinéad O’Connor damals bekannt geworden, ist Nothing Compares 2 U im Original von Prince. Aber mir geht es um eine weitere Version. Auf Youtube findet man den Song live gesungen von Chris Cornell und ich werde den Song einfach mal anhängen. Ich denke, er spricht für sich selbst:

Kombination aus Erfahrungen und Gedanken

Über Selbsterkenntnisse, Musik und ein Buch von Hans-Joachim Maaz.

In der Suche nach Erkenntnis geht es immer um das große Ganze, auch wenn man bloß Teilaspekte untersucht oder zu untersuchen meint. Manchmal kommt man nicht weiter, ohne größere Zusammenhänge einzubeziehen, oder man stößt auf etwas, das Verbindungen herstellt und plötzlich alles deutlicher macht. Letzteres ist mir gewissermaßen passiert, als ich das Buch Das falsche Leben von Hans-Joachim Maaz gelesen habe. Daher ist dieser Beitrag entweder für Leser*innen, die regelmäßig meine Einträge verfolgen, oder für Personen, die bereit sind, etwas mehr zu lesen, damit der Gesamtzusammenhang deutlicher wird. Im Grunde könnte man für mein heutiges Vorhaben alle bisherigen Beiträge zu Rate ziehen, aber ich werde mich der Einfachheit halber auf 4 konzentrieren.

Im Eintrag Eine Erfahrung zwischen Schmerz und Glück habe ich den Besuch des Konzerts der Band Dopethrone und meine Gefühle und Eindrücke dabei beschrieben. Ihr erinnert euch? Es ging um die Gefühle, die durch die Musik zutage traten und mich wie eine Welle überschwemmten, um sich dann körperlich zu entladen. Eine Befreiung, die ich sonst selten erlebe. Auch der Blogeintrag Slipknot und die Wahrheit über aggressive Musik behandelt die Wirkung und Notwendigkeit selbiger von Musik, um Emotionen ausleben zu können und sich in der Kunst anderer wiederzuerkennen. Dazu passt folgendes Zitat von Maaz:

Die anerzogene Gefühlsunterdrückung mit der Akzeptanz der Gefühlsbeherrschung ist als Wegbereiter für viele Erkrankungen verhängnisvoll, lässt aber andererseits nach Ersatzwegen der Gefühlsentladung suchen. So benutzen wir Musik, Filme, Bücher, Kulturevents, Sport und Nachrichten, um Gelegenheiten für Gefühlsanregungen zu finden, auf die wir unsere verborgenen und aufgestauten Gefühle aufsatteln können. Wir lassen uns emotional Huckepack nehmen. Sportereignisse, vor allem Fußball, die hysterische Verehrung von Stars auf der Bühne, das Lachen im Kabarett, die Trauer beim Tod von Prominenten, die Empörung über Vorgesetzte und Politiker sind insofern Ersatzgefühle, als der Fühlende nicht unmittelbar betroffen ist, sondern nur per Projektion. Über die verehrte Person oder das besondere Ereignis werden Gefühlsreaktionen animiert, die dann öffentlich auch toleriert werden oder sogar erwünscht sind.

[…]

Nur wenn man den Transportcharakter dieser Sekundargefühle erkennt, werden auch die heftigen Begeisterungsstürme, das hysterische Schreien oder eine abgrundtiefe Trauer ohne wirkliche persönliche Betroffenheit als bemühte Befreiung aus einem Gefühlsstau verständlich.

Das Moshpit-Regelwerk geht in eine ähnliche Richtung, auch wenn sich der Text auf die allgemeinen Abläufe und Vorkommnisse auf Metal- und Punk-Konzerten konzentriert, und nimmt auf die Gruppendynamik derartiger Events Bezug. Passend dazu folgendes Zitat:

In der Freizeit wird die Gefühlsanregung auch in der Gemeinschaft gesucht, um sich durch andere und die Sozialenergie der Gruppe emotional beleben und mitnehmen zu lassen.

Dass ich ein derartiges Ausleben von Gefühlen oder Sekundargefühlen häufiger nötig habe und doch wieder zum unentspannten Alltagszustand zurückkehre, das heißt, meine Gefühle oder deren Anstauung nicht tatsächlich auslebe und abreagiere, trifft Maaz folgendermaßen auf den Kopf:

Das Besondere an diesen Ersatzgefühlen ist, dass sie zwar auch Entlastung unterstützen, aber keine Erkenntnis über die wirklichen seelischen Prozesse befördern und damit auch keine befreiende Wirkung aus innerster Anspannung ermöglichen. Wie bei allen Ersatzerfüllungen dominiert bald wieder innere Spannung, die nach nächsten Events suchen lässt.

Hier kommt das große Aber beziehungsweise meine Hoffnung und eine Bestätigung, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Im Beitrag Die ständige Suche nach dem Warum gehe ich darauf ein, warum ich blogge oder warum ich die Themen wähle, die ich wähle, warum ich überhaupt nachfrage und in mich horche. Ich suche aktiv die Erkenntnis über die wirklichen seelischen Prozesse und Lösungen für fehlerhaftes, ungesundes oder unangenehmes Verhalten, also nach Wegen, um die innere Spannung zu reduzieren.

Diese Suche, die auch die Lektüre von Das falsche Leben beinhaltete, hat nun zur Zusammenführung mehrerer Erfahrungen geführt, die ich ohne ihre mühseligen Teilschritte nicht erlangt hätte. Ich weiß nun, dass ich daran zu arbeiten habe, meine wahren Gefühle zu entdecken, zu erreichen und sie auszudrücken, dass die Gefühle, die beispielsweise bei Konzerten zutage treten, nicht zwangsläufig die echten sein müssen, aber einen Einblick gewähren in Sphären, die ich sonst schwer oder gar nicht erreiche, und wie es sich anfühlen kann, wenn man Zufriedenheit und Ausgeglichenheit durch den Abbau eines Gefühlsstaus (s. den Dopethrone-Bericht) erreicht. Es geht also mal wieder um Selbstfindung oder echtes Leben, wie Maaz es nennen würde. Nach Maaz fühlt sich ein Kontakt zu den echten Gefühlen ungefähr (und sehr grob zusammengefasst) so an, wie ich es in Eine Erfahrung zwischen Schmerz und Glück beschreibe: Unannehmlichkeit – Gefühlsausbruch (auch und gerade körperlich) – Entspannung. Das sehe ich als Erfolg für mich an. Ein bisschen Verklemmung weniger – Hurra!

Zum Abschluss etwas Klärung, damit es nicht so klingt, als hätte das angesprochene Buch alle Weisheiten der Welt in sich versammelt oder als sei es frei von Kritik zu betrachten. Die Psychoanalyse hat meiner Meinung nach die Schwäche, dass sie droht, in Interpretationen und Zuschreibungen zu weit zu gehen (bis in Ebenen, die einfach nicht mehr beweisbar sind), und dadurch gelegentlich Gefahr läuft, wie Esoterik zu klingen beziehungsweise die Grenzen zu unsachlichen Behauptungen und Methoden überschreitet. Manche Feststellungen der Psychoanalyse werden für mich immer fragwürdig klingen, auch wenn Maaz’ Buch sehr sachlich geschrieben ist. Auch dürften sich manche Leser*innen an Begriffen wie Mütterlichkeit und Väterlichkeit stoßen (wobei er anmerkt, dass Frauen die väterliche Rolle und Männer die mütterliche Rolle übernehmen können) oder an seiner Kritik zu liberaler und zu kritikfeindlicher Einstellung. Es ist kein perfektes Buch, wie gesagt. Die sachliche Richtigkeit kann ich schlicht nicht überprüfen. Doch für mich ist der Wert eines Buches auch und besonders daran bemessen, was es mir an Denkvorlagen liefert – und dafür können auch hanebüchene Behauptungen oder völlig überholte religiöse und philosophische Konzepte dienen. Sollte also entgegen jeder Wahrscheinlichkeit jede These im Buch falsch sein oder nur auf mich zutreffen, hätte ich dennoch Erkenntnisse daraus gezogen und das ist, was für mich in diesem Fall zählt.

Jahresrückblick II: Musik II (live)

Über besuchte Konzerte 2019.

Es ist eine Sache, Musik in der Bequemlichkeit der eigenen Wohnung zu hören, und eine andere, sich einem Live-Konzert auszusetzen. Im Bestfall wird dort alles intensiver und neue Aspekte des Musikgenusses kommen hinzu. Man hört Bands nach einem Konzert anders als noch zuvor. Diese Erfahrung habe ich häufig gemacht. Auch 2019 habe ich wieder mehrere Konzerte besucht und möchte von einigen berichten. Der Einfachheit halber habe ich meinen Terminkalender zur Hilfe genommen und gehe chronologisch vor.

Wir starten im Februar. Am 17. spielte John Garcia mit seiner Band of Gold im Helios 37 und am 18. waren Amenra im Junkyard. Unterschiedlicher können Konzerte kaum sein. John Garcia macht Party und sieht dabei nicht selten aus, als stünde er kurz vor einem Herzinfarkt. Es wurden einige Songs vom damals neuen Album gespielt, aber hauptsächlich welche von seinem erheblich bekannteren Projekt Kyuss. Ich hatte leider nie die Gelegenheit, Kyuss live zu sehen, aber ab und zu touren die ehemaligen Bandmitglieder mit neuen Bands und spielen die alten Songs. Dann geht es richtig ab. Es wird getanzt und gemosht und mitgesungen. Absolut geil.

Am nächsten Tag stand dann Amenra auf dem Programm. Konzerte von Amenra sind wie Messen. Die Musik trägt einen in andere Sphären, in denen sich die meisten Menschen furchtbar unwohl fühlen würden, die aber interessant sind und schön auf ihre Weise. Solche Konzerte hinterlassen bei mir keine bildlichen Erinnerungen, sondern nur Gefühle und Farben, losgelöst von Dinglichkeit. Man schwankt vor und zurück mit geschlossenen Augen und lässt sich von den Instrumenten aus der Welt prügeln, bevor man zurückkehren und applaudieren darf. Ich hoffe sehr, Amenra bald wieder live sehen zu dürfen.

Drei Tage danach besuchte ich einen interessanten Auftritt von Alexej Gerassimez im Dortmunder Konzerthaus und war Anfang März noch einmal dort für ein Orchesterkonzert. Beides war gut, aber hinterließ keine Eindrücke, die nach 9 Monaten noch intensiv wären.

Aber dann kam Colter Wall in den Bahnhof Ehrenfeld. Das war wirklich witzig. Ich kenne die verschiedenen Trends und Aufzüge und Trachten der Metal-Szene mit ihren Kutten, Army-Shorts und Patches, aber einen Raum unter den Gleisen, der gefüllt ist mit Menschen, die Lederhüte, Jeansjacken und Cowboy-Westen tragen, war ein Erlebnis. Die Band bestand ebenfalls zu 80% aus Jeans (Jacken, Hosen, Hemden), mit Cowboyhüten und -stiefeln. Die eigentlich recht tristen Songs von Colter Wall waren allesamt beschleunigt und aufgebauscht worden, um von einer Westernband gespielt werden zu können. Was sie daraus machten, war glorreich: ein waschechter Honky Tonk mitten in Köln Ehrenfeld. Es war nicht das, was ich erwartet hatte, aber es war etwas und es hat Spaß gemacht.

Der April war wieder düsterer. Am 12. spielten Mantar im Junkyard und am 14. Saint Vitus mit Dopelord als Vorband. Mantar waren cool, aber nicht spektakulär. Dopelord hat mich überrascht und Saint Vitus haben wie immer die Hütte abgerissen. Wenn Menschen ihr ganzes Leben damit verbringen, einfach ihr Ding durchzuziehen, auch wenn es sich nicht finanziell auszahlt, finde ich das großartig. Die Tour 2019 geschah anlässlich des 40. Bandjubiläums. 40 Jahre Underground, herrlich. Mein liebster Saint Vitus-Moment ist schon Jahre her. Dave, der Gitarrist von Saint Vitus, tourte mit seiner Band Debris Inc. Er ließ es sich nicht nehmen, wenigstens zwei Klassiker von Vitus zu spielen und zwar Born Too Late und Dying Inside. Das Gitarrensolo in Born Too Late spielt Dave traditionell mit der Zunge. Also hob er die Gitarre vor sein Gesicht, sodass nur noch seine Augen zu sehen waren und er starrte mich direkt an mit einem mörderischen Blick – kein Blinzeln, keine Pupillenbewegung, nur Starren –, während er ein Solo hinlegte, das klang, als würde er sich die Schneidezähne mit der E-Saite absägen. Später traf ein Kumpel ihn an der Bar und fand heraus, dass er während des Konzerts wohl auf Acid gewesen wäre.

Es wurde Mai und Stoned Jesus kamen in Begleitung von The Great Machine nach Dortmund. Es war ein lustiger Abend. Der Sänger von Stoned Jesus erinnerte mich an Jack Black – ähnliche Optik und Bewegung. Ein gutes Konzert, aber keines, das ich ewig in Erinnerung halten werde.

Üblicherweise gehe ich nicht allein auf Konzerte. Ich habe zwei gute Freunde, die mich häufig begleiten. Aber ausgerechnet für Lamb of God habe ich niemanden gefunden. Draußen waren es um die 35°, weshalb ich extrem froh war, dass die Veranstaltung im Keller der Matrix in Bochum stattfand. Dort war es angenehm kühl. Mein Kreislauf konnte sich vor Start des Auftritts erholen. Doch mit der Vorband Bleeding From Within wurde es bereits wärmer. Ab dem zweiten Song startete der Moshpit und wurde bis zum Ende des Abends nicht mehr aufgelöst. Lamb of God selbst waren mal wieder großartig. Sie haben, wie es so schön heißt, die Hütte abgerissen und ganz nebenbei den Keller in einen Backofen verwandelt. Let’s trash this fucking place war eine Ansage, die befolgt wurde. Es war voll, es war laut, es war anstrengend und brutal. Ich liebe es. Am Ende wankte ich in die lauwarme Abendluft und konnte meinen Kopf kaum noch aufrecht halten. Ein schöner Abend. Etwas besser gefiel es mir allerdings noch, als sie 2018 mit Slayer tourten. Moshpit und Circle Pit waren nur noch Schlachtfelder, Menschen flogen durch die Gegend und am Ende des Abends durchdrang mich ein Frieden, den ich selten habe. Ausgepowert und glücklich.

Bei Corrosion of Conformity im Juli im Turock wiederum wurde mehr mitgesungen und getanzt. 25 Jahre Deliverance wurden gefeiert und beinahe das gesamte Album wurde gespielt. C.o.C. gehören zu den Bands, mit denen für mich die Liebe zu Stoner, Doom und Sludge begannen. Früher besuchte mich häufig ein Freund, der eine einzige gebrannte CD mitbrachte: C.o.C., Black Sabbath, Crowbar, Saint Vitus, Led Zeppelin und andere Bands waren darauf. Leider hat er sich vor einigen Jahren umgebracht und konnte dieses Konzert nicht mehr miterleben. Ich vermisse ihn.

Es wurde August und das Junkyard Open Air stand auf dem Programm. The Picturebooks gingen mir auf die Nerven, obwohl ich gute Erinnerungen an sie hatte als Vorband von Kadavar einige Jahre zuvor. Dafür waren Orange Goblin wieder super. Diese Band versprüht so viel gute Laune und Lust zu spielen, dass das Publikum jedes Mal angesteckt wird. Es gab einen schönen Moshpit im Staub inklusive Wall of Death. Später am Abend wurde die Veranstaltung ins Gebäude verlegt und Dopethrone traten auf. Da hier nicht genug Platz ist, um zu beschreiben, was dabei abging, weise ich auf einen Blogeintrag hin, den ich dazu geschrieben hatte: Eine Erfahrung aus Schmerz und Glück.

Die Tatsache, dass sich Exhorder wieder zusammengeschlossen haben und die alten Songs live noch immer spielen können – wer sie kennt, wird wissen, warum das schwierig ist –, freut mich extrem. Anfang Oktober traten sie im Turock auf und brachten ihr neues Album mit. Ich besuche nur selten Thrash Metal-Konzerte, aber dieses hat sich definitiv gelohnt.

Und dann war auch schon Dezember. Am 3. spielten Clutch in der Turbinenhalle in Oberhausen und brachten Graveyard und Kamchatka mit – ein bluesiger Abend. Kamchatka stelle ich mir besser in einer kleineren Halle vor, aber sie waren dennoch sehr cool. Graveyard wiederum konnte mich live noch nie wirklich überzeugen. Ihre Musik ist super, aber sie schaffen es nicht, einen Draht zum Publikum herzustellen. So jedenfalls kam es mir immer vor und dieses Mal auch wieder. Aber Clutch wissen, wie es geht. Live enttäuschen sie nie. Das könnte der Grund sein, warum ich sie schon fünf- oder sechsmal gesehen habe. Diesmal brachten sie viele alte Songs mit, die ich noch nie live gehört hatte. Besonders über Space Grass habe ich mich sehr gefreut, aber auch Electric Worry war großartig.

Bloß vier Tage später bin ich mit einem guten Freund wieder nach Oberhausen gefahren, diesmal ins Druckluft, einer kleinen, dreckigen, freien Location, genau wie ich es mag. Die Wände waren bemalt, die Security nicht vorhanden und die Getränke billig. Ein guter Start. Als Vorband spielten Årabrot. Zuvor hatte ich nie von ihnen gehört, aber sie überzeugten mich sofort. Am Merch-Stand wunderte sich der Sänger sichtlich, dass wir Shirts von seiner Band kaufen wollten und nicht von Boris. Kurze Anmerkung am Rande: ich besitze bereits mehrere Shirts von Boris.

Als Boris auf die Bühne kam, wurde der Nebel dichter. Dass drei Menschen so viel geilen Lärm machen können, muss zu den größten Vorteilen der technischen Entwicklung zählen. Die Optik allein ist schon einen Besuch wert: hinter einem düster geschminkten Drummer prangt ein riesiger Gong, Nebel steigt auf, die Gitarristin blickt in die Runde, der Sänger hält eine Gitarre mit Doppelsteg, halb E-Gitarre, halb E-Bass. Aber was wirklich beeindruckend ist, ist der Sound. Ich bin davon überzeugt, dass es Tonfrequenzen gibt, die in uns irgendwelche Dinge auslöst, die im Laufe der Evolution übriggeblieben sind. Als der Bass richtig dröhnte, meine Hose und die Jacke vibrierten, der Boden zitterte und das Dröhnen bis in die Wangen stieg, gelangte ich in einen Mischzustand aus Furcht und Euphorie. Die Euphorie siegte. Ein geiler Abend.

2019 war ein gutes Konzertjahr, ein gutes Jahr allgemein. In den nächsten Artikeln wird es ruhiger werden und sich alles um Literatur drehen.

Jahresrückblick I: Musik I

Über mein musikalisches Jahr 2019, entdeckte und wiederentdeckte Bands.

Willkommen zum ersten Teil unserer 4-teiligen Jahresrückblicksreihe 2019. Das ist der Plan:
20.12.: Musik – Neu- und Wiederentdeckungen
21.12.: Musik – Konzerte
22.12.: Literatur I – Gelesene Bücher
23.12.: Literatur II – Mein literarisches Jahr

Musik spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben und zwar ununterbrochen, seit ich als Kind im Zimmer Lego gespielt und LPs von den Beatles, Elvis und anderen auf dem Plattenspieler meiner Mutter gehört habe. Das hier soll eine Art persönlicher musikalischer Jahresrückblick werden, weshalb ich mich auf Neuentdeckungen, Wiederentdeckungen und einige Lieblingssongs beschränken werde. In einem zweiten Artikel wird es dann um Live-Konzerte gehen. Einige Songs und Künstler, die zu meinem Standardrepertoire gehören, werden also gar nicht auftauchen.

Vor vielen Jahren hat mich ein Freund einmal als „toleranten Hörer“ bezeichnet, weil ich jeder Musik eine Chance gebe und nicht selten mehrere. Man wird erkennen können, wo mein Fokus liegt, aber auch, dass ich kein Problem habe, davon abzuweichen. Ich werde alphabetisch vorgehen.

Eine Band, die ich dieses Jahr zu schätzen gelernt habe, ist Amenra. Vom Namen her kannte ich sie schon länger, aber hatte mich nie dazu bequemt, reinzuhören. Dann traten sie in der Nähe auf und haben mich überzeugt. Amenra machen düstere, atmosphärische Musik, die irgendwo im Bereich Post Hardcore oder Post Metal angesiedelt ist. Der Song A Solitary Reign ist mein absoluter Favorit und zählt zu meinen Lieblingsliedern 2019. Für mich klingt die Musik von Amenra nach tiefer Verzweiflung und das finde ich gut. Wenn Musik die Repräsentation von Gefühlen ist, um diese zu unterstützen oder abzubauen, hat jedes Gefühl eine Rechtfertigung, musikalisch umgesetzt zu werden.

Erst kürzlich habe ich Årabrot für mich entdeckt. Sie spielen Noise Rock, wenn ich mich mit der Definition nicht irre, aber sie schöpfen auch aus anderen Bereichen wie Sludge oder Gothic. Ich weiß nicht recht zu sagen, was mir an der Musik gefällt, aber sie ist anders, besonders und unterhält mich. Årabrot fühlt sich an wie Kunst, finde ich.

Battle of Mice gehörte auch dieses Jahr wieder zu den viel gehörten Bands auf meiner Playlist. In einer Facebook-Gruppe fragte jemand nach Songs mit verstörenden und psychotischen Lyrics. Jemand schlug Battle of Mice vor, ich hörte sie mir an und war begeistert. Die Intensität der Schreie von Julie Christmas und das heftige Gitarrenspiel machten mir Gänsehaut. Ein Freund (Metalhead seit Jahrzehnten) sagte, das sei „wirklich harte Musik“ und meinte damit hauptsächlich den Effekt, den die Songs auf die Psyche haben. Bones In The Water wäre mein Favorit, aber unter den wenigen Songs, die es von der Band gibt, kenne ich keinen schlechten.

Okay, gehen wir einige Jahrzehnte zurück und stimmen die Instrumente heller: The Beatles. 2019 stieß ich wieder auf sie. Manchmal beruhigen mich die Songs, manchmal machen sie mir gute Laune und manchmal unterhalten sie mich einfach. Und es sind gute Songs. Ich mochte immer die abgedrehteren Sachen lieber, also Lieder wie Lucy In The Sky With Diamonds. Wenn es irgendeine Band gibt, die in jeder Lebensphase bei mir präsent war, dann die Beatles, wenn auch meist in einer Nebenrolle. Also weiter geht’s.

Boris. Ich liebe Boris. Die Vielseitigkeit, die Gewalt, die Zartheit, die Kreativität und die Produktivität dieser japanischen Band sind großartig. Man vergleiche Hana, Taiyou, Ame mit D.E.A.R. und 1970. Ich könnte problemlos einen Beitrag nur über Boris schreiben, aber in drei Sätzen lassen sich schlecht Jahrzehnte produktiver Musikarbeit zusammenfassen, deshalb belasse ich bei den wenigen Worten.

Colter Wall, ein sympathischer kanadischer Cowboy mit einer wunderbaren Stimme. Er zieht sich nicht einfach als Cowboy an, sondern treibt tatsächlich manchmal Rinderherden. Aber hier soll es um Musik gehen. Die meisten Songs sind langsam und sehr sehr traurig. Country/Western, wie man sich vielleicht denken konnte. Ich liebe die Kombination aus seiner Stimme und den teils großartigen Lyrics. Codeine Dream gehört zu meinen Lieblingsliedern. Every day it seems | My whole damn life’s just a codeine dream | I don’t dream of you | Anymore. Wie sehr er mich mit einigen Songs berührt, ist beängstigend. Es geht um Freiheit, Alkohol, Drogen, Einsamkeit und ein paar Cowboy-Sachen, die man aber ignorieren kann, denke ich.

Ganz anders klingen da Crystal Castles. Elektronisch, manchmal abgehackt, aber auch traurig. Dieses Jahr hatte ich zwei eindeutige Favoriten unter ihren Songs, die ich wieder und wieder gehört habe: Sad Eyes und Not In Love. Zweiterer hat mich zu einer Geschichte inspiriert. An dieser Stelle merkt man vielleicht, wieso ich ein „toleranter Musikhörer“ sein soll. Ich musste mich intensiv in die Songs der Band hineinarbeiten und habe sie wiederholt gehört, bevor ich einen Zugang gefunden habe. Irgendetwas sprach mich an und eine gute Freundin zählt zu ihren Fans, also musste es mehr geben, und irgendwann fand ich es.

Eels habe ich 2019 wiederentdeckt. Ebenfalls meist elektronisch und ebenfalls meist traurig, aber bei weitem nicht nur. Es gibt sogar witzige Songs von Eels, aber davon lassen wir uns nicht aufhalten, oder? Aber da wir zu einem Ende kommen wollen, halte ich mich kurz.

Igorrr machen wirre Sachen. Stellt euch vor, jemand mixt jede existierende Musikrichtung in funktionierende Songs: Polka, Klassik, Oper, Black Metal, Techno … So macht man neue, nie zuvor dagewesene Musik. Als Hörer braucht man allerdings wieder Toleranz oder einen Hang zum Extremen. Ich habe beides. Zum Glück.

Jesu, Joy Division, Lamb of God, Myrkur, Oceans of Slumber, Woods of Ypres und Young Fathers spielten auch noch ihre Rollen als (Wieder)Entdeckungen. Hört rein, wenn ihr sie nicht kennt!

Und dann waren da die kurzen Happy Hardcore-Phasen. Wie zur Hölle kam es dazu? Charly Lownoise & Mental Theo, Dune und sogar Das Modul. Es muss an der Nostalgie gelegen haben, die mich 2019 häufig bedrängte. Wer weiß, wo sie mich noch hinführen wird.

Musikalisch war 2019 für mich wieder interessant. Mir gefällt der Gedanke, dass sich durch diesen Artikel ein paar neue Hörer*innen für die weniger bekannten Bands in meiner Liste finden lassen. Das hätten sie verdient. Habt keine Angst, Neues zu testen und über den Tellerrand zu schauen! In Kürze wird ein Beitrag über Live-Konzerte 2019 folgen und ein paar Bands aus dieser Liste werden wieder auftauchen.

Philosophie und Literatur

Während meines Studiums (Philosophie/Komparatistik) hatten viele Kommiliton*innen Philosophie gewählt, weil sie es als einfaches Zweitfach fürs Lehramt ansahen. Das zeigt ganz gut, welchen Status das Fach in den Augen der meisten heutzutage hat. Einige Disziplinen der Philosophie (Ethik, Politik usw.) bleiben aktuell, während andere (Metaphysik etc.) zugegebenermaßen weniger zeitgemäß sind. In diesem Beitrag möchte ich einige Argumente anführen für die Philosophie, besonders im Hinblick auf Autor*innen. Dabei wähle ich hauptsächlich Beispiele von Schopenhauer als Stellvertreter aller anderen Philosoph*innen.

Das allererste Argument, das man immer für die Philosophie finden und nennen kann, ist die Übung im Denken. Einerseits lernt man, neue Perspektiven einzunehmen und Probleme von allen Seiten zu betrachten. Geistige Flexibilität ist eine notwendige Voraussetzung, um philosophische Probleme anzugehen. Andererseits wird man geschult, strukturiert zu denken, Gedankengänge auseinanderzunehmen, Fehler aufzuspüren und die Gesetze der Logik anzuwenden. Warum das für absolut jeden und nicht für Schreibende gut ist, erklärt sich von selbst.

Das zweite Argument – hier kommen wir zu Schopenhauer – handelt vom Aufbau komplexer geistiger Bauten, die gesamte Welten (die gesamte Welt) umschließen können. Schopenhauers Hauptwerk ist Die Welt als Wille und Vorstellung, ein metaphysisches Werk. Der Duden definiert Metaphysik als philosophische Disziplin oder Lehre, die das hinter der sinnlich erfahrbaren, natürlichen Welt Liegende, die letzten Gründe und Zusammenhänge des Seins behandelt. Ganz ganz grob und knapp zusammengefasst bedeutet das bei Schopenhauer: Ich (mein Geist/Wille) bin von der Welt getrennt durch meinen Körper, erfahre sie nur über meine Sinne. Was hinter den Gegenständen, Tieren, Mitmenschen steckt, kann ich nicht wissen, sondern nur aus dem, was ich kenne (der eigene Geist/Wille), schließen, was dort ist. Er kommt zu dem Ergebnis, dass alles (Menschen, Tiere, Gegenstände, Welt) Ausprägungen oder Vorstellungen eines einzigen großen Willens sind, der sich dadurch selbst kennenlernt. (Nochmal: das ist wirklich sehr vergröbert; Schopenhauer braucht hunderte eng bedruckter Seiten für dieses Ergebnis.) Von diesem Punkt aus baut und begründet er die gesamte Welt und bespricht Kunst, Literatur, Musik und vieles Anderes.

Aus heutiger Sicht sind viele Bausteine seiner Argumentation weit überholt und seinen Ergebnissen wird sich kaum noch jemand anschließen, aber das Konstrukt ist überaus interessant. Hier kommen wir zum Nutzen für die Literatur. Schopenhauer nimmt einen einzigen Gedanken (ich kenne nur mich, alles andere ist im Grunde unbekannt) als Ausgangspunkt, um daraus einen riesigen Gedankenpalast zu bauen und Erklärungen für sämtliche existierenden Dinge zu finden. Erinnert dieses Vorgehen nicht an den Weg von einer Idee zur fertigen Geschichte? Denken wir beispielsweise an Tolkien. Bekanntermaßen erschuf er zuerst den gesamten mythologischen Hintergrund zu Lord of the Rings, bevor er auf dieser Basis die eigentliche Story schrieb. Ein analoger Vorgang. Wir lernen durch die Philosophie also einen strikten, disziplinierten und konstruktiven Weg zu gehen von einer einzigen Idee zu einer riesigen Welt.

Das dritte Argument ist simpel: auf dem eigentlich nüchternen Weg, den Philosophen einschlagen, findet sich Schönheit. Schopenhauer schrieb beispielsweise, dass Musik uns so sehr anspricht, weil sie ein anderer Weg des Willens ist, sich selbst zu erkennen. Mit anderen Worten, Musik ist unsere Welt in anderer Form. Hier zwei Zitate dazu:

Über Musik (Beethoven): […] die größte Verwirrung, welcher doch die vollkommenste Ordnung zum Grunde liegt, den heftigsten Kampf, der sich im nächsten Augenblick zur schönsten Eintracht gestaltet: es ist rerum concordia discors, ein treues und vollkommenes Abbild des Wesens der Welt, welche dahin rollt, im unübersehbaren Gewirre zahlloser Gestalten und durch stete Zerstörung sich selbst erhält. Und: Der Rhythmus ist in der Zeit was im Raume die Symmetrie ist, nämlich Theilung in gleiche und einander entsprechende Theile, und zwar zunächst in größere, welche wieder in kleinere, jenen untergeordnete, zerfallen.

Schönheit in den Worten und Gedanken anderer zu erkennen und zu lieben, ist eine Grundeigenschaft von Leser*innen und Autor*innen zugleich. Der Unterschied zwischen Literatur und Philosophie liegt hauptsächlich im Ausdruck: Literatur versteckt Erkenntnis hinter Schönheit, während die Philosophie Schönheit hinter Erkenntnis versteckt.

Am Ende füge ich noch einige Zitate von Schopenhauer an. Sie wurden allesamt in der ursprünglichen Schreibweise belassen:

Was dem Herzen widerstrebt, läßt der Kopf nicht ein.

Zwischen dem Thiere und der Außenwelt steht nichts: zwischen uns und dieser stehen aber immer noch unsere Gedanken über dieselbe, und machen oft uns ihr, oft sie uns unzugänglich.

Wort und Sprache sind also das unentbehrliche Mittel zum deutlichen Denken.

Der Denker soll sie [Irrtümer] angreifen; wenn auch die Menschheit, gleich einem Kranken, dessen Geschwür der Arzt berührt, laut dabei aufschrie.

Der Geist ist seiner Natur nach ein Freier, kein Fröhnling

Daher je mehr ein Mensch des ganzen Ernstes fähig ist, desto herzlicher kann er lachen. Menschen, deren Lachen stets affektirt und gezwungen herauskommt, sind intellektuell und moralisch von leichtem Gehalt

Ohne die Schule der Alten wird eure Literatur in gemeines Geschwätze und platte Philisterei ausarten.

das Ich ist eine unbekannte Größe, d.h. sich selber ein Geheimniß

[…] daß die Qualität des Wissens wichtiger ist, als die Quantität desselben. Diese ertheilt den Büchern bloß Dicke, jene Gründlichkeit und zugleich Stil: denn sie ist eine intensive Größe, während die andere eine bloß extensive ist.

Wie in Zimmern der Grad der Helle verschieden ist, so in den Köpfen. […] Man werfe das Buch weg, bei dem man merkt, daß man in eine dunklere Region geräth, als die eigene ist; es sei denn, daß man bloß Thatsachen, nicht Gedanken aus ihm zu empfangen habe.

Denn der Intellekt ist ein differenzirendes, mithin trennendes Princip: seine verschiedenen Abstufungen geben, noch viel mehr als die der bloßen Bildung, Jedem andere Begriffe, in Folge deren gewissermaaßen Jeder in einer andern Welt lebt, in welcher er nur dem Gleichgestellten unmittelbar begegnet, den Uebrigen aber bloß aus der Ferne zurufen und sich ihnen verständlich zu machen suchen kann.

Je niedriger ein Mensch in intellektueller Hinsicht steht, desto weniger Räthselhaftes hat für ihn das Daseyn selbst: ihm scheint vielmehr sich Alles, wie es ist, und daß es sei, von selbst zu verstehen.

Inspirationsquellen

Artikel über die verschiedenen Quellen der Inspiration für meine Arbeit als Autor.

Dieser Eintrag behandelt allgemein verschiedene Inspirationsquellen, mit deren Hilfe ich freiwillig oder unfreiwillig meine kreativen Energien auf- oder überlade. Inspirationsquellen eben.

Über Musik und Literatur werde ich mich dabei zu anderen Quellen vorarbeiten.

Musik

Nach einem Weg durch den Rock der 60er und 70er, Punk, Metal und Pop der 80er und 90er, fühle ich mich seit Langem in der Metalszene zuhause; genauer der Stoner/Doom/Sludge-Szene, die recht klein ist.

Entsprechend ziehe ich einige Inspiration von Bands, die eventuell und leider den meisten nichts sagen werden.

Neben der Musik als solcher, die meist sehr bassig und aggressiv / depressiv ist, sprechen mich in diesem Zusammenhang natürlich besonders die Lyrics an. Die verstörenden Texte von Acid Bath (die leider nur zwei Alben veröffentlicht haben) beschäftigen mich beispielsweise gelegentlich. Darunter besonders The Beaufitul Downgrade. Die Zeilen

Do you remember the first sunrise?
Sharpened bone clenched tide in your fist
Screaming into the blue
An urge to kill the sky

lösen jedes Mal Bilder in mir aus. Es fühlt sich kraftvoll und ursprünglich an. Wild und unzivilisiert erklärt man Göttern den Krieg, die man selbst eben erst erfunden hat.

Die Band Down hat ebenfalls einige großartige Lyrics, die sehr deutlich und ungeschönt die dunkelsten Kapitel meines Lebens ansprechen. Aus Lysergik Funeral Pocession:

I get up, get ready to face this world
I come down
I come down so hard, I hit then bounce
In a pool of piss I lay

Die Kombination aus teilweise recht extremem und dadurch ehrlich wirkendem Gesang und ebenso echt und kreativ wirkenden Texten ist für mich jedes Mal beflügelnd.

Was diesen Aspekt angeht, wäre auf jeden Fall noch Battle of Mice zu nennen. Die Schreie der Sängerin Julie Christmas verschaffen mir regelmäßig wieder eine Gänsehaut. Vertonte Verzweiflung… da kommen die Dämonen aus den dunkelsten Ecken des Hinterkopfes gekrochen und melden sich großspurig zu Wort.

Selbstverständlich gibt es noch etliche andere Bands und Künstler speziell aus dieser Szene (Crowbar, Boris, Goatsnake, Mars Red Sky, Monolord uvm.), die Ideen und Bilder aus mir herausprügeln.

Doch auch völlig andere Musik beeinflusst mich (emotional, geistig und schriftstellerisch) stark. Nick Cave & The Bad Seeds, Tom Waits, Leonard Cohen und andere haben mich im Laufe meines Lebens (und damit Schreibens) massiv geformt. Beispielsweise liebe ich die Zeile And in the bathroom mirror I see me vomit in the sink (aus Magneto von Nick Cave) und das Bild, das sie auslöst: ein Neben-sich-stehen, während man abstürzt. Er beobachtet sich selbst auf seinem Tiefpunkt. Selbstverständlich löst das etwas in mir aus. Leonard Cohens Text zu Famous Blue Raincoat, der wie ein Brief verfasst ist, oder die Lyrics zu Avalanche haben nichts von ihrer Wirkung verloren. Zum Glück konnte ich ihn noch live sehen vor einigen Jahren.

Klassische Musik (live im Konzerthaus Dortmund beispielsweise) schafft es, meinen Geist auf Reisen zu schicken. Was er nachher im Gepäck hat, ist auf verschiedenste Weisen interessant – (auch?) für mich.

Literatur und Philosophie

Einen Autor, der nicht von anderen Autoren beeinflusst wurde, kann ich mir nur schwer vorstellen. Wenigstens in den letzten Jahrhunderten ist ein solcher Fall wohl auch nicht vorgekommen.

Nur ein paar ausgewählte der vielen Schriftsteller zu nennen, die meinen Weg begleitet haben, fällt mir nicht leicht. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich hier auf einige von ihnen einzeln und genauer eingehen.

Zu Anfang beeinflussten mich hauptsächlich englische Dichter – E.A.Poe, Lord Byron etc. –, aber auch ein paar deutsche – Rilke, Goethe. Lyrik lese und schreibe ich noch immer, aber die Dichter haben ihre Vorrangstellung in Sachen Inspiration verloren. Prosa-Schrifsteller übernahmen.

Jahre voller Sartre, Camus und Kafka folgten. Heute sind wieder andere an ihre Stelle getreten.

Jorge Luis Borges hat mein Denken massiv angeregt und verändert. Seine abgehobenen Ideen und die Verarbeitung philosophischer Konzepte in seinen Texte inspiriert(e) mich sehr.

Stilistisch und aufgrund der (teils sehr offensichtlichen) psychologischen Problematik wäre definitiv Hermann Burger als Inspirationsquelle zu nennen. Allein seine Poetik-Vorlesung Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben oder sein Tractatus logico-suicidalis haben mein Denken in Wege gelenkt, die es vorher nicht kannte.

Generell interessieren und bewegen mich die Frankfurter Poetik-Vorlesungen verschiedener Autoren immer wieder aufs Neue. Daniel Kehlmanns Vorlesung ist ebenfalls sehr zu empfehlen. Seine Geschichten, die eindeutig Borges und andere wiedererkennen lassen, sind kreativ und unterhaltsam. Kehlmann gehört zu einer Reihe von Autoren, die mich zu einem meiner Romanmanuskripte vor einiger Zeit inspiriert hatten. Besonders wohl die Vermischung verschiedener Realitätsebenen beziehungsweise der absichtlich undeutliche Übergang zwischen diesen Ebenen, eine Technik, die er gerne gebraucht, war verantwortlich dafür.

Um nur noch ein paar wichtige Namen zu nennen: Hunter S. Thompson, Charles Bukowski, Irvine Welsh und selbstverständlich sehr weit vorne Hermann Hesse.

Auch philosophische Texte können die Kreativität anregen und sprechen nicht nur das logische Denken an. Wie man bei Kehlmann und Borges lesen kann, gehört Schopenhauer dazu. Ich selbst musste auch feststellen, dass sein Werk Die Welt als Wille und Vorstellung etliche großartige Passagen enthält. Auch sein Stil ist recht unterhaltsam, da bereits im Vorwort eine Wut zutage tritt, die man in einer solchen Disziplin selten erwartet.

Philosophische Wut führt natürlich direkt zu Nietzsche. Ich las Also sprach Zarathustra betrunken im Park, an einem Sonnentag und habe später am gleichen Tag einen meiner heute besten Freunde kennengelernt. Definitiv inspirierend.

Noch etwas abgedrehter, aber äußerst interessant und beflügelnd, fand ich Himmel und Hölle von Swedenborg. Dieser hochintelligente und gebildete Mann wurde im Laufe seines Lebens häufiger von Engeln besucht, die ihm den Himmel und die Hölle zeigten. Seine Berichte sind durchaus lesenswert.

Sonstiges

Es ist eigentlich unwürdig eine solche Überschrift zu nutzen, wenn es um Kunst in verschiedenen Formen gehen soll. Doch degradieren wir diese Inspirationsquellen einfach mal und schauen, was passiert.

H.R.Giger hat mich in meiner Jugend stark beschäftigt. Kein Wunder, sind seine Werke doch düster, futuristisch und voller Sex. Jetzt gerade hängt ein Poster von Gigers ELP hinter mir und blickt hohläugig in den Raum. Wie bereits im ersten Beitrag (Arbeitsplatz) beschrieben, hängen Picasso, Munch und Klimt ebenfalls hier.

Von Nick Alm bin ich ein großer Fan, seit ich vor einigen Jahren sein Werk The Great Implosion in Stockholm sehen durfte.

Seine Bilderreihe eines Hochzeitsfestes beschaue ich mir gerne und häufig. Leider kann ich mangels Ahnung auf diesem Gebiet nicht viel mehr über seine Bilder sagen, als dass sie mich berühren und häufig exakt den richtigen Zeitpunkt von Schwäche einzufangen scheinen, der eine Figur im Innersten erfasst und definiert.

Ich würde, wie gesagt, nicht behaupten, Ahnung von Kunst zu haben, doch ich ziehe meine Vorteile daraus: Genuss und Inspiration.

Selbstverständlich müssen Filme, Serien, Opernbesuche, das Ballett (das übrigens in Dortmund inzwischen ausgezeichnet ist), Theater oder Auftritte wie von Saburo Teshigawara, der in seiner Broken Lights Tanzperformance mit und auf Glas tanzte, ebenfalls zu Quellen größter Anregung für mein Hirn zählen.

Manchmal kiffe ich aber auch und lese Batman-Comics … da kommt man ebenfalls auf Ideen.

Beim Schreiben dieses Eintrags ist mir deutlich aufgefallen, dass ich meine Pferde extrem zügeln musste, um nicht Seite um Seite weiterzuschreiben. Daher werde ich mein Vorhaben auf jeden Fall in Zukunft umsetzen und Beiträge über einzelne Autoren, Musiker und andere Inspirationsquellen verfassen. Dann kann ich auch deutlicher herausarbeiten, wodurch und inwiefern sie mich beeinflussten.

Als groben Überblick lasse ich diese paar Namen einfach stehen und stelle mir vor, dass man meine Texte nun ein wenig besser verstehen kann.