Hinweis: Compendium Obscuritatis

Hinweis auf die neue Anthologie von Nikas Erben: Compendium Obscuritatis.

Seit Halloween ist die neueste Anthologie des Autor*innenkollektivs Nikas Erben überall zu haben. In Compendium Obscuritatis sind Geschichten verschiedener Autor*innen versammelt, die sich allesamt um bisher unbekannte Fantasiewesen drehen. Dabei sind viele verschiedene Genres vertreten, aber der Schwerpunkt liegt wohl bei Fantasy und Horror. Zwischen Monstern und niedlichen Fantasiewesen findet ihr alles.

Ich selbst habe zwei Erzählungen beigesteuert, über die ich hier auch noch schreiben werde. Zu kaufen gibt es das Buch überall, wo es Bücher zu kaufen gibt, beispielweise hier:

AMAZON

Books on Demand

Hinweis: Podcast mit 3 Erzählungen von M. Thurau

Im Podcast “Klausgesprochen” werden 3 Erzählungen aus “Erschütterungen. Dann Stille.” vorgelesen.

In der neuesten Folge des Podcasts Klausgesprochen werden 3 Erzählungen aus Erschütterungen. Dann Stille. professionell vorgelesen:

KLAUSGESPROCHEN – ERSCHÜTTERUNGEN. DANN STILLE.

Ausgewählt wurden die Kurzgeschichten Am Fluss, Der Sturm im Bierglas und Geschlossene Türen. Viel Spaß!

Erschütterungen. Dann Stille.: Alles auf einmal und alles für dich

Abschluss der Blogreihe zum Erzählband “Erschütterungen. Dann Stille.”

Den Titel dieses Blogeintrags habe ich, glaube ich, von der deutschen Synchronversion des Films The Crow geklaut. Wie dem auch sei, es ist vorbei. 29 Blogartikel über 29 Geschichten innerhalb von 102 Tagen + Extras, immer mittwochs und samstags (mit einer einzigen Ausnahme, weil das Filmtagebuch von März den Weg versperrte). Hier möchte ich noch einmal auf das Buch Erschütterungen. Dann Stille. blicken, auf die Arbeit an den Blogeinträgen und auf den Gewinn, den ich aus all dem ziehe.

Die Blogartikel für alle Geschichten + Extras

Mehr Blogartikel als verkaufte Bücher

Ja, da staunt man. Grundsätzlich schaue ich selten auf meine Verkaufszahlen, was 1. unklug und 2. reiner Selbstschutz ist. Dennoch gilt, dass ich so gut wie gar kein Geld in die Produktion von Erschütterungen. Dann Stille. investiert habe, sondern lediglich Stunden um Stunden konzentrierter Arbeit (und nicht zu vergessen: die Arbeit anderer, die so gut waren, mir zu helfen). Also nur Lebenszeit und Energie. Die Zeit kriege ich nicht wieder und das wenige Geld ist auch noch nicht wieder eingespielt worden. Trotzdem ist die Überschrift des Absatzes überspitzt, denn mehr als 29 Bücher habe ich dann doch verhökern können. Ich frage mich gerade, ob nur Leser*innen, die das Buch gelesen haben, auch die Blogartikel lesen, oder ob sich so manche*r die Artikel ohne die Geschichten durchliest, um … wer weiß? Mir wäre auch das recht.

Das fette Warum

Warum schreibe ich die Artikel der Blogreihe und jene Texte über Sorck, Alte Milch oder Das Maurerdekolleté des Lebens? Für Werbung allein wäre es schon eine Menge Arbeit. Es geht mir um mehr. Das Grundkonzept des Blogs geht auf die Faszination mit Werkstattblicken und Poetiken anderer Autor*innen, z.B. in den Frankfurter Poetik-Vorlesungen, zurück. So viele faszinierende Gedanken und Informationen. Das wollte ich auch tun. Fraglos steckt da auch Arroganz drin, oder sagen wir besser: Stolz. Ein Grund für Blogreihen wie die zu Erschütterungen. Dann Stille. ist ganz klar, dass ich zeige: Seht her! Das habe ich gemacht. So viel Arbeit steckt drin. Und ich finde, das ist gerechtfertigt, ganz besonders in Anbetracht der Leser*innen, die sich bei mir melden und mir sagen, dass sie viele Details in den Geschichten nicht erkannt hatten und sich gerade deshalb sehr über die Artikel freuten. Sie ändern noch einmal die Perspektive auf das Werk. Eine Art Wiederbelebung.

Was ich von mir selbst lernen kann

Oder über mich? Wie es mit dem Schreiben so ist, erkennt man häufig erst, was man tut, wenn man es getan hat, oder während man es tut. Das gilt auch für Blogartikel. In all meinen Texten steckt viel Gedankenarbeit, die größtenteils vor dem Schreiben stattfindet, teilweise dabei und dann wieder in großen Portionen danach, das heißt vor der Überarbeitung. Trotzdem erkenne ich manchmal nicht, warum eine Geschichte oder ein Part besonders gut funktioniert, nur dass er funktioniert. Dann schreibe ich später einen Blogeintrag darüber und plötzlich wird es mir klar. Nicht nur mit Schreibtechniken, die ich verinnerlicht habe, funktioniert das, sondern auch mit Hintergrundgedanken und manchmal mit Bezügen zu meinem Leben. Ich entdecke mich manchmal nachträglich in Texten und an Stellen, an denen ich mich nicht bewusst eingeschrieben hatte. Ich lerne durch das Nachdenken über meine Texte in Form weiterer Texte, wie ich schreibe, was mir beim Schreiben passiert (zustößt?), dass ich mich niemals darauf verlassen kann, nicht als Person in den Text zu rutschen, und ich lerne, wie tief manche noch so weit im Raum der Abgedrehtheit schwebende Idee doch in mir verwurzelt sein kann.

But wait, there’s more

Während ich Geschichten schreibe, denke ich hauptsächlich darüber nach, was ich sagen möchte. Beim Schreiben über das Schreiben denke ich auch darüber nach, aber nur nebenbei, und frage mich mehr, was bei den Leser*innen ankommen könnte. Beim Lesen ist es letztendlich egal, was der*die Autor*in aussagt, und entscheidend, was verstanden, herausgelesen, interpretiert wird. Jede*r geht mit einer ganz eigenen Erfahrungswelt an ein Buch heran, das wiederum Widerspiegelung einer Erfahrungswelt ist. Deshalb können gesendete und empfangene Botschaft niemals übereinstimmen – wie auch in jedweder anderen Kommunikation.

Gehe ich also an die eigenen Texte heran und frage mich, welche Lesarten möglich sein könnten, welche Interpretationen und Gedanken sie erlauben oder fördern, lerne ich, mich selbst auf Fehler und Unklarheiten hinzuweisen. Beispielsweise habe ich im Text zu Bad Luck II über die Unmoral des Protagonisten nachgedacht und in dem zu Caspars Schiffe, der zwar früher veröffentlicht, aber später geschrieben worden ist, musste ich feststellen, dass man mit dem selben Gedankengang die Hauptfigur und ihre Integrität schnell infrage stellen kann. Im Nachhinein kann ich an den Veröffentlichungen nichts mehr ändern, könnte höchstens neue Auflagen herstellen. Aber davon halte ich wenig. Lieber lerne ich für die Zukunft. (Ginge es hier um krasse Fehler oder Unklarheiten, die ganz bitter missverstanden werden könnten, sähe das anders aus.) Auch so werde ich aufmerksamer, sensibler, besser.

Neue Lesarten von Geschichten, die ich bereits geschrieben habe, zu entdecken, lehrt mich auch, weitere Ebenen und Lesarten in zukünftige Geschichten einzubringen. Das rede ich mir jedenfalls ein.

Rezensionen?

Wie wohl die Beziehung ist zwischen dem genauen Lesen fremder Texte, das man mir nachsagt und das man in Rezensionen erkennen kann, und dem Nachdenken (Nachlesen?) eigener Texte? Lese ich fremde Texte so genau, weil ich auf meine Texte so sehr achte, oder achte ich auf meine auf diese Weise, weil ich fremde so lese?

Ich glaube, es hat etwas mit Bedeutungen zu tun. Ich kann es nicht akzeptieren, dass Aussagen und Details in Filmen, Büchern, Songs, Geschriebenem und Gesprochenem keine Bedeutung haben sollen, und wenn es diese Bedeutungen gibt, lohnt es sich immer, sie zu finden. Zu begreifen, was anderen bedeutsam genug erscheint, um es öffentlich zu verstecken, verspricht, die eigene Sicht auf die Welt zu bereichern. Damit läuft man zwar auch Gefahr, ungewollt Ausgesagtes schneller zu entdecken (entlarven?), aber das ist wohl kaum etwas Schlechtes.

Mehr Kurzprosa?

Es wird da draußen einige Leser*innen geben, die Erschütterungen. Dann Stille. gelesen haben und sich gefragt haben werden, woher sie weitere Kurzgeschichten und Erzählungen von mir bekommen könnten, hoffe ich. Es gibt tatsächlich mehrere Wege. In der noch 2021 erscheinenden Anthologie von Nikas Erben wird es zwei Geschichten von mir geben, über die ich auch wieder nachträglich nach-denken und schreiben werde. Außerdem soll eine meiner Geschichten in der Anthologie von Magret Kindermann erscheinen. Ende 2020 ist dann noch der Text Ich rezensiere mich im Syltse Magazin erschienen. Ich werde weiterhin neben Lyrik und Romanen auch Kurzprosa schreiben, an Ausschreibungen teilnehmen und schließlich ausreichend Material für weitere Kurzgeschichtenbände gesammelt haben. Aufhören werde ich nicht. Niemals. This is what I do.

Hinweis: Das Maurerdekolleté gibt es günstiger!

Hinweis auf die Preisaktion zum Buchgeburtstag von “Das Maurerdekolleté des Lebens: Drei surreale Geschichten” von Autor Matthias Thurau.

Am 29.03.21 wird der 1. Buchgeburtstag gefeiert von Das Maurerdekolleté des Lebens: Drei surreale Geschichten. Damit alle mitfeiern können, gibt es daher das E-Book 2 Wochen lang für nur 99 Cent zu kaufen.

Erschütterungen. Dann Stille.: Leseproben

Erschütterungen. Dann Stille. ist ein Buch mit insgesamt 29 Erzählungen unterschiedlicher Länge. An dieser Stelle werden Ausschnitte mehrerer Geschichten (Anfänge oder Parts aus der Mitte) als kostenlose Leseprobe zu lesen sein. Doch zuvor der Klappentext:

Klappentext

»Was halten wir aus? Wann zerbrechen wir? Manchmal wollen wir alles in Schutt und Asche legen, nur um zu vergessen oder erinnert zu werden …

Ich werde dir nicht sagen, dass du dich in die 29 Erzählungen dieses Bandes fallen lassen sollst. Sich fallen lassen in Geschichten, die von Erschütterungen handeln, die das Leben bereichern, ärmer machen oder zerstören? Wie spannend.

Auch werde ich dich nicht marketingwirksam dazu einladen, die Figuren zu den Epizentren ihrer eigenen Geschichten zu begleiten und mitzuerleben, wie sie durch die Erschütterung von Körper, Geist und Realität stärker, freier, euphorisch werden oder einfach nur kaputt gehen.

Nein. Dieses Buch ist anders. 29 Geschichten, ja. Erschütterungen? Definitiv. Aber: Lass dich nicht fallen, niemals, sondern beiße dich fest! Nutze die Stille für eigene Gedanken! Werde wütend, traurig, laut und erschüttert! Erschüttert!«

Leseproben

Am Fluss

Kruppke stoppte seine Arbeit und sah mir ins Gesicht.
»Babykatzen? Wirklich?« Er überlegte.
»Wie im Zeichentrickfilm?«
»Ja, einen kleinen, jaulenden Sack voll Kätzchen.«
Mein Gedächtnis spielte mir die Szene noch einmal vor. Die Frau, die Brücke, das Fiepen vor und nach dem Aufklatschen aufs Wasser, dann Stille. Langsam trieb der Sack flussabwärts und verschwand. Ich ersparte Kruppke die Details. Auch wenn er keineswegs so aussah, hatte er einen weichen Kern. Manchmal geradezu matschig. Hätte ich ihm alles genau geschildert und ihm noch etwas zugeredet, hätte ich ihm nur noch eine Adresse geben müssen und er hätte den gerechten Zorn Gottes zur Katzenfrau getragen. Doch das war nicht mehr nötig.

Der Mitatmer

Er atmet mit mir, durch meinen Mund, durch meine Nase, immer knapp vor dem Gesicht. Er atmet meinen Atem, isst die Krümel aus den Mundwinkeln, leckt mir die Sauce von den Lippen und lässt sie bitter schmecken. Er kommt mit wenig aus. Manchmal vergesse ich ihn fast. Dann ruft er sich leise in Erinnerung, wackelt mir liebevoll an den Zähnen, kreischt wie Reifen in den Ohren. Ich würde mich gern wegdrehen und nicht immer diese Augen sehen. Wie ein dünner Film auf den Pupillen, wie Schwimmer in den Augen. Sieht man ihn einmal, verschwindet er nicht mehr. Nur manchmal ist da ein Schimmern, ein Umriss. Er steht zwischen mir und der Welt. Er atmet meinen Atem, erstickt meine Stimme und kommt mit wenig aus. In einem langsamen Tanz hält er mich umschlungen, presst mir die Luft aus den Lungen, führt mich spazieren wie einen Hund und dreht sich manchmal wie die Reflexion der Sonne in einem Fenster, das man öffnet. Doch immer sind die Augen auf mich gerichtet. Ich werde langsam blind. Er ist so nah. Seit damals. Seit damals ist er geblieben. Wie ein Zerrspiegel aus Dunst, der mir direkt vor den Augen schwebt. Fahre ich Auto, ist es am schlimmsten. Ich fahre nicht mehr mit dem Auto. Beinahe kann ich seine Haut erkennen, seine Kälte spüren. Der Mitatmer ist eingestiegen. Ich habe ihn eingeladen. Wie ein Reh. Scheinwerferkegel, dunkle Straße, wie ein Reh. Er war plötzlich auf der Straße wie ein Reh und dann auf der Windschutzscheibe. Nur für einen Moment. So kurz. Er sah mir in die Augen. So schnell. Dann flog er weiter. Er flog und schlug auf und er schrie und ich drückte das Pedal durch, doch er blieb bei mir. Er blieb. Er steht mir direkt vor den Augen. Er atmet meinen Atem. Bitte, nicht mehr. Er ist so nah. Es tut mir leid. Er will nicht gehen …

Double Cheese

[…]

Ein seltsamer Kontrast bestand zwischen dem strahlenden Grün der Wiese neben dem geharkten Fußweg und dem schwarz verrußten Grauhimmel über mir. An manchen Stellen schien er hölzern-fleckig zu sein, als klebten Wolken hinter der Himmelskuppel anstatt davor, oder als ließen Fahrlässigkeit und Alter dieser Welt die Leinwand Gottes unter seiner Arbeit durchschimmern. Konzentrierte ich mich auf den Horizont, war es, als stünde man in der Tür zwischen einem Konzertsaal, in dem Bach gespielt wird, und einer Werkshalle, in dem Steinbrocken geschreddert werden. Man konnte das Geschrei des Himmels sehen und den Gesang des Bodens spüren. Zugleich war es totenstill. Aufgrund der Stille kam mir mein Puls lauter vor. Plötzlich vernahm ich Schritte. Sie näherten sich schnell von hinten. Als ich mich umdrehte, bekam ich eine heftige Ohrfeige und sank in die Knie. Vor mir schüttelte eine Frau, die ein aufgeschlagenes Buch auf dem Kopf balancierte, ihre Hand, als hätte sie sich verbrannt. Sie bemerkte meinen Blick, holte tief Luft und begann folgende Worte in großer Geschwindigkeit und ohne Atempausen herunterzurattern:

»Sehen Sie, mein Herr oder meine Dame, ich urteile nicht, Sie fragen sich nicht, womit Sie eine Ohrfeige verdient haben in dem Sinne, ob Sie überhaupt eine verdient hätten, sondern vielmehr im Sinne einer zu großen Auswahl an Auslösern oder Gründen oder Schuldzugeständnissen, aber in Wirklichkeit ist es unerheblich, ob Sie Schuld haben oder nicht, denn es zählt nur, ob Sie welche tragen, das heißt, glauben, Schuld zu haben und gestehen zu müssen, weshalb Sie nicht protestieren, sondern insgeheim dankbar sind, dass ich Ihnen den Gefallen getan habe, Ihre Schuld, welche auch immer es sei, zu bestätigen, zu bestrafen, damit schließlich zu läutern, und das ist meine Aufgabe: Ich helfe den Leuten.«

Sie beugte sich schwer atmend vor und stützte die Hände auf die Knie. Mit der erhobenen Hand bat sie wortlos um einen Moment der Erholung. Dann sprach sie weiter:

»Wenn Sie es wünschen, kann ich das Szenario verkomplizieren und beispielsweise einen Gerichtssaal improvisieren, ich sehe es schon vor mir, eine Tribüne mit 12 Geschworenen – warum eigentlich immer 12? Hat das etwas mit Jesus zu tun? – dort drüben und eine Richterbank hier vorn, das Publikum würde ‘runter mit dem Kopf’ brüllen, aber vielleicht verwechsele ich hier die Albträume, und am Ende würden alle einsehen, dass es ihre einzige Aufgabe ist, bei Ihrer Selbstanklage und Ihrem Gejammer zugegen zu sein – Das hatten wir alles schon, ein weiterer Albtraum! –, und alle gehen gelangweilt nach Hause außer Ihnen, weil Sie etwas gelernt haben oder glauben, etwas gelernt zu haben, oder auch bloß zufrieden sind mit einer weiteren durchstandenen Jammerrunde, Sie Käse fress… en… d«.

Plötzlich sank sie mit blau angelaufenem Gesicht zu Boden und regte sich nicht mehr. Aus der Wiese zu meiner Rechten erhoben sich kleine Erdhügel und aus jedem blickte ein kleiner Kopf. Ein paar Männchen gruben sich selbst aus und, als sie mich entdeckten, begannen mich breit anzugrinsen. Während sie zur Frau mit dem Buch auf dem Kopf schlichen, hielten sie permanent Blickkontakt mit mir. Einige begannen zu tanzen und zu hampeln. Mein einziger Gedanke, dessen Herkunft ich mir nicht erklären konnte, lautete: Ihr schon wieder. Die grinsenden Männchen packten die Frau an den Hand- und Fußgelenken und zerrten sie zur Wiese links von mir. Wie in Wasser tauchten sie unter und während die Männchen plantschende Geräusche verursachten, ließ die Frau den Klang von knisterndem Bonbonpapier zurück.

Schlammläufer

[…]

Max starrt auf die Fliesen vor sich. Manchmal steht er direkt vor mir, aber ich kann seinen Atem nicht riechen. Was er ausatmet, ist die Abwesenheit von Luft. Ich kann nicht atmen, was er atmet. Er atmet Ersticken. Max lächelt unsicher. Will er mir Angst machen? Ich suche die Wände und die Decke nach versteckten Kameras ab, denke an die Möglichkeit einer Prank-Show. Wer weiß schon, was man alles unterschreibt, ohne es genau zu lesen? Wenn es keine Show ist und ich nicht im Koma liege (ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht im Koma liege), steckt Max möglicherweise alleine hinter der Nummer. Nicht nur das verfallene Gebäude ist mir nicht geheuer, sondern auch, es mit einem fast nackten Typen teilen zu müssen.

Max? Ich werde mich im Gebäude umschauen. Max nickt, dann schüttelt er heftig den Kopf. Lass mich nicht direkt wieder allein! Kann ich mitkommen? Falls er schauspielern sollte, macht er einen guten Job. Ich kriege Mitleid. Hör zu! Wenn du unbedingt mitkommen willst, läufst du bitte vor mir. Ich weiß nicht, was hier Sache ist, und ich kenne dich nicht. Während ich das sage, suche ich den Boden nach lockeren oder abgebrochenen Fliesen ab, die ich als Waffe einsetzen könnte. Nichts zu machen. Ich werde unterwegs Ausschau halten.

Dann signalisiere ich Max aufzustehen und deute auf einen Durchgang genau in der Mitte der Wand. Max erhebt sich und ich kann mich nicht entscheiden, ob er mich dabei an einen kleinen Jungen oder einen alten Mann erinnert. Er wirkt schwerfällig, aber auch flapsig. Während er vor mir läuft, fällt mir auf, wie albern die Mischung aus Badehose, Laufschuhen und Socken wirkt. Vor dem Durchgang bleibt er stehen und schaut mich an. Er braucht eine Bestätigung. Ungeduldig nicke ich und er geht hindurch. Gefliester Flur, Schilder mit Hygiene-Hinweisen und Verboten, links und rechts Türen zu Gruppenduschen. Sollte ich Raum für Raum inspizieren?

[…]

Verkaufslinks

Kaufen könnt Ihr Erschütterungen. Dann Stille. als E-Book oder Taschenbuch beispielsweise hier ODER Ihr kontaktiert mich direkt und könnt signierte Exemplare erwerben:

Amazon (TB) | Amazon (Kindle) | Books on Demand (TB) | Weltbild (E-Book) | Autorenwelt (TB; Mehr Marge für Autor*innen)

Erschütterungen. Dann Stille.

Über das vierte Buch von Matthias Thurau: Erschütterungen. Dann Stille. Eine Sammlung von Kurzgeschichten und Erzählungen.

Zum vierten Mal ist es soweit. Ein von mir verfasstes Buch wird veröffentlicht (am 15.11.2020). Mit Erschütterungen. Dann Stille. kommt zum allerersten Mal eine Sammlung von Kurzgeschichten und Erzählungen auf den Markt. 29 Texte auf 194 Seiten. In diesem Blogeintrag möchte ich ein wenig auf den Titel eingehen, darauf, was die Leser*innen im Buch erwartet und welche Blogartikel begleitend hier erscheinen werden.

Erschütterungen. Dann Stille?

Meine Literaturprojekte entwickeln sich im Geheimen, schleichen sich an und stehen plötzlich da. Dass aus einem Romanmanuskript ein Roman werden wird, ist offensichtlich, aber dass eine kurze Geschichte (und dann noch eine und noch eine) schließlich zum Teil eines Erzählbandes wird, ist mir im Moment der Bearbeitung nicht bewusst. Daher benötigte ich im Nachhinein eine Überschrift. Zuerst waren die Geschichten da, dann das Buch.

Die Überlegung, was alle Geschichten miteinander gemein haben, führte mich zu Erschütterungen. Ein Testleser merkte einmal an, dass er gerade jene Erzählungen von mir besonders schätze, in denen es Explosionen gibt. In Sorck gibt es einige davon, in Erschütterungen. Dann Stille. ebenfalls. Das wäre eine Art von Erschütterung. Die meisten Geschichten drehen sich aber um erschütterte Leben, erschütterte Menschen, Traumatisierte und Traurige. Durch Ereignisse aus dem Gleichgewicht geratene Personen, erschütterte Existenzen.

Wenn eine Explosion oder das emotionale Äquivalent zum ersten Mal vorüber ist, kehrt manchmal eine seltsame Stille ein. Die Ohren haben Schaden getragen oder das Hirn kann das Chaos nicht verarbeiten oder man ist einfach allein mit den Trümmern. Ein Streit endet, eine Tür knallt, plötzlich ist es still. Ein Gebäude stürzt in sich zusammen, überall ist Staub und es wird still.

Ich stelle mir meine Protagonist*innen und Erzählinstanzen gern in einer solchen Stille vor. Auch die Leser*innen möchte ich in eine ähnliche, wenn auch abstraktere und beschütztere, Stille versetzen, um sie zum Nachdenken zu bewegen, sie auf sich zu stellen für einen Moment. Es geht mir nicht um Action, sondern um das, was danach kommt.

Weniger ErzählER

Ob es überhaupt erwähnenswert ist, weiß ich nicht, aber nicht alle Figuren in Erschütterungen. Dann Stille. sind männlich und eben so wenig alle Erzählinstanzen. Ich wollte ein wenig weg von der Eindimensionalität dieser Gewohnheit oder Tradition oder wie immer man es sonst nennen möchte. Über viele Jahre hinweg habe ich unbewusst nur Bücher von Männern gelesen und diese wiederum nutzten nur männliche Protagonisten und Erzähler. Ich bin froh, dass ich den Automatismus für mich gebrochen habe.

In Erschütterungen. Dann Stille. gibt es zwar noch immer Protagonisten und Ich-Erzähler, aber auch Perspektiven weiblicher Figuren und Geschichten, die keine Hinweise auf das Geschlecht der Ich-Erzählinstanz geben. Das geht manchmal unter, weil Leser*innen eben doch unbewusst ein Geschlecht auswählen oder herauszulesen meinen. Es ist durchaus interessant, wenn verschiedene Personen die gleiche Geschichte unterschiedlich lesen, weil sie das Geschlecht der Erzählinstanz verschieden interpretieren.

Mehr Herz, weniger Kopf?

Erschütterungen. Dann Stille. enthält mehr Geschichten, die man mitfühlen kann, als verkopfte Storys. Wer Sorck oder Das Maurerdekolleté des Lebens gelesen hat, wird bestimmte Erwartungen an den Erzählband haben. Diese Erwartungen werden nicht enttäuscht, aber auch nicht vollends erfüllt werden. Meiner Meinung nach liegt Erschütterungen. Dann Stille. ungefähr auf halbem Weg zwischen den beiden Prosa-Veröffentlichungen und dem Gedichtband Alte Milch.

Das liegt einerseits an der Kürze der Texte, die eher einen emotionalen Abriss zulassen als eine tiefere Idee. Dass dennoch beides möglich ist, wird man in manchen Erzählungen bemerken. Andererseits sehe ich dieses Buch als weiteren Schritt meiner literarischen Entwicklung an. Während Sorck noch sehr gekünstelt und gewollt erscheint, zwar gut und mit Recht veröffentlicht, aber für mich nicht ganz natürlich, ist Erschütterungen. Dann Stille. deutlicher und fühlt sich zum jetzigen Zeitpunkt richtiger an. Der Erzählband enthält weniger Selbstzwang zur Arbeit und mehr Erzählfreude, denke ich.

Gerade sprachlich spürt man das deutlich. Es gibt auch hier Ausreißer in absichtlich komplexe (oder verwirrende?) Formen, aber Erschütterungen. Dann Stille. ist kein Kraftakt mehr wie der Roman. [An dieser Stelle sollte ich noch anmerken, dass ich verdammt stolz bin auf Sorck und den Roman nicht niedermachen will, sondern heute eine andere Sicht auf ihn habe als zur Entstehungszeit. Das erscheint mir normal.]

Genremix

Da die Kurzgeschichten und Erzählungen in Erschütterungen. Dann Stille. im Laufe mehrerer Jahre entstanden sind und zum Teil ursprünglich für andere Projekte gedacht waren, besteht das Buch aus einem Mix verschiedener Genres. Viele Geschichten sind Ausschnitte aus Leben, die es tatsächlich geben könnte, und haben wenig Fantastisches an sich. Einige überschreiten die Grenzen des Logischen, um dem Symbolischen zu dienen. Dann gibt es die offen surrealen Werke, die schön abgedreht sind, wie man es von mir kennt. Ein Text könnte als Grusel- oder Horrorliteratur durchgehen und eine einzige Geschichte muss man als Science-Fiction bezeichnen.

Diese Mischung dient der Abwechslung und gibt Erschütterungen. Dann Stille. eine größere Auswahl möglicher Perspektiven und Betrachtungen. Chaos entsteht dadurch nicht, da auch in unterschiedlichen Genres eine Verbindung zwischen den Geschichten besteht. Stil, Ideenwelt und Autor bleiben sich erkennbar ähnlich (ohne langweilig zu werden).

Pläne für den Blog

Wie man es schon von mir kennt, wird es auf dem Blog begleitende Texte zu Erschütterungen. Dann Stille. geben. Diesmal hatte ich das bereits bei der Entstehung der Geschichten mitbedacht. Daher ist einiges bereits vorgearbeitet. Geplant ist ein Blogeintrag zum Cover (wie schon bei Sorck und Das Maurerdekolleté des Lebens geschehen), Blogeinträge zu jeder einzelnen der 29 Geschichten, ein Text zum Thema Namen (Suche, Bedeutung, Charakterisierung), einen Eintrag über Kurzprosa allgemein und eventuell noch Blogeinträge über die Erstellung eines guten und kostenlosen Buchsatzes sowie .epub-Formatierung.

Die Texte zu den einzelnen Geschichten wird es allerdings erst später geben, ab Dezember oder Januar. Sie enthalten alle Spoiler, die nicht vermieden werden konnten, und sollten entsprechend nicht vor den Geschichten selbst gelesen werden. Zwar werde ich die Blogeinträge in der Reihenfolge der Erzählungen im Buch veröffentlichen, aber dennoch kann ich von niemandem erwarten, Erschütterungen. Dann Stille. an den allerersten Tagen zu kaufen und sofort zu lesen. Daher die Wartezeit. Wer doch so schnell kauft und liest, wird es mir hoffentlich verzeihen.

Update: Das nächste Projekt

Über die nächste literarische Veröffentlichung und Projekte, die ich noch) nicht geschafft habe.

2020 ist für viele Menschen ein schwieriges Jahr gewesen und noch ist es nicht vorbei. Meine Pläne für dieses Jahr sind massiv durcheinander geraten und vieles hat einfach nicht geklappt. Dennoch konnte ich Das Maurerdekolleté des Lebens veröffentlichen, an einigen Ausschreibungen teilnehmen, den Blog neu gestalten und die Arbeit fürs Buchensemble beginnen. Es folgt ein kleiner Rückblick auf nicht umgesetzte Projekte und eine Vorschau auf die Zukunft.

Nicht geschafft

Den zweiten Roman, der als Rohfassung mit einigen Überarbeitungsdurchläufen bereits weit fortgeschritten ist, konnte bisher leider nicht fertiggestellt werden. Es wird dieses Jahr auch nicht mehr klappen. Ursprünglich sollte er bereits seit Monaten in verschiedensten Postfächern (digital und analog) von Verlagen liegen. Doch bevor das geschehen kann, werde ich mich gewissenhaft daran zu schaffen machen. Einige Monate wird das dauern und vorher stehen noch andere Projekte an.

Bald geschafft

Die nächste Veröffentlichung, die schon so weit fortgeschritten ist, dass ich mir sicher genug bin, sie für dieses Jahr noch ankündigen zu können, wird ein Erzählband sein. Damit werde ich die heilige Dreiheit der Literatur vollendet haben: Roman, Gedichtband, Erzählband. Das ist natürlich nicht der einzige Grund für dieses Projekt. Ich habe Autor*innen immer für ihre Kunst bewundert, in kürzesten prosaischen Texten ganze Schicksale unterzubringen, von Wolfgang Borchert über Jorge Luis Borges bis Ingeborg Bachmann (und natürlich auch bei Autor*innen, deren Name nicht mit B beginnt). Ob ich selbst auch nur ansatzweise mithalten kann, wird die Leserschaft entscheiden müssen. Für die nächste Anthologie von Nikas Erben hat es jedenfalls gereicht und darauf bin ich sehr stolz.

Erzählung oder Kurzgeschichte?

In der Buchbubble wird gerne jede Geschichte, die kürzer als ein Roman ist, als Kurzgeschichte bezeichnet. Ganz korrekt ist das nicht. Daher bezeichne ich das Buch nicht als Kurzgeschichtensammlung, sondern nenne es Erzählband. Es werden Kurzgeschichten darin vorkommen, aber eben auch Erzählungen. Die Texte werden unterschiedlich lang sein, von einer Seite bis zu etwa 30 Seiten Umfang. Durch die vielen kürzeren Geschichten werden etwa 30 Texte ins Buch kommen.

Worum soll es gehen?

Stilistisch und inhaltlich wird es große Unterschiede zwischen den Geschichten geben. Aber kein Text wird Leser*innen, die mich kennen, als Stilbruch erscheinen. Vom Genre her variieren die Storys zwar, aber kreisen alle um den Mix aus Gegenwartsliteratur, magischem Realismus, Surrealismus, den man von mir gewohnt ist, mit einer stilistisch ins Konzept passenden Science-Fiction-Geschichte und ein paar Versuchen ins Horror-Genre.

Düster wird es werden, schmerzhaft, seltsam und etwas gruselig. Es wird um Liebe gehen, um Alkohol, Rache, Versuche, mit sich selbst klarzukommen, die nicht immer funktionieren.

Was sagen die Testleser*innen?

Ich habe Herzen gebrochen, Tränen verursacht und gut unterhalten. So viel kann ich gerne verraten. Die meisten Geschichten wurden von mehreren ausgezeichneten Autor*innen testgelesen. Zum Glück. Nicht nur wurde ich auf verschiedenste Schwächen und Fehler hingewiesen, ich durfte auch völlig unterschiedliche Lesarten und Verständnisansätze kennenlernen. Ich bin unheimlich gespannt, ob und wie dieses Buch bei anderen Leser*innen ankommen wird.

Der Blog

Wie bereits beim Roman Sorck, dem Gedichtband Alte Milch und Das Maurerdekolleté des Lebens wird es auch für den Erzählband mehrere Blogeinträge geben, die auf bestimmte Aspekte des Buchs und einzelner Geschichten eingehen. Geplant ist das übrigens auch für die nächste Anthologie von Nikas Erben. Ihr dürft euch also auf weitere Einblicke in die Werkstatt freuen!

Wann wird das Buch erscheinen?

Nun, wenn ich nicht wieder einknicke unter dem Druck der Seuche, persönlicher Probleme oder globaler Dämlichkeit, sollte das Projekt im November abgeschlossen sein. Ich hoffe, dass es zu Weihnachten unter allen möglichen Bäumen liegen wird. Als Geschenk, nicht weggeworfen.

Seid ihr gespannt? Gibt es Menschen, die bereits vorhaben, das Buch zu kaufen, ohne wirklich etwas darüber zu wissen? Es würde mich freuen.

Das Maurerdekolleté des Lebens: Drei surreale Geschichten

Über “Das Maurerdekolleté des Lebens”, eine Sammlung von 3 surrealen Geschichten.

Ab sofort ist meine neueste Veröffentlichung, eine Sammlung von drei zusammenhängenden Erzählungen, unter dem Titel Das Maurerdekolleté des Lebens über Amazon (Kindle) und Tolino (ISBN: 9783739490823) zu haben. In diesem Blogeintrag möchte ich ein bisschen über die Grundidee der Geschichten herumspinnen.

Wie soll ich beginnen? Am Anfang stand eine Baustelle … oder: Alles Leben ist eine Baustelle …? Eines Tages kam ich nach Hause und fand die Straße vor meiner Wohnung aufgerissen, links und rechts waren Absperrungen, der Boden klaffte offen, aber ich konnte keine Bauarbeiter entdecken. Es war, als hätte man einen Teil der Welt für Unbefugte wie mich gesperrt und nebenbei ein wenig konstruktive Zerstörung angerichtet, deren Zweck ich nicht kannte, sofern es einen gab. Passiert das im Laufe eines Lebens nicht immer wieder? Irgendwo wird eine Entscheidung getroffen und im eigenen Leben entstehen Beschränkungen. Irgendjemand zerstört etwas (in dir), du weißt nicht warum und ab dem Zeitpunkt musst du um die Zerstörung herumexistieren.

Im Labyrinth einer Existenz, in der man selbst entscheiden darf, wohin man abbiegen möchte, aber nicht, ob man vom ursprünglichen Weg abbiegen, abweichen möchte, verlaufen sich die allermeisten, bis sie nur noch den Umleitungsschildern folgen. Viele vermeintliche Chancen sind bei genauerer Betrachtung die Wahl zwischen vorgefertigten Wegen.

Theo, der Protagonist der drei Geschichten, zieht los, um seinen neuen Job anzutreten. Die Ampel an der ersten Straße, die er zu überqueren hat, ist außer Betrieb. Er muss sich entscheiden: Rechts ausweichen? Links? Durch den rasenden Verkehr? Was kommt danach? Hier ist das nächste Problem: Wir können die Konsequenzen unserer Entscheidungen, besonders in langfristiger Hinsicht, kaum überblicken. Das Labyrinth ist immer größer als der kleine Ausschnitt, den man überblicken kann. Sofern man die Konsequenzen und Folgehandlungen nüchtern betrachten und berechnen kann, so ist dies mit den Handlungen aller anderen nicht mehr möglich. Es werden immer andere Menschen in die eigenen Pläne pfuschen. Ein Zurück gibt es nicht.

Dieses Gewirr aus Entscheidungen, Überschneidungen, Beeinflussungen, Vorgaben, Konsequenzen und Folgeentscheidungen liegt den Geschichten zugrunde. Der Titel Das Maurerdekolleté des Lebens entstammt aus der Welt der Baustellen, weist auf die Abwege hin, auf die man geraten kann, wenn man sich richtig verlaufen hat, bis man am Arsch der eigenen Welt angekommen ist, und auf die wenig schönen Aussichten, die man zwischendurch immer wieder haben kann. Gleichzeitig soll es ein Hinweis darauf sein, das Leben und die angesprochenen Probleme mit einem Zwinkern zu betrachten, und nicht alles zu ernst zu nehmen, auch sich selbst nicht. Das Leben besteht nicht aus dem Ziel des Weges, sondern aus dem Weg selbst.

Mit derart großen Themen könnte man ganze Bücherregale füllen. Jede Entscheidung für zu Entscheidungen, die zu Entscheidungen führen. Ich habe mich für drei recht kurze Erzählungen entschieden, um einen Ausschnitt zu zeigen, da das Gesamtbild unmöglich vollständig zu zeigen ist. Drei surreale Geschichten: Das Maurerdekolleté des Lebens, Das Maurerdekolleté des Todes und Das Maurerdekolleté der Gefräßigkeit, die ein Leben der Desorientierung, eines mit Ausstiegsversuch und eines ohne Rücksicht zeigen.

Aufgrund des geringen Umfangs (ca. 50 Seiten) habe ich mich für eine Veröffentlichung in Form von E-Books entschieden. Eine sehr kleine, nummerierte und signierte Auflage von Taschenbüchern wird ebenfalls hergestellt werden. Die Exemplare sind allerdings größtenteils bereits vor dem Druck vergriffen. Bei Interesse könnt ihr euch bei mir melden.

Es werden wie bei den anderen Büchern auch für Das Maurerdekolleté des Lebens weitere Beiträge im Blog folgen. Ich wünsche viel Spaß bei der Lektüre!

Michael Leuchtenberger: Derrière La Porte

Rezension des Buches “Derrière La Porte: Elf sonderbare Kurzgeschichten” von Michael Leuchtenberger.

Bücher sind immer gute Geschenke und Weihnachten 2019 habe ich einige davon bekommen, unter anderem Derrière La Porte von Michael Leuchtenberger, einem Band mit elf sonderbaren Kurzgeschichten. Über dieses Buch möchte ich schreiben.

Arbeiten wir uns von außen nach innen vor. Das circa 150 Seiten leichte Buch kommt mit einem eleganten und schlichten Cover aus, besitzt ein kurzes Vorwort und noch davor einen Hinweis auf Triggerwarnungen, die sich am Ende des Werkes befinden, spezifisch für jede Geschichte. Diejenigen Geschichten, für die eine Warnung existiert, sind mit einem kleinen “TW” in der oberen Seitenecke gekennzeichnet. Eine saubere Lösung. Vor jede Story hat der Autor eine kurze Passage gesetzt, in der er erklärt, wie der Text ursprünglich entstanden ist.

Kommen wir zum Inhalt. Die Geschichten gehören zu völlig verschiedenen Genres (Öko-Dystopie, Horror, Fantasy, Sci-Fi …), obwohl eine klare Tendenz zu Gruselgeschichten vorliegt, und spielen in verschiedenen Zeiten. Eine Gemeinsamkeit (und die Erklärung des Titels) ist, dass in allen Türen vorkommen, die durchschritten werden, Türen in andere Welten, Türen, die düstere Geheimnisse verstecken, und Türen, die man besser wieder schließt.

Die große Stärke aller Geschichten ist die Atmosphäre. Mir ist von jeder einzelnen Geschichte ein klares Bild verbunden mit einem deutlichen Gefühl geblieben. Durch die verschiedenen Settings und Genres sind auch die gebliebenen Bilder und Gefühle sehr unterschiedlich. Diese Stärke sorgt dafür, dass auch inhaltlich weniger starke Geschichten oder welche, die eigentlich Anrisse oder Skizzen genannt werden könnten, vollständig wirken und mitreißen.

Stilistisch erinnerten mich einige Geschichten an die wenigen Werke englischsprachiger und französischer Literatur des 19. Jahrhunderts, die ich gelesen habe, an E.A.Poe oder Alain-Fournier. Das könnte daran liegen, dass manche Texte durch die französische Landschaft inspiriert wurden und Leuchtenberger nicht wenig von Poe gelesen hat. In diesen Stil und Rahmen passen dann auch die teils sehr klassischen Gruselfiguren. Aber nicht alle Wesen, die vorkommen, kamen bereits woanders vor. Mehr oder weniger körperlose Wesenheiten schleimiger Natur tauchen ebenso auf wie sehr reale Monster – dabei denke ich an den Chef aus Der Despot. Von dieser Geschichte werden sich alle angesprochen fühlen, die schon einmal unter einem Kleindespoten knechten mussten.

Die Frage nach den Schwächen ist schwierig. Als Autor habe ich mir ab und zu gedacht, man hätte mehr aus den Geschichten herausholen können (das allerdings könnte Geschmackssache sein oder eine persönliche Stilfrage), aber ich habe auch gestaunt über die Atmosphäre, die ich gern selbst so gestalten können würde. Einige der klassischen Gruselfiguren hätten mich beinahe zum Augenrollen gebracht, hätten sie sich nicht so schön in Stil und Umgebung eingepasst. Das Buch steht also ein bisschen wacklig da, wenn man streng und kalt mit ihm umgehen will und man eine*r wird das tun. Aber mir geht es um mehr. Auch wenn Leuchtenbergers Geschichten hier und da noch etwas roh wirken, bringen sie die Leser*innen ans Ziel und wecken etwas in den Köpfen, das vorher ruhig schlummerte, bis sie die Tür aufstießen.

Natürlich habe ich unter den elf Geschichten ein paar Favoriten. Das Archiv gefällt mir besonders, weil es interessante Interpretationen zulässt. Die Bilder, die Marie Marais hinterlassen hat, haben einen faszinierenden Farbton – ich weiß, das klingt seltsam, aber ich verbinde Geschichten automatisch mit Farbtönen: Das Archiv ist nassgrau, während Marie Marais ein schmutziges Ocker hat. Am liebsten (und trotz kleiner Unschönheiten) mag ich Dein Name an der Tür. Diese kurze Geschichte hat mich nostalgisch gestimmt, zum Lächeln gebracht und traurig gemacht. Es ist, wie einen Kindertraum zu erleben, um dann aufzuwachen und zu merken, dass man erwachsen geworden ist. Was zwischen dem Traum und dem Jetzt passiert ist, kann rationalisiert werden, aber Fakt ist, dass der Traum schön war und längst vergangen ist.

Da manche Geschichten zum Interpretieren einladen, werde ich eventuell ein paar wilde Spekulationen loslassen, aber nicht mehr hier und heute.

Wollt Ihr ein Fazit haben? Ich mag das Buch und habe es innerhalb für mich sehr kurzer Zeit gelesen. Sterne, Punkte und dergleichen mehr verteile ich nicht. Lest das Buch, lasst Euch fesseln und hofft, dass eure Kopfbilder ähnlich interessant sind wie meine!