Manuskriptüberarbeitung – wie gehe ich vor?

Meine allgemeine Vorgehensweise bei der Überarbeitung des Manuskripts zum Roman “Sorck”.

Die Rohfassung des Romans Sorck schrieb ich vor etwa einem Jahr. Sofort nach Abschluss der Rohfassung überarbeitete ich das Manuskript, indem ich die Textdatei am Monitor las und Stellen, die mir missfielen, sofort änderte. Danach bekam ein Korrekturleser den Text, korrigierte einige Stellen und dann war das Werk abgeschlossen.
Ziemlich simpler Vorgang. Im Nachhinein betrachtet: ziemlich naiv und ziemlich falsch. Wenigstens für mich.

Inzwischen halte ich es für sinnvoll, vor der Überarbeitung Abstand vom Werk zu bekommen. Mindestens einige Wochen sollte die Rohfassung ruhen, bevor ich mich wieder hineinarbeite und sie überarbeite. Dadurch erhalte ich eine Art Außenperspektive, lese den Text wie ein Leser und nicht wie der Autor. Das wiederum erlaubt mir, kritischer zu sein.

Ein für mich extrem wichtiger Punkt ist außerdem, nicht in der Textdatei direkt zu korrigieren, sondern auf Papier und in Etappen zu arbeiten. Der ausgedruckte Text wird gelesen und alles, was falsch klingt, keinen Sinn ergibt, was einen Übergang benötigt oder ausgebaut werden sollte, wird markiert. Danach erst schreibe ich per Hand die Sätze, Übergänge und neuen Szenen, die ich dann später ins Manuskript einfüge.
Warum mache ich das so? Getippte Sätze wirken optisch perfekt und ausgereift. Es gibt eine (minimale) psychologische Hemmschwelle, die mich davon abhält, getippte Sätze zu bearbeiten. In einem Interview sagte der Autor Chuck Palahniuk, dass er es so hielte. Anfangs kam mir das sehr subjektiv vor, aber dann habe ich es getestet und festgestellt, dass es sich bei mir genau so verhält. Handgeschriebene Sätze kann ich problemlos zusammenstreichen, darin mit Pfeilen herummalen, unterstreichen oder neu beginnen, während getippte Sätze sich wehren.

An dieser Stelle werden manche an Schreibprogramme für Autoren denken, die all das Papier, Notizen, Zettelchen usw. unnötig machen sollen. Das mag für manche funktionieren, für mich aber nicht. In der jetzigen Arbeitsphase habe ich bewusst so viel wie möglich per Hand gemacht: eine aufgestellte Wand voller Notizen, Klebezettel hinter dem Monitor, alle neuen Szenen und Sätze handschriftlich vorverfasst. Auf diese Weise arbeite ich mich tiefer in den Stoff hinein. Es hilft mir sowohl beim Denken als auch meinem Gedächtnis.

Insgesamt habe ich die Überarbeitung in mehrere Phasen eingeteilt:
1. Lesen und markieren, Notizen anfertigen, Ideen sammeln
2. Neue Szenen und Übergänge verfassen
3. Schiefe Einzelsätze korrigieren
4. Neue Szenen und Übergänge einzeln korrigieren
5. Alle korrigierten oder neuen Parts ins Manuskript einfügen
6. Neubeginn bei 1. sowie, falls nötig, 2. bis 6. für das geänderte Manuskript
7. Manuskript an Test- / Korrekturleser geben.
8. Anmerkungen von Korrekturleser durchgehen
9. Falls nötig: Neubeginn bei 1.

Möglicherweise ist das unnötig aufgesplittet oder übermäßig viel, aber das ist meine Arbeitsweise. Jedenfalls für das Manuskript Sorck.
Die zweite Phase ist bei Weitem die langwierigste, da sie die meiste Schreib- und Denkarbeit sowie Recherche erfordert.
Aktuell befinde ich mich in Phase 3.

Nebenher wird übrigens das Cover gestaltet.

Ich hoffe sehr, dass das Endergebnis all die Mühe wert sein wird. Im Augenblick gehe ich jedenfalls noch fest davon aus.

Literatur als Selbstsuche

Nosce te ipsum – Erkenne dich selbst. Schreiben als direkte und indirekte Suche nach sich selbst.

Nosce te ipsum – Erkenne dich selbst. Ziemlich alter Ansatz, oder? Doch denkt man mal ernsthaft nach, gibt es im Allgemeinen nicht besonders viel, über das man sprechen oder schreiben könnte. Angesichts dessen über sich selbst – oder das Selbst beziehungsweise den Charakter der fiktiven Figuren (stellvertretend für Aspekte des Autors) – zu schreiben, scheint eine gute Idee zu sein. Tatsächlich scheint es ein unendliches Thema innerhalb einer kleinen Gesamtauswahl von Themen – Zwischenmenschliches, Beziehung zu Natur oder Gott, Selbstbezogenes – zu sein.
Darum also geht es.

Irgendwo in einem Brief oder Tagebucheintrag von Hermann Hesse – es muss aus der Zeit vor oder während des Verfassens von Siddhartha gewesen sein – las ich den Vergleich des menschlichen Charakters mit einem stark verästelten Baum. Wäre man imstande jeden einzelnen Zweig durch Literatur auszudrücken – zu verarbeiten? – fände man Erleuchtung. So oder so ähnlich hieß es.
„Erleuchtung“ ist ein Wort, das nur in gerechtfertigten Zusammenhängen und aus geübtem Mund kommen darf. Im Falle von Hesse wären Zeitraum und Verfasser stimmig und damit die Verwendung vertretbar.

Ist es nun das, was ich tue? Lange Zeit hielt ich dieses Vorgehen für die einzig mögliche Art Literatur zu schaffen. Sich selbst auszudrücken, herauszukehren, was im Geist brodelt, was beschäftigt, was quält. Ein rein technischer Ansatz war mir fremd. Ebenso eine Massenproduktion von immer gleichem Stoff in verschiedener Verpackung.
Als ich das erste mal las, dass Edgar Allen Poe beim Erarbeiten von The Raven sehr technisch, eigentlich rein technisch, vorgegangen sein soll, empfand ich das beinahe als Vorwurf und wehrte mich regelrecht dagegen. Wie dankbar war ich, dass sich auch Borges dieser Aussage von Poe selbst entgegenstellte. Allerdings hat ein sehr technischer Ansatz – denken wir doch auch an Umberto Eco und seine Arbeitsweise – immerhin den Beigeschmack von Arbeit, Planung und Intelligenz.
Massenhaftes Wiederkäuen von Romanzen, Schnulzen und billiger Fantasy verstehe ich jedoch nicht. Vermutlich sieht kein Autor sich selbst als ein solcher Massenfabrikant.
Im Übrigen will ich weder ganze Genres verdammen noch die Möglichkeit auszuschließen, dass auch ich zu den Gruppen gehöre, die ich von außen zu betrachten scheine – oder wenigstens auf andere entsprechend wirke.
Unter den Lesern von Nietzsche seien ungewöhnlich viele Übermenschen gewesen, habe ich irgendwo gelesen – bei Kehlmann?

Eine meiner schlechteren Eigenschaften ist meine Angewohnheit vorschnell zu urteilen. Möglicherweise bin ich ungerecht, wahrscheinlich sogar, doch sehe ich die Welt zurzeit mit meinen Augen, die morgen andere sein mögen, aber eben heute noch nicht.

Offenkundigstes Zeichen, dass Literatur für mich Suche nach mir selbst ist, könnte sein, dass ich mich über Literatur definiere. Ein geschlossener Kreis, sollte man meinen.
Dass ich ein Autor bin, wusste ich spätestens mit dreizehn Jahren, als ich meine ganze Wut in eine txt-Datei voll religiöser Metaphern, die ich selbst kaum verstand, tippte. Es waren grässliche Machwerke, die ich damals erschuf, doch konnte man deutlich erkennen, wie es mir ging. Ich erinnere mich an Schalen, angefüllt mit Wut, die Gott ausleerte. Apokalyptische Visionen im Grunde, die von einem geistigen Feuer kündeten. Allerdings, das muss man sagen, eben in schrecklichem Stil verfasst.
Der Punkt ist: Ich schrieb kryptisch auf, wie es mir ging, drückte mich also selbst aus, versuchte mich selbst besser zu verstehen.

Meine Texte sind jedoch niemals wirklich nahe an mir dran. Das darf man nicht falsch verstehen. Es handelt sich um meine Ideen, möglicherweise meine Sichtweise, meine Gefühle, doch nicht um autobiographische Literatur. Die großen Krisen meines Lebens brauchen viele Jahre, um Stoff zu werden. Sind sie dann soweit, liegen sie unter Schichten von Worten und Bildern begraben, die es so viel einfacher machen, sie zu packen und maskiert der Welt zu zeigen.
Und doch, meine Arbeit ist Sinnsuche, Selbstsuche. „Sinnsuche“ ist wieder so ein Wort, das schön klingt, doch nichts bedeutet. Ultimativ glaube ich an keinen Sinn – keinen Lebenssinn –, also habe ich mir einen genommen, mich für einen entschieden und bin dabei geblieben. Literatur ist also vielleicht doch eher Sinnerfüllung als Sinnsuche. Sinn suche ich in mir selbst, in meinem Handeln und Fühlen, meinen Entscheidungen. Sinn für mich, nicht im Rahmen des Universums oder Schicksals.
Ist es eine bewusste Suche? Ja und nein. Wie man sieht, ist es mir bewusst, dass es diesen Vorgang gibt. Er ist mir willkommen. Während ich schreibe, bin ich Regisseur und Zuschauer, sehe die Bühne vom Zuschauerraum aus, weiß, was vorne passiert und wie das Stück auszusehen hat, doch was hinter der Bühne geschieht, erfahre ich, wenn überhaupt, erst nach der Show.
Für den laufenden Vorgang fehlt mir das Bewusstsein.
Am Ende ist es also wie bei Platon. Was ich lerne, wusste ich – offensichtlich – bereits, erinnere mich also nur. Mit jedem Text ein Puzzlestück mehr.
Weniger aktive Selbstsuche als passives Selbstfinden?

Solange ich denken kann, starten ungeplant Sätze in meinem Kopf, deren Ende ich nicht kenne. Üblicherweise beginnen diese Sätze mit „Das Leben ist“ oder „Ich bin“ und bringen mich zum Nachdenken.
Was bin ich denn in diesem Moment? Bin ich wütend? Warum bin ich wütend? Bin ich…?
Die Wahrheit ist, ich weiß es meistens nicht zu sagen. Doch dreht sich das Rad der Fragen in mir weiter, ohne dass ich es merke, und spuckt wie ein frustrierter Koch Antworten in meine Texte.
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als die Suppe auszulöffeln.

An der Grenze der Öffentlichkeit

Wie viel Öffentlichkeit, wie viel öffentliche Privatheit, veröffentlichtes Privatleben kann ein Autor ertragen, wie viel sollte er zulassen, um sein Werk zu verbreiten?

Wie viel Öffentlichkeit, wie viel öffentliche Privatheit, veröffentlichtes Privatleben kann ein Autor ertragen, wie viel sollte er zulassen, um sein Werk zu verbreiten?

Für das, was der Autor innerhalb seiner Werke, also indirekt, scheinbar versteckt, an die Weltöffentlichkeit trägt, gibt es meiner Meinung nach keine Grenzen. Schreiben ist Ausdruck. Ausgedrückt wird, was für den Schreibenden von Bedeutung ist. Bedeutung hat meist genau das, was andere verschweigen würden.
Es ist kein Geheimnis, dass man aus meinen Texten vieles über mich erfahren kann, wenn auch nicht alles und nicht vollständig. Das ist keineswegs ein Zugeständnis oder eine Erklärung, dass meine Literatur autobiographisch sei, denn das ist sie üblicherweise nicht.

Die Frage, um die es sich für mich dreht, ist, ob ein Autor – ob ich – sein Privatleben, seine Vergangenheit und Gegenwart offen an die Welt tragen oder sich lieber vollends hinter seinem Werk verstecken sollte. Diese Sätze stehen in einem Blog und dieser handelt von den Hintergründen meines Schreibens. Verlinkt sind ein Twitter- und ein Instagram-Account. Entsprechend kann ich nicht für völlige Abkapselung sein, oder?
Nun, ich muss gestehen, gäbe es für mich die Möglichkeit, Bücher zu veröffentlichen, ohne dass ich dabei als Person – vom Namen abgesehen – auftauchte, wäre das der Weg, den ich wählte. Doch dieser Weg steht mir nicht offen.
Allerdings, auch das muss ich zugeben, erzähle ich gerne von mir, meinen Ideen, meinen Texten. Da stehe ich sicherlich nicht allein mit. Sehr gerne lese ich Bücher, gedruckte Vorlesungen, autobiographische Texte oder Essays von Autoren, die im Grunde das gleiche tun, was ich in diesem Blog tue, nur für Geld und mit größerer Resonanz.

Diese Form des Nachaußenkehrens des Inneren ist noch immer stark auf die Arbeit als Schriftsteller bezogen. Sie hilft dabei, die Lektüre besser zu verstehen, da sie einen Hintergrund bietet und zeigt, worauf grundsätzlich zu achten ist.
Worum es mir jedoch geht, ist eine andere Form des öffentlich Privaten. Beispielsweise teile ich im Rahmen meiner Online-Projekte keine vollständigen Bildaufnahmen von mir – nur in einem Video sieht man mich von der Seite, in einem anderen mit Maske. Sollte ich das ändern? Man sagt mir, ich sähe nicht schlecht aus. Möglicherweise könnte ich meine Reichweite erhöhen, indem ich meinen trainierten Körper bei Instagram zeige, mir ein Gedicht spiegelverkehrt auf die Bauchmuskeln pinsele oder eine Erzählung auf den Bizeps. Für letztere Aktion fehlt mir vermutlich die Fläche.
Mein Gesicht und mein Körper existieren losgelöst von meinen Texten. Es gibt keinerlei direkte Verbindung zwischen ihnen. Schriebe ich über Sportler und Workouts, ergäben derartige Veröffentlichungen Sinn, doch bloß meine Finger tippen diese Texte. Dies scheint der einzige Berührungspunkt zu sein.

Erinnerungen, Erlebtes, im Geist Verarbeitetes und das daraus zurechtgesponnene Material formt sich zu Erzählungen und Gedichten. Grundlage des Erlebten kann – und ist häufig – etwas körperlich Erfahrenes sein: Rausch, Schmerz, Sex, Krankheit. Doch nach der direkten Erfahrung gehören diese ursprünglich körperlichen Dinge dem Geist an. Dem Körper bleiben die Narben und das Unwohlsein.
Im Grunde geht es also um geistige Privatheit, um persönlichste Erinnerungen und mit Scham behaftete Aspekte des inneren – oder inzwischen verinnerlichten – Lebens. Erkläre ich öffentlich, ich sei … ? Twittere ich: Fragt einen … alles?
Interessant wäre es vermutlich. Hilfreich übrigens auch. Hilfreich zum Verständnis meiner Arbeiten, möglicherweise hilfreich für mich aus therapeutischer Sicht und eventuell sogar für andere, die sich weniger allein fühlen mit ihrer Problematik.

Klingen diese verschleiernden Zeilen zu geheimnisvoll oder kryptisch? Sie verstecken keinen Horror, sondern einfach Persönliches. Informationen, die man aus manchen meiner Texte herauslesen kann. Die offensichtlichsten Texte, was diese Thematik angeht, habe ich allerdings noch nicht hochgeladen, fällt mir soeben ein. Es bleibt also ein Mysterium.

Menschen sehen heutzutage gern, dass ein Autor – oder Schauspieler, Politiker, Sportler – auch bloß ein Mensch ist. Warum sie das gerne sehen, weiß ich nicht. Es ergibt für mich keinen Sinn. Ein Autor ist sein Werk und seine Gedanken zum Werk und nötigenfalls noch die Geschichte, die zu Gedanken und Werk führte. Für die Öffentlichkeit sind Autor und Person zwei verschiedene Dinge. Dies gilt natürlich für jede Aufspaltung zwischen öffentlicher und privater Person, nur ist ein Autor in seiner Eigenschaft als Autorenperson öffentlicher und damit weiter entfernt von seiner Rolle als Privatmensch. Ein Zurschaustellen der Privatheit, der Privatmenschlichkeit, schmälert lediglich die Trennung, hebt sie jedoch nicht auf.

Beantwortet das meine Frage? Fürs Erste. Möglicherweise.
Wer mich kennenlernen möchte, sollte mich eben kennenlernen und nicht auf Posts im Schlafanzug, Tweets aus der Badewanne oder Instagrambilder beim Workout warten.
Dann jedoch werde ich nicht der Autor M.Thurau sein, sondern der Mensch Matthias T.

Wie ich gern schriebe

Hier kommen wir an einen Knackpunkt im Leben eines Autoren. Zwar hat jeder eine eigene, natürliche Erzählstimme, aber eben auch Vorbilder, Wünsche, Ziele und viel zu viele Vergleichsmöglichkeiten.

Hier kommen wir an einen Knackpunkt im Leben eines Autoren. Zwar hat jeder eine eigene, natürliche Erzählstimme, aber eben auch Vorbilder, Wünsche, Ziele und viel zu viele Vergleichsmöglichkeiten. Eine Anpassung beider Richtungen – der natürlichen Eigenart und dem angestrebten Stil – aneinander ist ein stetiger Entwicklungsprozess.

Hermann Burger hat seinen Stil an seinen Vorbildern geübt, indem er große Teile von Texten seiner Lieblingsautoren, ganze Absätze oder Seiten aus Romanen, abschrieb, um dann den Satzbau, quasi das Skelett, mit seinen eigenen Worten wieder zu füllen. So hoffte er sich etwas von dem anzueignen, was er an anderen bewunderte.
Selbstverständlich ist das eine Menge Arbeit und bisher habe ich mir nie die Mühe gemacht, es auch auszuprobieren. Jedoch stellte ich wieder und wieder fest, dass das Lesen fremder Texte allein bereits eine gute Schule für Stil und Aufbau ist, weswegen gute Autoren viel lesen sollten. Das ist eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen, doch stolperte ich im Internet auch über Schreiber, die öffentlich in die Runde fragten, ob man eben auch lesen müsse, um Autor zu sein.
Man sollte. Außerdem erscheint mir das Konzept eines nicht leseverliebten Autoren widersprüchlich. Ich erinnere an Jorge Luis Borges, der sagte, dass die Idee einer Pflichtlektüre absurd sei und man genausogut von Pflichtglück sprechen könne.

Es gibt ein paar für mich bedeutsame Namen in der Welt der Literatur, der Literaturwelt oder Weltliteratur, deren Werke stellvertretend sind für das, was ich gern produzieren würde oder bereits produziere, produziert habe.
Die philosophischen Konstrukte, die die Grundlage bilden für das Werk von Jorge Luis Borges, sprechen Seiten in mir an, die mich die Welt mit Vernunft und intellektueller Neugierde betrachten lassen, aber auch nicht ohne einen gewissen Humor. Allerdings wäre mir sein Schreibstil grundsätzlich zu trocken, zu wenig emotional, was ja thematisch stimmig sein mag und mich nicht vom Lesen abhält, aber meinem Wesen und damit meinen Themen widerspricht. Versucht habe ich mich dennoch in dieser Art zu schreiben; mit mäßigem Erfolg.
Daniel Kehlmann wurde offensichtlich – und, wenn ich mich recht an seine Essays und Vorlesungen erinnere, auch ausdrücklich – ebenfalls von Borges inspiriert. Daraus entstanden, wie ich vermute, unter anderem die Realitätsverschiebungen in seinen Büchern, die mir immer am meisten gefallen haben. Mein Versuch eines Borges-Romans – was historisch betrachtet wiederum paradox ist – war entsprechend auch ein Kehlmann-Roman. Ein interessantes Experiment, das ein interessantes Ergebnis zutage förderte, aber leider keines der Veröffentlichung würdiges.
Dennoch habe ich Elemente des Experiments in einem weiteren Roman verwendet, einer Vermischung realer und irrealer Ebenen, die ein beinahe surreales Ganzes geschaffen haben. Dieses meiner Meinung nach gelungene Werk werde ich in den nächsten Monaten schwer überarbeiten und nächstes Jahr veröffentlichen.

Rein stilistisch, also losgelöst vom Inhalt, schriebe ich (manchmal) gern wie Hermann Burger und verfalle auch immer mal wieder in den entsprechenden Modus, wenn auch laienhaft im Vergleich zum Original. Eine Kopie kann aber wiederum auch nicht das Ziel sein. Für eine solche Kopie oder eine entsprechend große Annäherung bin ich auch einfach zu faul, da die schiere Menge an Arbeit und Konzentration, nötig für diesen Schreibstil, erschlagend ist.
Um mal ein kleines Beispiel zu nennen, hier ein (für Burgers Verhältnisse kurzer) Satz, der Anfang der Erzählung Kohlhaas auf der Dampfwalze, den ich als besonders schön empfinde:
Ein Dampfwalzenführer, so sein Anwalt, und dies kommt bereits der Brechung des Amtsgeheimnisses gleich, was wir angesichts der Extraordinarität des Falles riskieren müssen, verlor, da er kurz vor Feierabend entsetzlich, aber rechtschaffen niesen musste, seine künstlichen Zähne, dergestalt, dass er die Prothese unmittelbar vor die Vordertrommel spuckte und, sintemal der Bremsweg ohnehin zu lang gewesen wäre, mit seiner vierzehn Tonnen schweren Rammbull, dieselgetrieben, zermalmte.
Vermutlich ist das für manche unerträglich zu lesen, aber unbezweifelbar hervorragend formuliert.

Nun wird es schwierig.
Ein ganz anderer Bereich der Literatur mischt sich ein, der mir aufgrund meiner Lebensgeschichte, all der Dinge, die mir zustießen und die ich mir selbst antat, die ich er- und durchlebte, ausgesprochen zusagt. Die Namen Hunter S. Thompson und Irvine Welsh fallen mir ein, wobei Hans Fallada, Louis-Ferdinand Céline und Henry Miller wenigstens zum Teil in die gleiche oder eine ähnliche Kerbe schlugen.
Wie verbindet man nun, sofern man das denn wollte, akstrakt-philosophische Ideen, Spielchen mit verwischter Realität, Schachtelsatz- und Fremdwortmassaker mit dem tiefsten Elend aus Alkohol, Drogen, Depression und Wut?
Thompson machte immer deutlich, dass seine Einblicke in andere Realitäten klar durch Drogen verursacht wurden – diese offensichtlich zu vereinbarende Kombination findet sich bei Kehlmann übrigens auch, ich glaube, im Roman F.
Miller schrieb surreal, wie er sich durch Paris vögelte und hungerte.
Céline war einfach furchtbar wütend, jedoch nicht stillos.
Fallada – in Der Trinker – beschreibt ungeschönt das tiefste Elend, was Welsh mit etwas Humor ebenfalls tut.
Dreckige Gefühlswelten, Elend und Leid vertragen sich kaum mit Sprachspielereien, sondern erfordern Derb- und Direktheit.

Nebenbei liebe ich übrigens die Albtraumwelten von Franz Kafka. Passen die auch noch rein?

Vielleicht ist das Vorhaben zu groß, weil zu vollgestopft, zu überfüllt mit Widersprüchen. In meinen kürzeren Erzählungen findet man mal das eine und mal das andere Puzzlestück, üblicherweise überschneidend.
Bedenke ich es richtig, sind allerdings sämtliche erwähnten Elemente in jenem Roman – ich suche noch immer einen passenden Titel – enthalten, den ich, wie oben erwähnt, überarbeiten und herausbringen werde. Zu Beginn dieses Eintrags war mir dies noch nicht bewusst.
Das macht mich gerade durchaus stolz, doch zwingt mir die Befürchtung auf, einige wichtige Bestandteile – ich denke da besonders an Suff und Elend – könnten zu kurz gekommen sein. Eine wichtige Notiz für die Überarbeitung.

Noch suche ich meine wahre Stimme. Vermutlich werde ich das den Rest meines Lebens tun.

Da ich es bisher nicht eindeutig erwähnt habe, stelle ich an dieser Stelle nachträglich fest, dass ich in diesem Artikel einzig von meiner Prosa spreche, meine Lyrik also vorerst ausschließe aus diesem Gedankengang. Innerhalb der Lyrik stehe ich recht sicher, entwickele mich zwar immer weiter, doch suche nicht mehr aktiv, zweifle nicht mehr ständig, bin also unterwegs und angekommen – oder auch andersherum.

Ein weiterer Punkt, der letzte, der noch nicht erwähnt wurde, da er für mich offenbar zweitrangig zu sein scheint, wäre die Leserschaft und ihre Vorlieben. Es ist mir bewusst, dass ein zu komplexer Stil, zu wirre oder intellektuelle Ideen, vielleicht sogar zu ehrliches Elend – denn das wahre Elend ist immer weniger leicht zu ertragen und härter als ein künstliches, unpersönliches; man vergleiche einen abstürzenden Junky bei Welsh mit den kreischenden Massen bei Marvel – eine Menge Leser eher abschrecken. Doch verlangt meine Integrität und meine Arroganz, wenn es denn welche ist, wenigstens aber mein Stolz, meinen eigenen Weg ohne Rücksicht auf mögliche Verkaufszahlen und die Vorlieben einer Leserschaft, die eben einfach nicht die meine sein kann, zu gehen. Dieser Punkt ist also abgehakt.

Fehlen nur noch die Haken hinter allen anderen Punkten.

Arbeitsdruck und -organisation: eine Art Krise

In diesem Eintrag soll es um ein sehr spezielles Arbeitsproblem – ein Überschuss an Arbeit, Ideen und Möglichkeiten – gehen. Also direkt hinein:

In diesem Eintrag soll es um ein sehr spezielles Arbeitsproblem – ein Überschuss an Arbeit, Ideen und Möglichkeiten – gehen. Also direkt hinein:

Meine persönliche Schreibproblematik besteht in letzter Zeit nicht im Mangel an Motivation oder dem Fehlen der richtigen Stoffe, sondern viel mehr in der schieren Abundanz möglicher Tätigkeiten rund um meine verschiedenen laufenden Projekte und bald auszuführenden Vorhaben, den Überarbeitungs- und Veränderungsmöglichkeiten vorhandener Texte sowie der Übungen zur Verbesserung des eigenen Stils, derallgemeinen und zielgerichtet literarischen Bildung und natürlichder Optimierung meiner Verbreitungswege und Veröffentlichungsträume.

Konkret bedeutet das, meine Arbeitszeit ist geteilt auf:

Erdenken und Verfassen neuer Blogeinträge, Erstellung von Tracks und Videos für die Reihe Sprachnachrichtenaus dem Kellerloch auf Youtube, dem Versuch präsent zu sein auf Social Media Kanälen zum Zwecke der Verbreitung ersterer beiden Punkte, Er- und Überarbeitung von Lyrik, Erzählungen / Kurzgeschichten, meinem aktuellen Romanprojekt, Bewerbung bei Agenturen und Verlagen für mein abgeschlossenes Romanprojekt, Recherche für Inhalte und Stil – dazu zählen beispielsweise auch Wörterlisten zur Verwendung in zukünftigen Texten und zur Erweiterung des Wortschatzes – und neuerdings ein Kurzfilmprojekt.

Möglicherweise interessiert mein Gedankengang, meine Überlegungen zur Krisenbewältigung, den ein oder anderen Leser und definitiv wird es mir helfen, ihn auszuformulieren.

Meine Form des Prokrastinierens ist also eher eine Form des Priorisierens öffentlich laufender Projekte zum Leidwesen der noch versteckten, aber im Grunde wichtigeren Text- und Stilarbeiten. Paradoxerweise verhindern also die Mittel zur Verbreitung meiner Prosa die Entstehung und Bearbeitung selbiger, was mich zunehmend befremdet und mir den Gedanken aufzwingt, mehr Zeit, mehr Energie, insgesamt mehr zu investieren in die Gesamtheit meiner Arbeiten. Doch ist das möglich? Ist das sinnvoll?

Auszubrennen und arbeitswütig auf Teufel komm raus zu produzieren, scheint mir kein vernünftiger Weg, um mittel- und langfristigerfolgreich zu sein. Meine Arbeiten sind keine Massenware, denke ich, nein, glaube ich fest.

Vorteile – neben der öffentlichen Präsens, des Stattfindens – ergeben sich selbstverständlich auch aus Blog und Youtube-Kanal, aus Filmprojekt und selbst Social Media Nutzung, nämlich in Form von Inspiration, Denkanstößen, Schreibübungen und Wechsel der Perspektive auf die eigenen Texte: Wie klingt ein geschriebener Text vorgelesen? Wie kann ich die Aussage oder den Inhalt bildlich darstellen? Beschreibe ich meine Arbeit, beschaue ich sie gleichsam von Außen, beantworte mögliche Fragen anderer, damit auch meine eigenen ungestellten.

Dennoch: was tun, um mein Hauptwerk – mir ist die überragende Größe und damit der ironische Klang des Ausdrucks bewusst – nicht nur nicht zu vernachlässigen, sondern voranzutreiben?

Eine Methode könnte die schubweise Konzentration auf eine bestimmte Tätigkeit für eine gewisse Dauer sein, beispielsweise einige Tage lang Blogeinträge vorzuverfassen für die nächsten Wochen, mehrere Tracks zu produzieren und mich dann in aller Ruhe – von Uploads unterbrochen – an meine größeren Schreibarbeiten zu setzen, die schließlich und eigentlich eine portionsweise Bearbeitung schlecht vertragen. Nach einer Arbeitsphase an öffentlichen Projekten käme also ein Quasi-Einsiedlertum des noch privaten, später öffentlichen Fortschritts. Immerhin ist eines meiner Ziele, nächstes Jahr ein Buch zu veröffentlichen – nötigenfalls und realistischerweise in Eigenproduktion.

Mein Gedankengang offenbart offensichtlich ein Schreiberluxusproblem, keine essentielle Krise, sondern eine Filterkrise im überbrandenden, aufgestauten Kreativfluss, ein Organisationsproblem im Endeffekt.

Seien wir für einen Moment ehrlich, denn bisher spiele ich mich auf, als täte ich nichts als zu arbeiten, was weder korrekt ist, noch gutwäre. Pausen sind notwendig, Ablenkung gleichzeitig (mögliche) Inspiration und zumindest doch Input, also Baumaterial. Auch dafür geht also Zeit drauf und das sollte man akzeptieren, also in die Planung einbeziehen.

Wie weiter oben prophezeit hat mir dieser Eintrag bereits geholfen, mich zu sortieren. Vielen Dank für das gnädige Mitlesen meiner inneren Vorgänge und generell den Besuch meiner Seite.

Jeder einzelne Besuch freut mich. Das meine ich vollkommen ernst.

Inspirationsquelle: Hermann Burger

Über den Schweizer Autor Hermann Burger, seine Werke und seinen Einfluss auf meine Arbeit.

Was wir an hoher Kunst leisten, müssen wir an Tod abverdienen.

Leider und gleichzeitig verständlicherweise kennen viele Leser den Namen Hermann Burger nicht und seine Werke noch viel weniger.
Verständlicherweise, weil sein Stil, seine Sprache und sein Werk insgesamt ausgesprochen komplex sind.
Leider, weil sich der Kampf mit dieser Wucht aus Sprache und Tiefe lohnt.

In einem Universitätsseminar über Zauberkünstler in der Literatur lernte ich Burger kennen und lieben. Diabelli, Prestidigitateur wurde neben Texten anderer Autoren gelesen. Diabelli ist ein Zauberkünstler, ein Prestidigitateur, also Schnellfingerkünstler, der einen Brief an seinen Mäzen schreibt. Kern der Erzählung ist, dass Diabelli beschreibt, dass Ablenkung vom eigentlichen Geschehen, das Wichtigste am Zaubertrick ist, was Burger konsequent innerhalb der Geschichte umsetzt, indem er exakt zeigt, wie beispielsweise eine Volte funktioniert, aber man es aufgrund der sprachlichen Ablenkungsmanöver, Fremdwörter und der Komplexität seines Satzbaus, kaum bis gar nicht zu verstehen vermag. Der Autor selbst dazu: Das Fremdwort tarnt den gemeinten Sachverhalt, es stempelt den Leser zum Laien, genauso wie der Prestidigitateur seine Opfer in die Irre führt.
Dass er dies vollbringen konnte, hat mich immer fasziniert.
In seinem Beitrag Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben zu den Frankfurter Poetik-Vorlesungen erklärt Burger passend dazu – und zu anderen Texten –, dass nicht bloß große Entfernung Details verwischt, sondern auch extreme Nähe. Als Autor beschreibt er Gegenstände oder Abläufe derart detailliert, dass man sie als Leser nicht mehr erkennen kann, ganz so, als sähe man seine eigene Hand unter einem starken Vergrößerungsglas, einem Mikroskop, und wüsste nicht mehr zu sagen, was man dort nun eigentlich anstarrt. Eine großartige sprachliche Leistung und eine monströse Herausforderung für den Leser.
Burger über die Verwendung dieser Technik in seinem Roman Schilten in seiner Poetik-Vorlesung:
Der Leser ist gewohnt, die Realität mit ihren verwirrenden Einzelheiten auf Distanz zu halten. Wer diesen Konsensus durchbricht, trifft ihn in einer ungeschützten Zone. Er wird permanent als einer behandelt, der alles weiß, in Wirklichkeit sieht er vor lauter Bäumen überhaupt nichts. Und etwas später: In dem dauernden Überziehen des Realen ins Aber-Reale, in eine Art traumatischer Hyperrealität, die fantastischer sein kann als das Surreale, tut sich eine erschreckende Realitätsunfähigkeit kund. Die Sprache kommt mit dem Gestus des Mitteilens daher und enthält in Wirklichkeit keine brauchbaren Informationen.
Innerhalb der Sprache selbst und nicht bloß in den ausgedrückten Informationen steckt die Charakterisierung des Protagonisten, der dank Burgers favorisierter Literaturform, dem Briefroman, selbst zu Wort kommt.

Gelegentlich bekommt man das Gefühl, dass Hermann Burger seine Leser verschrecken oder einfach an der Nase herumführen will. Beispielsweise spielt er wieder und wieder mit „Irrealien“, wie er sie nennt, also glaubwürdigen Fakten, die keine sind, vermischt mit „Realien“, also tatsächlichen Fakten, die teilweise wiederum wie erfunden wirken, um eine neue, fiktive, ausgesprochen glaubwürdige Realität zu schaffen, aber zum Teil auch, um unsere historische Realität zu verbessern, ihre Fehler zu tilgen. So dichtet er für dem Entfesselungskünstler Harry Houdini, der hundertfach sein Leben riskierte, um schließlich an einem Blinddarmdurchbruch zu sterben, sowohl einen Tod während eines seiner Entfesselungstricks an, als auch einen Deal mit dem Tod persönlich, um sein Ende zu einem allerletzten Trick, der die Menschen erstaunt, zu verwandeln.

Mir ist vollkommen bewusst, dass die wenigsten Leser Romane lesen wollen, deren Sätze zum Teil mehrere Seiten und drei oder vier Erzählebenen umfassen, weswegen ich Burger nur selten weiterempfehle. Es nutzt üblicherweise nichts. Doch jeder, der selber schreibt, sollte sich mindestens ein mal heranwagen und Burgers Poetik-Vorlesung Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben durcharbeiten, die dann hoffentlich wiederum Interesse an Schilten und Diabelli und all den anderen großartigen sprachlichen Kampfakten – Kämpfe auch des Autors selbst um das Werk, gegen sich und gegen den Tod – weckt.

Um wirklich über Hermann Burger zu schreiben, bräuchte man einen sehr viel größeren Rahmen als diesen Blog. Dennoch durfte er als eine meiner bedeutendsten Inspirationsquellen nicht unerwähnt bleiben und wird möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt nochmals unter spezielleren Gesichtspunkten behandelt werden: beispielsweise das häufige Auftauchen des Themas „Tod“ in seinem Werk.

In seinem Tractatus logico suicidalis schreibt der Autor unter Punkt 296 Das Werk ist die Lösung des Todesproblems, was sich zwar auf die Unsterblichkeit der Gedanken des Künstlers bezieht, jedoch für mich und sicherlich auch für Burger selbst ein realer, aktueller, wenn nicht sogar akuter, anhaltender Fakt ist oder bis zu seinem Selbstmord gewesen ist.

Sprachliche Experimentierfreude, den Mut zu komplexen Satzstrukturen, ungewohnter Wortwahl und ungewöhnlichen Themen sind einige der Einflüsse, die Burgers Werke auf meine eigene Arbeit allgemein hatten, doch auch kleinste Fragmente, einzelne Wörter, die ich in seinen Geschichten fand, inspirierten mich und fanden gelegentlich den Weg in meine Texte (präkollaptisch zum Beispiel).

Das mitarbeitende Unterbewusste

Unbewusst schleichen sich immer wieder Elemente in meine Erzählungen, die mir erst später auffallen. Das Unterbewusstsein arbeitet mit…

Seit einigen Wochen nun schreibe ich bereits meine Blogeinträge und erstelle zu jeder neuen Erzählung einen neuen, auch wenn am Ende weder der fiktive noch der erklärende Text hochgeladen wird.

Zum Einen halte ich damit für mich und potentiell auch für andere Gedanken fest, die sich bei der Entwicklung und während des Schreibprozesses ergeben haben, um diese Ebene nicht im vagen Halbschatten meiner Erinnerung versumpfen zu lassen, zum Anderen aber auch, um mir selbst neue Perspektiven auf mein Schreiben und damit mich selbst zu eröffnen. Während der Arbeit an einer Geschichte, sagte Hermann Burger, dürfe der Autor keinesfalls als Literaturwissenschaftler agieren und interpretieren, da sonst der Grund der Geschichte offengelegt werden könnte, was die Weiterarbeit daran sinnlos machte. Dem gebe ich durchaus recht. Man sollte bei der Linie, bei der inneren Logik oder der Grundidee bleiben, die man sich während des Entwicklungsprozesses zurechtgelegt hat, und später, wenn alles vollendet ist, interpretieren – oder den Text schamvoll von sich weg in Richtung der Leserschaft schieben.

Mehrfach wies ich bereits darauf hin, dass ich der Ansicht bin, jeder fiktive Text bedeute für jeden Leser etwas anderes, und enthalte mehr, als jedem einzelnen klar ist. Das allerdings schließt den Autoren nicht aus. Zu meinem großen Glück sind meine Freunde mit Beobachtungsgabe und Reflexionsfähigkeit ausgerüstet, was mir wieder und wieder Momente beschert, in denen ich meine eigenen Erzählungen und eben auch mich anders, neu oder tiefer verstehe.
Das letzte Beispiel hierfür kam von einer Freundin und bezog sich auf das Erzählungsduo Das Maurerdekolleté des Lebens / Das Maurerdekolleté des Todes. Sie überquerte mit mir die Straße zu meiner Wohnung, schaute sich um und erkannte plötzlich den Weg, den Theo in den beiden Geschichten geht: die Ampel, die Straße, den Weg vom Haus aus rechts ins Labyrinth, vom Haus aus links in die Natur. Soweit empfand ich es lediglich als Kompliment, da sie offenbar aufmerksam gelesen hatte, gleichzeitig aber auch ausdrückte, dass meine Beschreibung eben konkrete, sich in der Realität wiederfindbare Bilder auslöste. Bei Daniel Kehlmann meine ich gelesen zu haben, dass, wenn sich der Autor eine Szene vollkommen vorstellen kann, er sie nicht vollkommen zu beschreiben braucht, um die richtige Vorstellung auf den Leser zu übertragen.

Vom Küchenfenster aus besah sie die Straße (in der Todes-Geschichte linker Hand) und erkannte wiederum etwas, was ich allerdings nicht bewusst verbaut hatte. Der Blick auf den Weg endet unter mehreren hohen Bäumen, deren Äste die Straße überdachen, danach schlängelt sie sich derartig, dass sie dem Auge entkommt. Hingegen steigt das Land an und erscheint durch Häuser im Vordergrund, die in der Ferne Ortschaften für den Beobachter blockieren, als beinahe unberührte Natur: die Straße wird von Bäumen verschluckt, endet, dahinter ist nur noch ein Berg und Natur.

Zwar war diese reale Straße Vorbild für jene in der Erzählung, doch bedachte ich lediglich die allerersten Meter und bastelte – oder glaubte zu basteln – den restlichen Weg aus meiner Fantasie. Wie man sich doch täuschen kann. Der Anblick war unbestreitbar passend zur Fiktion und rückte diese damit in eine neue Perspektive. In Richtung des Grünen, auch wenn dort bloß einige Felder die Vororte unterbrechen, gehe ich spazieren, um den Kopf zu klären. In die andere Richtung geht es zum Einkaufen, zu Bushaltestellen und Geschäften. Die Bezüge sind eigentlich vollkommen klar. Unbewusst landeten diese Erinnerungen und Assoziationen in meiner Geschichte und fielen (mir) auch bei mehrmaliger Überarbeitung nicht auf.

Ein weiteres Beispiel, das ich bereits irgendwo öffentlich einmal erwähnt hatte, findet sich in der Erzählung Unbesiegbar, die als Spiel mit Details und als literarischer Scherz konzipiert gewesen ist, aber auf anderer Ebene als überdrehte Selbstbeobachtung gelesen werden kann:
Dem Protagonisten geht sprich- und wortwörtlich einer ab, während er die Feindschaft der Welt in Form von Prügel durch einige Fremde zu spüren bekommt, und damit das selbstgewählte Außenseitertum und den Krieg mit der Welt zelebriert. Eine nicht unpassende Beschreibung des Mindsets, in dem Freunde von mir und natürlich auch ich selbst durch die Gegend rennen.
Zunächst einmal bin ich grundsätzlich wütend. Ich werde skeptisch, wenn jemand freundlich ist, mir Komplimente macht, auch wenn ich deren Richtigkeit eigentlich nicht bestreiten kann, oder meine Texte ernsthaft mag, obwohl ich natürlich fest von ihrer Qualität überzeugt bin.

Je länger der Text, desto größer die Freiheiten und Wirkungen des stets mitarbeitenden Unterbewussten. Meine Romanmanuskripte sind (noch) nicht öffentlich zugänglich und werden daher hier nicht besprochen werden, allerdings lässt sich eindeutig sagen, dass sich darin wieder und wieder neue Elemente finden lassen, deren Platzierung zwar absolut stimmig ist, die aber nicht bewusst verbaut wurden – Wirkungen des Unterbewussten also.

Dieser Gedankengang, diese Realisation gegebener und ausgesprochener Wahrheiten, die lange oder ewig unsichtbar für mich selbst wie Geister durch meine Geschichten spuken, faszinieren mich, sorgen aber auch für Beunruhigung. Sollte unrealistischerweise irgendjemand alle versteckten Wahrheiten aus all meinen Fiktionen filtern und zusammenfügen, welches Bild ergibt sich für ihn? Was weiß dieser Über-Leser über mich, das ich nicht weiß? Liest er noch Geschichten oder liest er bereits mich? Kann mich eine andere Person besser kennen als ich mich selbst – und das auch noch durch eigenen Verrat von und an mir selbst? Habe ich irgendwo Kontonummer und PIN in meine Texte codiert?
Das geht natürlich zu weit. Aber meine innere Logik verbietet mir, solche Ideen auszuschließen. Täte ich es dennoch, wäre ich kein guter Autor.

Nun, wer meine Texte im Ernst auf unterbewusst versteckte Botschaften scannt und dabei über meine Kontodaten stolpern sollte, hat mehr verdient, als die paar €, die auf meinem Konto zu holen sind.

Inspirationsquellen

Artikel über die verschiedenen Quellen der Inspiration für meine Arbeit als Autor.

Dieser Eintrag behandelt allgemein verschiedene Inspirationsquellen, mit deren Hilfe ich freiwillig oder unfreiwillig meine kreativen Energien auf- oder überlade. Inspirationsquellen eben.

Über Musik und Literatur werde ich mich dabei zu anderen Quellen vorarbeiten.

Musik

Nach einem Weg durch den Rock der 60er und 70er, Punk, Metal und Pop der 80er und 90er, fühle ich mich seit Langem in der Metalszene zuhause; genauer der Stoner/Doom/Sludge-Szene, die recht klein ist.

Entsprechend ziehe ich einige Inspiration von Bands, die eventuell und leider den meisten nichts sagen werden.

Neben der Musik als solcher, die meist sehr bassig und aggressiv / depressiv ist, sprechen mich in diesem Zusammenhang natürlich besonders die Lyrics an. Die verstörenden Texte von Acid Bath (die leider nur zwei Alben veröffentlicht haben) beschäftigen mich beispielsweise gelegentlich. Darunter besonders The Beaufitul Downgrade. Die Zeilen

Do you remember the first sunrise?
Sharpened bone clenched tide in your fist
Screaming into the blue
An urge to kill the sky

lösen jedes Mal Bilder in mir aus. Es fühlt sich kraftvoll und ursprünglich an. Wild und unzivilisiert erklärt man Göttern den Krieg, die man selbst eben erst erfunden hat.

Die Band Down hat ebenfalls einige großartige Lyrics, die sehr deutlich und ungeschönt die dunkelsten Kapitel meines Lebens ansprechen. Aus Lysergik Funeral Pocession:

I get up, get ready to face this world
I come down
I come down so hard, I hit then bounce
In a pool of piss I lay

Die Kombination aus teilweise recht extremem und dadurch ehrlich wirkendem Gesang und ebenso echt und kreativ wirkenden Texten ist für mich jedes Mal beflügelnd.

Was diesen Aspekt angeht, wäre auf jeden Fall noch Battle of Mice zu nennen. Die Schreie der Sängerin Julie Christmas verschaffen mir regelmäßig wieder eine Gänsehaut. Vertonte Verzweiflung… da kommen die Dämonen aus den dunkelsten Ecken des Hinterkopfes gekrochen und melden sich großspurig zu Wort.

Selbstverständlich gibt es noch etliche andere Bands und Künstler speziell aus dieser Szene (Crowbar, Boris, Goatsnake, Mars Red Sky, Monolord uvm.), die Ideen und Bilder aus mir herausprügeln.

Doch auch völlig andere Musik beeinflusst mich (emotional, geistig und schriftstellerisch) stark. Nick Cave & The Bad Seeds, Tom Waits, Leonard Cohen und andere haben mich im Laufe meines Lebens (und damit Schreibens) massiv geformt. Beispielsweise liebe ich die Zeile And in the bathroom mirror I see me vomit in the sink (aus Magneto von Nick Cave) und das Bild, das sie auslöst: ein Neben-sich-stehen, während man abstürzt. Er beobachtet sich selbst auf seinem Tiefpunkt. Selbstverständlich löst das etwas in mir aus. Leonard Cohens Text zu Famous Blue Raincoat, der wie ein Brief verfasst ist, oder die Lyrics zu Avalanche haben nichts von ihrer Wirkung verloren. Zum Glück konnte ich ihn noch live sehen vor einigen Jahren.

Klassische Musik (live im Konzerthaus Dortmund beispielsweise) schafft es, meinen Geist auf Reisen zu schicken. Was er nachher im Gepäck hat, ist auf verschiedenste Weisen interessant – (auch?) für mich.

Literatur und Philosophie

Einen Autor, der nicht von anderen Autoren beeinflusst wurde, kann ich mir nur schwer vorstellen. Wenigstens in den letzten Jahrhunderten ist ein solcher Fall wohl auch nicht vorgekommen.

Nur ein paar ausgewählte der vielen Schriftsteller zu nennen, die meinen Weg begleitet haben, fällt mir nicht leicht. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich hier auf einige von ihnen einzeln und genauer eingehen.

Zu Anfang beeinflussten mich hauptsächlich englische Dichter – E.A.Poe, Lord Byron etc. –, aber auch ein paar deutsche – Rilke, Goethe. Lyrik lese und schreibe ich noch immer, aber die Dichter haben ihre Vorrangstellung in Sachen Inspiration verloren. Prosa-Schrifsteller übernahmen.

Jahre voller Sartre, Camus und Kafka folgten. Heute sind wieder andere an ihre Stelle getreten.

Jorge Luis Borges hat mein Denken massiv angeregt und verändert. Seine abgehobenen Ideen und die Verarbeitung philosophischer Konzepte in seinen Texte inspiriert(e) mich sehr.

Stilistisch und aufgrund der (teils sehr offensichtlichen) psychologischen Problematik wäre definitiv Hermann Burger als Inspirationsquelle zu nennen. Allein seine Poetik-Vorlesung Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben oder sein Tractatus logico-suicidalis haben mein Denken in Wege gelenkt, die es vorher nicht kannte.

Generell interessieren und bewegen mich die Frankfurter Poetik-Vorlesungen verschiedener Autoren immer wieder aufs Neue. Daniel Kehlmanns Vorlesung ist ebenfalls sehr zu empfehlen. Seine Geschichten, die eindeutig Borges und andere wiedererkennen lassen, sind kreativ und unterhaltsam. Kehlmann gehört zu einer Reihe von Autoren, die mich zu einem meiner Romanmanuskripte vor einiger Zeit inspiriert hatten. Besonders wohl die Vermischung verschiedener Realitätsebenen beziehungsweise der absichtlich undeutliche Übergang zwischen diesen Ebenen, eine Technik, die er gerne gebraucht, war verantwortlich dafür.

Um nur noch ein paar wichtige Namen zu nennen: Hunter S. Thompson, Charles Bukowski, Irvine Welsh und selbstverständlich sehr weit vorne Hermann Hesse.

Auch philosophische Texte können die Kreativität anregen und sprechen nicht nur das logische Denken an. Wie man bei Kehlmann und Borges lesen kann, gehört Schopenhauer dazu. Ich selbst musste auch feststellen, dass sein Werk Die Welt als Wille und Vorstellung etliche großartige Passagen enthält. Auch sein Stil ist recht unterhaltsam, da bereits im Vorwort eine Wut zutage tritt, die man in einer solchen Disziplin selten erwartet.

Philosophische Wut führt natürlich direkt zu Nietzsche. Ich las Also sprach Zarathustra betrunken im Park, an einem Sonnentag und habe später am gleichen Tag einen meiner heute besten Freunde kennengelernt. Definitiv inspirierend.

Noch etwas abgedrehter, aber äußerst interessant und beflügelnd, fand ich Himmel und Hölle von Swedenborg. Dieser hochintelligente und gebildete Mann wurde im Laufe seines Lebens häufiger von Engeln besucht, die ihm den Himmel und die Hölle zeigten. Seine Berichte sind durchaus lesenswert.

Sonstiges

Es ist eigentlich unwürdig eine solche Überschrift zu nutzen, wenn es um Kunst in verschiedenen Formen gehen soll. Doch degradieren wir diese Inspirationsquellen einfach mal und schauen, was passiert.

H.R.Giger hat mich in meiner Jugend stark beschäftigt. Kein Wunder, sind seine Werke doch düster, futuristisch und voller Sex. Jetzt gerade hängt ein Poster von Gigers ELP hinter mir und blickt hohläugig in den Raum. Wie bereits im ersten Beitrag (Arbeitsplatz) beschrieben, hängen Picasso, Munch und Klimt ebenfalls hier.

Von Nick Alm bin ich ein großer Fan, seit ich vor einigen Jahren sein Werk The Great Implosion in Stockholm sehen durfte.

Seine Bilderreihe eines Hochzeitsfestes beschaue ich mir gerne und häufig. Leider kann ich mangels Ahnung auf diesem Gebiet nicht viel mehr über seine Bilder sagen, als dass sie mich berühren und häufig exakt den richtigen Zeitpunkt von Schwäche einzufangen scheinen, der eine Figur im Innersten erfasst und definiert.

Ich würde, wie gesagt, nicht behaupten, Ahnung von Kunst zu haben, doch ich ziehe meine Vorteile daraus: Genuss und Inspiration.

Selbstverständlich müssen Filme, Serien, Opernbesuche, das Ballett (das übrigens in Dortmund inzwischen ausgezeichnet ist), Theater oder Auftritte wie von Saburo Teshigawara, der in seiner Broken Lights Tanzperformance mit und auf Glas tanzte, ebenfalls zu Quellen größter Anregung für mein Hirn zählen.

Manchmal kiffe ich aber auch und lese Batman-Comics … da kommt man ebenfalls auf Ideen.

Beim Schreiben dieses Eintrags ist mir deutlich aufgefallen, dass ich meine Pferde extrem zügeln musste, um nicht Seite um Seite weiterzuschreiben. Daher werde ich mein Vorhaben auf jeden Fall in Zukunft umsetzen und Beiträge über einzelne Autoren, Musiker und andere Inspirationsquellen verfassen. Dann kann ich auch deutlicher herausarbeiten, wodurch und inwiefern sie mich beeinflussten.

Als groben Überblick lasse ich diese paar Namen einfach stehen und stelle mir vor, dass man meine Texte nun ein wenig besser verstehen kann.

Krisen

Über Krisen und Probleme rund ums kreative Schreiben sowie mögliche Lösungsansätze dazu.

Dieser Eintrag handelt von verschiedenen Krisen rund um das Schreiben und darum, wie ich sie für mich löse oder zu lösen versuche.

Tabula Rasa & Horror Vacui

Das weiße, unbeschriebene Blatt, das sich vehement weigert, gefüllt zu werden.
Ob es nun die erste Seite eines neuen Projektes sein soll oder irgendeine Seite sehr viel tiefer im Arbeitsgeschehen, jeder Autor fürchtet sich wohl davor.
Fangen wir mit dem ersten Problem an. Wollen mir keine neuen Ideen kommen, was, ehrlich gesagt, sehr selten ist, ich aber unbedingt etwas schreiben möchte, gehe ich zunächst spazieren.
Das gibt neue Eindrücke und lässt das Gehirn ohne Druck arbeiten; hilft übrigens auch bei fortgeschrittenen Projekten und Problemen bestens.
Auf jeden Fall sollte man als Autor über eine ausreichende Fähigkeit zur Selbstreflexion verfügen und mit der Zeit wissen, was grundsätzlich inspirierend wirkt – Musik, Kunst, Passagen des Lieblingsautors etc. Auch diese Quellen aufzusuchen ist einen Versuch wert.
Eine der besten Methoden ist allerdings einfach nach bereits vorhandenen Ideen (aus dem eigenen Vorrat) zu suchen. Tage- und Notizbücher kann man gut durchstöbern, stößt möglicherweise auf fertige Plots, die ungenutzt verstauben, oder auf Erinnerungen an Liebschaften, Verluste, Freuden, die etwas auslösen. Das ist einer der vielen Gründe, warum man sämtliche Ideen notieren sollte, auch wenn man sie im Augenblick nicht zu brauchen meint.

Häufiger ist das Problem des Steckenbleibens in einer Geschichte – auch trotz Vorbereitung und Planung oder währenddessen. Natürlich kann man die gleichen Schritte (wörtlich und übertragen) unternehmen wie auch bei totaler Ideenlosigkeit. Doch mir hilft es am allerbesten, wenn ich mich den Problemen direkt stelle und mit meinen Fragen arbeite. Ich schreibe auf, weswegen ich nicht schreiben kann, was mich festhält und woran es liegen könnte. Die Fragen „Wie soll es weitergehen?“ oder „Warum sollte die Figur das tun?“ oder andere notiere ich mir und spekuliere regellos, aber ebenfalls in geschriebener Form (Stichpunkte oder ausformuliert). Üblicherweise arbeitet mein Gehirn im Hintergrund an den Antworten, die im Vordergrund gefordert werden. Während ich also die Fragen aufschreibe, beantworte ich sie mir bereits. Am Ende wundere ich mich manchmal, warum ich dann all die Probleme notiert habe, doch ohne diesen gesamten Ablauf wäre ich nicht voran gekommen.
Eine weitere, verspieltere Methode habe ich irgendwann für mich entdeckt: meine Wörterbuch-App hat eine „Zufallswort“-Funktion, welche ich dafür nutze. Das auftauchende Wort wird einfach irgendwie mit der Geschichte oder der Figur, um die es gerade geht, verknüpft. Würde eine Figur dieses Wort benutzen? Könnte man damit etwas oder jemanden beschreiben? Auf diese Weise erhält man etwas andere Perspektiven auf die eigene Story und kommt auf neue Ideen. Das funktioniert allerdings vermutlich nicht, wenn man unter Zeitdruck steht.
Gestern hat mich dieses Spielchen übrigens zu einer Kurzgeschichte inspiriert. Offenbar funktioniert es also auch bei der weiter oben stehenden Problematik.

Was treibe ich hier eigentlich? – Zweifel am Werk

Lese ich die Werke großartiger Autoren, die es längst geschafft haben, mache ich den Fehler und vergleiche mich mit ihnen. Das kann auch passieren mit Schriftstellern, die zwar veröffentlicht sind, aber ohne (in meinen Augen) eine Rechtfertigung dafür abzuliefern. In beiden Fällen kommen Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, Ideen und Werken auf.
Gibt es dafür eine Lösung? Nicht wirklich.
Als Autor bin ich narzisstisch genug, um davon überzeugt zu sein, dass meine Werke notwendig sind. Werden sie nicht veröffentlicht, ist das ein Fehler im System und keiner meinerseits.
Selbst wenn ich nicht von meinem Werk überzeugt wäre, würde das auch nichts ändern. „Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen“ sagte Arnold Schönberg. Da kann man wenig ergänzen. Ich schreibe nicht, weil ich es mag oder gut kann, sondern weil ich es muss. Da ich es schon lange muss, habe ich es häufig getan und kann es daher, was mir Erfolgserlebnisse beschert, weswegen ich es mag.

Was tun, wenn man nichts tut? – Motivationsproblematik

Nach den Worten eben muss schon die Überschrift paradox klingen. Allerdings gehe ich immer wieder durch Phasen, in denen ich nicht schreibe – und auch sonst wenig schaffe. Dann bin ich halbwegs depressiv – „halbwegs“, da dies kein Urteil von professioneller Seite ist – unzufrieden, lenke mich mit Nichtigkeiten (Netflix usw.) ab und bin insgesamt sehr kraftlos.
Hier sprechen wir von einem anderen Gegner als dem Zweifel weiter oben.
Meiner Erfahrung nach kann man es in diesen Zeiten einfach nur versuchen, auch wenn das Scheitern meist vorprogrammiert ist. So lange und häufig den inneren Schweinehund zum Kampf stellen, bis man den Sieg davonträgt.
Es gibt immer einen richtigen Zeitpunkt, um wieder herauszufinden aus der Dunkelheit. Einerseits gibt das Hoffnung, bevor der Moment da ist. Andererseits scheint es, wenn er dann gekommen ist, keineswegs zwecklos, ihn zu ergreifen. Das wiederum muss sein. Absacken in sein persönliches Gefühlsloch kann man jederzeit wieder, also sollten die Pausen unbedingt genutzt werden.
Manchmal sitze ich in solchen Zeiten da, schaue einen Film, der mich nicht interessiert, spiele gelangweilt am Handy und bin tief unzufrieden. Warum? Weil ich nicht tue, was ich tun sollte, was mich zu tun drängt. Wie vorher gesagt: ich muss schreiben. Dieser Drang, diese Kraft, ist immer da. Auf der anderen Seite steht ein selbstzerstörerischer Trieb, der sich eben gelegentlich wie eine Mauer verhält und totalen Stillstand fordert. Die bekannte Superman-Frage: Was geschieht, wenn ein unbewegliches Objekt von einer unaufhaltbaren Kraft getroffen wird?
Es kommt zu herrlichen Ausbrüchen von Kraft.
Ich baue die Mauer und die Explosionen in meine Geschichten ein.
Nein, ich baue aus daraus meine Geschichten.

Schritte (und Fallen)

Über meine Versuche, Publikum zu erreichen und veröffentlicht zu werden, sowie die Hürden und Fallen auf dem Weg.

Es ist vermutlich bereits deutlich geworden, dass ich eine Veröffentlichung meiner Werke – in dieser Reihenfolge: Romane, Kurzgeschichten, Lyrik – anstrebe. Diese Veröffentlichung sollte (auch und hauptsächlich) in Form gedruckter Bücher erfolgen, was eine Einschränkung darstellen kann. Doch das wäre mein Ideal.

In diesem Blogeintrag wird es darum gehen, welche Schritte ich im Laufe des letzten Jahres unternommen habe, um mein Ziel zu erreichen. Außerdem werde ich von einigen Fallen berichten, in die man auf einem solchen Weg tappen kann. Um in Zukunft keinerlei Nachteile zu erleiden – mein Projekt ist schließlich im höchsten Grade egoistisch –, werde ich keine Namen erwähnen, die mir noch nutzen könnten.

Während einer ausgesprochen motivierten Phase entschied ich mich, endlich veröffentlicht zu werden und ging den logischen, überhasteten, ersten Schritt: Was ich an brauchbarem Material – und das war zu dem Zeitpunkt eigentlich nur Lyrik – hatte, wurde durchgeguckt, minimal aufgearbeitet und an Verlage geschickt.
Bei Lyrik gibt es das grundsätzliche Problem, dass kein Schwein das Zeug mehr liest.
Schöner ausgedrückt: es gibt einen sehr eingeschränkten Markt, der vermutlich nicht mehr Menschen umfasst, als der Kreis, der das Produkt selbst herstellt.
Schaut man sich um, merkt man relativ schnell, dass nicht wenige Leute Gedichte verfassen, aber kaum jemand (moderne) Lyrik mehr kauft. Aus Sicht der meisten Verlage ist das ein eindeutiges Zeichen zum Ausstieg aus diesem Segment. Was also resultiert daraus?
Erstens:
Es entwickelten sich einige Verlage, die auf Gewinn verzichten. Diese sind entsprechend klein in ihrer Reichweite und Ausgabenzahl. Das ist an sich kein Problem. Für mich problematisch war eher, dass diese idealistisch ausgerichteten Verlage es eben auf jeder Ebene sind, also eine gewisse Botschaft zu verbreiten hoffen – politisch, gesellschaftlich, religiös.
Zweitens:
Es gibt andere Verlage, die nicht mit den Büchern, sondern mit den Autoren Geld verdienen wollen. Hier wird es gefährlich! Zunächst erkennt man – beispielsweise vom Internetauftritt her – häufig nicht, was dahintersteckt. So freute ich mich auch recht schnell über einen dicken Umschlag, der einen Vertrag enthielt. Allerdings brauchte man von mir einen kleinen Zuschuss in Höhe von etwa 4800€. Dieser Betrag war bereits heruntergerechnet – beispielsweise der mögliche Gewinn von verkauften Exemplaren war abgezogen. Ich hätte also ein Buch veröffentlicht, aber auf eigene Kosten und ohne die Chance auf Einnahmen. Eine gekaufte Veröffentlichung kann man günstiger haben.
Danach recherchierte ich jeden weiteren Verlag sehr viel genauer.
Ich persönlich halte dieses Geschäftsmodell für ausgesprochen mies, da natürlich jeder Autor von seinem Namen auf eigenen Büchern träumt, sich entsprechend schnell einschmeicheln lässt und schließlich bloß abgekocht wird. Fühlt sich für mich an wie Verrat.

Der nächste Schritt waren Wettbewerbe.
Grundsätzlich gab es dort für mich wiederum häufig das gleiche Problem wie mit den kleinen Verlagen und ihrer Agenda. Selbstverständlich sind Einschränkungen für einen Wettbewerb sinnvoll und teilweise unumgänglich. Dennoch ist es frustrierend seitenweise Wettbewerbe durchzuschauen und einen nach dem anderen aussortieren zu müssen – falsches Alter, falscher Wohnort, falsche Herkunft, falsche Botschaft, Thematik oder Grundstimmung.
Kurze Anmerkung: Auch bei Wettbewerben gibt es Fallen. Beispielsweise fordern manche Betreiber Teilnahmegebühren, Bearbeitungsgebühren oder Ähnliches ein. Hier sollte man also auch etwas recherchieren.
Trotz allem habe ich mich zu so manchem Wettschreiben angemeldet – diesmal auch mit Kurzgeschichten. Vollständig erfolglos übrigens.
Vorteil der Themen- und Längenvorgaben war für mich auf jeden Fall, dass ich in Richtungen dachte, die mir vorher nicht in den Sinn kamen. Entsprechend zog ich also etwas daraus, wenn auch keinen pekuniären Gewinn.
Seien wir ehrlich, mein Schreibstil ist ein bisschen ungewöhnlich – ein Prosa-Beispiel wird bald gepostet – und der Boden der Texte häufig weit entfernt vom Licht angesiedelt. Darauf schiebe ich die ausbleibenden Siege. Außerdem kann man sich immer sagen, dass alles Geschmackssache sei und all den üblichen, trivialen Unsinn.

Literaturmagazine waren die nächste Station. Die Auflage dieser Hefte ist sehr klein – einige hundert Exemplare alle paar Monate. Der große Vorteil anerkannter Magazine ist aber, wen sie erreichen. Sämtliche Hefte landen bei Literaturbegeisterten, von denen viele beruflich involviert sind, also Agenten, Lektoren und andere, deren Aufmerksamkeit absolut nicht schaden kann. Einige wenige Beiträge habe ich dort unterzubringen versucht. Warum eigentlich nicht mehr? Werde ich ändern.

Zwischendurch besuchte ich die Frankfurter Buchmesse, schaute mich um und hörte mir Vorträge an. Letzterer Part war besonders interessant. Vertreter aus den Rängen der Literaturagenten trugen vor oder wurden befragt. Sie machten verständlicherweise Werbung für ihre Branche, doch berichteten sie auch von ihrer Auswahlpraxis für neue Manuskripte, von der Menge neuer Zusendungen und von ihrer Arbeit allgemein. Im Grunde übernehmen sie alles Geschäftliche und nutzen ihre Kontakte, um den Autoren Ruhe zu geben für das, was sie korrekterweise eben zu tun haben: schreiben. Mir selbst wäre die Arbeit mit einem guten Agenten sehr lieb, aber das muss jeder für sich selbst wissen. Noch ist der Markt wohl nicht völlig versperrt ohne Agenten. Allerdings kann man sich vorstellen, dass jemand, der am Wochenende bei einem Glas Wein mit seinen Freunden im Lektorat verschiedener Verlage über neue Autoren spricht, größere Chancen auf Unterbringung eines Manuskripts hat, als der Typ, von dem noch niemand etwas gehört hat und der aus dem Nichts eine Email schreibt.
Übrigens erzählten einige Agenten auch von aktiver Akquise online. Ich habe also Hoffnung für meine Projekte.
Auch in dieser Branche gibt es Leute, die Autoren ausnutzen wollen. Grundsätzlich verdient eine seriöse Agentur nur dann, wenn der Autor auch verdient, also durch Prozente des Gewinns. Vorher sollte es absolut keine Kosten geben: nicht für Bearbeitung, Vorlektorat oder irgendwelche anderen Dinge. Hier sollte man ebenfalls recherchieren.

Entsprechend gingen die nächsten Bewerbungen – wir reden jetzt vom Romanmanuskript, das inzwischen fertiggestellt wurde – an Literaturagenturen.
Einige Agenturen – unter anderem die, die auf meiner Liste ganz oben standen – haben die Vorgabe, dass man ihnen mitzuteilen hat, bei welchen Konkurrenzfirmen und Verlagen man sich bereits beworben hat, wer ablehnte, auf wessen Antwort man noch wartet etc. Am Telefon erklärte man mir, dass man eben sehr beschäftigt sei und die Auskunft „ich habe mich außerdem bei XY beworben“ dazu führe, dass das Manuskript ganz unten in den Stapel gelegt werde, bis die andere Agentur geantwortet habe. Man will sich also keine unnötige Arbeit machen. Dies führt allerdings dazu, dass – wenn man sich wie ich an diese Vorgaben hält – immer nur eine einzige Bewerbung herausgeschickt werden kann. Dann wiederum ist es gängige Praxis, keine Ablehnungsschreiben herauszuschicken, sondern lediglich einen Zeitraum zu nennen, nach dessen Ablauf von einem Nein auszugehen ist. Dieser Zeitraum ist dann zwischen einem und drei Monaten lang.
Allein deshalb laufen meine Bemühungen in diesem Bereich noch.

Die aktuellsten Bemühungen sieht man online. Zunächst, weil so Publikum erreicht werden kann, auch ohne Veröffentlichung. Definitiv aber auch als Werkzeug, um Aufmerksamkeit auf mich zu lenken seitens Agenturen und Verlagen.
So kann ich sozusagen aktiv und passiv an der Veröffentlichung arbeiten.

Eine weitere Fallen-Anmerkung: per Instagram wurde ich kontaktiert, ob ich Interesse habe, von einer Zeitschrift für Kunst beworben zu werden. Die wenigen meiner Bilder dort, die man als Kunst bezeichnen könnte, sind bloß ein Rahmen für mein Geschriebenes. Daher kam mir die Anfrage suspekt vor. Nach kurzer Recherche stellte sich heraus, dass es bald zu einem Wettbewerb weitergehen sollte, der wiederum Geld kostet. Andere Künstler leiden offenbar unter den gleichen Problemen wie Autoren.

Nebenbei verfasse ich neue Texte – unter anderem einen neuen Roman.

Spätestens im Sommer 2019 werde ich, sollte das Manuskript, das jetzt hier und da unterwegs ist, nicht angenommen worden sein, eigenständig veröffentlichen und wahrscheinlich mit dem neuen Manuskript das Spiel von vorne beginnen.